So verrückt das Jahr 2020 auch sein mag – den Jahresausklang wünschen sich viele Menschen in Bayern ganz traditionell: Familie oder Freunde um sich scharen, Raclette oder Fondue machen und in kleiner Runde auf das neue Jahr warten. Das Highlight dann pünktlich zu Mitternacht: Ein Silvester-Feuerwerk verwandelt den Nachthimmel in ein grellbuntes Funkenmeer.
Doch was für viele zum Neujahrsfest dazugehört, wird gerade bundesweit diskutiert: Mehrere Innenpolitiker und ein Polizeigewerkschafter haben sich für ein generelles Feuerwerksverbot ausgesprochen, um Versammlungen zu vermeiden und Krankenhauskapazitäten nicht durch Feuerwerksverletzungen zu verlieren.
Kein Feuerwerk und keine Raketen an Silvester? In diesen Innenstädten ist böllerfreie Zone
Die Entscheidung, Feuerwerke zu verbieten, treffen in Deutschland letztlich die Kommunen. In den vergangenen Jahren haben mehrere bayerische Städte Feuerwerk in Teilen der Innenstädte verboten, so gibt es böllerfreie Zonen in Augsburg, Füssen oder Regensburg. Oft wurde dies mit gefährdeten Denkmälern begründet, später rückten auch Gründe des Umweltschutzes in den Fokus.
Doch wie groß ist das Risiko tatsächlich, das von Feuerwerkskörpern für die Gesundheit ausgeht? Und welche Rolle spielt ein Feuerwerk beim Infektionsschutz? Bayerns Behörden geben sich in dieser Frage bislang zurückhaltend. Corona-Koordinator und Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann wollte sich dazu am Donnerstag nicht äußern. Auch Innenminister Joachim Herrmann sagte, es müsse abgewartet werden, was die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten vor dem Hintergrund der weiteren Pandemieentwicklung entscheiden.
Das zuständige Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL Bayern) reagiert auf die Frage nach dem Risiko durch Feuerwerkskörper zurückhaltend. Ein Sprecher verweist darauf, dass Verbraucher nur geprüfte Ware kaufen sollten. Beim Zünden von Feuerwerkskörpern seien die Abbrennzeiten zu beachten und der Abstand zu anderen Menschen einzuhalten.
Und selbst ein Notfallmediziner erhofft sich durch ein Feuerwerksverbot nur wenig Entlastung für die Krankenhäuser und Kliniken. Zwar würde das Verletzungsaufkommen kurzzeitig verringert, erklärt Felix Walcher, Sprecher der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. "Ich sehe das aber eher unter dem ökologischen Aspekt."
Silvester: Gibt es eine Statistik zu Verletzten durch Feuerwerk 2019?
Eine offizielle Statistik zu Verletzten durch Feuerwerkskörper wird nicht geführt – weder bundesweit noch für den Freistaat. Laut Bayerischem Landeskriminalamt kam es zum Jahreswechsel in den vergangenen Jahren im Schnitt zu rund 100 Polizei-Einsätzen, die mit Pyrotechnik zu tun hatten. "Dabei sind größtenteils leichte Verletzungen wie Brandblasen an den Fingern, angesengte Haare oder Knalltraumata zu verzeichnen", teilt Sprecher Thomas Waldinger mit.
Zum Risiko werden Feuerwerkskörper nach Einschätzung des Experten vor allem, wenn sie falsch angewendet werden oder wenn Böller und Raketen absichtlich auf Menschen gerichtet werden. Auch passiere es immer wieder, dass sogenannte Blindgänger bei einem zweiten Anzündversuch bereits in der Hand losgehen. In drei Prozent der Zwischenfälle waren zudem illegale Pyrotechnik aus dem Ausland oder der Marke Eigenbau im Spiel, sagt Waldinger: "Die Folge waren aufgrund der wesentlich höheren Wirkung schwere Verletzungen."
Ein Verbot von in Deutschland handelsüblichen Feuerwerkskörpern drängt sich nach Einschätzung des Landeskriminalamts derzeit nicht auf. Diese Artikel seien zertifiziert und materialgeprüft, sodass bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine Verletzungsgefahr besteht, sagt Waldinger: "Bei einem Verkaufsverbot von legalem Feuerwerk besteht durch die Zugriffsnähe im Internet die Gefahr, dass vermehrt auf illegale Produkte aus dem Ausland zurückgegriffen wird."
Keine Raketen an Silvester 2020? Das bedeutet ein Verbot für die Pyrotechnikbranche
Diese Sorge teilt Klaus Gotzen, Geschäftsführer des Verbands der pyrotechnischen Industrie. Käme es tatsächlich zu weitverbreiteten Feuerwerksverboten an Silvester, wäre das für seine Branche enorm schmerzhaft. Großveranstaltungen wurden in diesem Jahr abgesagt, auch Hochzeiten fielen kleiner aus oder wurden verschoben – damit gab es kaum Großfeuerwerke. Gotzen sagt: "Die Umsätze liegen schon jetzt mehr oder weniger bei null. Wenn auch noch Silvester wegfällt, wird der eine oder andere schließen müssen." Rund 3000 Menschen arbeiten in Deutschland in der Pyrotechnikbranche, außerdem sieht Gotzen Einzel- und Fachhändler bedroht.
Das Neujahrsfest kann sich Gotzen auch in diesem Jahr mit einem um Mitternacht hell erleuchteten Himmel vorstellen: "Wir sind der Auffassung, dass Feuerwerkskörper von vielen Privathaushalten coronagerecht unter Einhaltung der Hygiene-Maßnahmen gezündet werden können." Zu guter Letzt gehe es beim Silvester-Feuerwerk "um Emotionen und eine Tradition, die es schon seit langer Zeit gibt." (mit dpa)
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ein Feuerwerksverbot ist durch Corona nicht zu rechtfertigen
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