Augsburg Herbe Schlappe für die Staatsanwaltschaft im Ursula-Herrmann-Prozess: Der ehemalige Chefermittler in dem Entführungsfall hat das Geständnis eines möglichen Mittäters als unglaubwürdig bezeichnet. Der Mann hatte einmal bei der Polizei ausgesagt, er habe im Auftrag des Hauptangeklagten das Loch für Ursulas Gefängniskiste gegraben. Am selben Tag widerrief er jedoch das Geständnis. Seit Wochen dreht sich die Verhandlung um das Thema, ob dieser Klaus P. nun das Loch gegraben hat oder nicht.
Der ehemalige Augsburger Oberstaatsanwalt Franz Ammer, der neun Jahre lang die Ermittlungen im Fall Ursula Herrmann leitete, beschrieb gestern nun Klaus P. als "notorischen Alkoholiker, dem man nicht glauben konnte". Der Mann sei in seiner Anwesenheit auf dem Fürstenfeldbrucker Polizeirevier völlig wirr gewesen und habe sich ständig widersprochen. Er habe daher auch keinen Anlass gesehen, weiter aktiv zu werden.
"Spaten taugte nicht zum Aushub"
Der Chefermittler war mitten in der Nacht gerufen worden mit dem Hinweis, dass jemand ein Geständnis abgelegt habe. Dass Klaus P. seine Angaben zu diesem Zeitpunkt bereits zurückgenommen hatte, wurde dem Staatsanwalt nach dessen Worten vorenthalten.
Die heutige Staatsanwaltschaft hält das später widerrufene Geständnis für ein wichtiges Indiz gegen den Angeklagten Werner M. Als Beleg dafür, dass Klaus P. das Loch für die Todeskiste ausgehoben hat, wertet sie mehrere Aussagen von Zeugen, die P. in Arbeitsmontur auf einem Mofa mit einem Spaten gesehen haben. Auch dieses Indiz brachte der frühere Chefermittler ins Wackeln: "Wenn man das Loch anschaut, das kann nie mit einem Spaten gegraben worden sein. Da war Wurzelwerk im Boden."
Der Angeklagte Werner M. (59) soll im September 1981 die zehnjährige Ursula Herrmann - wohl mit Komplizen - entführt und in eine im Wald vergrabene Kiste gesperrt haben. Ursula erstickte. M. und seine Frau sollen versucht haben, von Ursulas Eltern zwei Millionen Mark zu erpressen. Beide bestreiten die Tat.
Ex-Oberstaatsanwalt Ammer kritisierte gestern scharf die Ermittlungen der Polizei: Als am 4. Oktober 1981 die Kiste mit der toten Ursula gefunden wurde, habe am Tatort ein Riesentrubel geherrscht. "Da ist es zugegangen, viel Presse war da", so Ammer. Die Spurensicherung sei massiv behindert worden. "Da war ein Spurenvernichtungskommando unterwegs", sagte der Ex-Chefermittler sogar.
Ein weiterer Fehler nach Ammers Ansicht: Die ersten Erpresseranrufe seien nur aufgezeichnet, aber nicht sofort eine Fangschaltung eingerichtet worden. Außerdem habe die Polizei eigenmächtig das Haus des jetzigen Angeklagten durchsucht - gegen seinen Willen. "Ich hätte lieber im Stillen weiter ermittelt."
Schließlich sei er in Ruhestand gegangen und habe den Fall Ursula Herrmann unerledigt abgegeben. Ein Kollege habe ihn "gemobbt" mit der Bemerkung, innerhalb von drei Monaten habe man nun den Täter. In einer seiner letzten Amtshandlungen stellte Franz Ammer das Verfahren gegen den jetzigen Angeklagten Werner M. und mögliche Mittäter ein.