Mit dem Wasser verhält es sich hierzulande wie mit Benzin oder Strom. Hahn auf, Zapfsäule an oder Kabel eingesteckt – Verbraucher sind gewöhnt, dass alles reibungslos fließt. An die Infrastruktur dahinter verschwendet man in der Regel keinen Gedanken. Bis es dann auf einmal nicht mehr mit einem Handgriff funktioniert: So geht es aktuell den Menschen in Gersthofen. „Abkochgebot im Stadtgebiet Gersthofen: Belastung durch coliforme Keime“ prangt es auf der Startseite des Internetauftritts der Stadt. Die Keime sind bei einer Kontrolle vor rund einer Woche aufgetaucht. Für die Behörden des Landkreises Augsburg ist solch ein Fall mittlerweile Routine, könnte man sagen. Schließlich gab es in den vergangenen Jahren mehrfache Fälle von verunreinigtem Trinkwasser in der Region.
Nicht nur in Gersthofen muss das Wasser abgekocht werden
So in Diedorf (Landkreis Augsburg), wo die Menschen seit nunmehr einem Jahr auf gechlortes Trinkwasser angewiesen sind. Das Gesundheitsamt des Landkreises hat „grundlegende Mängel“ festgestellt – das ist so, „sobald ein Versorger kein Trinkwasser in gesetzlich vorgeschriebener Qualität zur Verfügung stellen kann“, teilt das Landratsamt Augsburg mit. In Diedorf könnte veraltete Technik eine Ursache gewesen sein, weil etwa die Belüftung an den neun Hochbehältern, in denen das Wasser aufbereitet wird, nicht auf dem neuesten Stand war.
In Betracht kommt nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auch der Hitzesommer des vergangenen Jahres. Wenn der Boden so trocken ist, gelangen demnach leichter Keime ins Grundwasser. Eine weitere Ursache für Verunreinigungen könnten Starkregenfälle nach Trockenperioden sein. Grund zur Besorgnis bestehe aber nicht: „Die Trinkwasserqualität in Schwaben und in ganz Bayern sowie deutschlandweit ist grundsätzlich sehr gut“, schreibt das Amt.
In Bayern wird mit einem Anteil von etwa 90 Prozent weitgehend das gesamte Trinkwasser aus Grundwasser gewonnen. Circa 215.000 Kilometer Wasserrohre verlaufen unter dem Freistaat, wovon jedoch nach Angaben des Branchenverbandes VBEW in den kommenden Jahren bis zu 15 Prozent saniert werden müssen. Experten schätzen den Wert des Netzes auf etwa 100 Milliarden Euro.
Die Versorgung mit Trinkwasser in Schwaben ist nicht gefährdet
Laut einer Studie der Regierung von Schwaben aus dem Jahr 2014, der „Wasserversorgungsbilanz“, werden in Schwaben rund 80 Prozent der Bevölkerung aus uneingeschränkt versorgungssicheren Anlagen mit Trinkwasser versorgt. Eine stark eingeschränkte Versorgungssicherheit liegt dagegen bei insgesamt 179 Wasserversorgungsanlagen vor, das ist rund ein Drittel. Aus diesen werden circa sieben Prozent der Bevölkerung Schwabens, also etwa 122.000 Einwohner, versorgt.
Nach Angaben der Studie liegt eine stark eingeschränkte Versorgungssicherheit meist dann vor, wenn es nur einen Brunnen oder eine Quelle gibt. So sei es im Wesentlichen in den drei Landkreisen Unterallgäu, Oberallgäu und Ostallgäu. Als zum Beispiel 2017 in Türkheim (Landkreis Unterallgäu) Keime gefunden wurden, mussten die Menschen ihr Wasser abkochen oder gechlort trinken. Bis heute konnte keine Ursache für die Verunreinigung gefunden werden, dafür erhöhte sich der Wasserpreis pro Kubikmeter um etwa 15 Prozent.
Auch andernorts in Schwaben wissen die Menschen wie es ist, kein sauberes Trinkwasser zu haben. In Buttenwiesen (Landkreis Dillingen) musste 2018 und 2017 das Trinkwasser gechlort getrunken werden. Im vergangenen Jahr waren coliforme Bakterien die Ursache. Im Landkreis Augsburg dagegen gilt die Wasserversorgung großflächig als uneingeschränkt versorgungssicher.
Das Augsburger Trinkwassernetz ist ein Sonderfall
Und dennoch treten immer wieder Fälle wie in Diedorf oder Gersthofen auf. Wie das Gesundheitsamt Günzburg erläutert, haben Trinkwasserleitungen in der Regel eine Lebensdauer von circa 50 Jahren. In Bayern kommen viele Rohre langsam an ihre Grenzen. Zumindest in Augsburg ist das laut den Stadtwerken nicht der Fall. Hier liege das Durchschnittsalter der Rohre bei 35,5 Jahren. Nach eigenen Angaben investieren die Stadtwerke Jahr für Jahr etwa acht Millionen Euro in ihr Leitungsnetz, daher gibt es keinen Sanierungsbedarf. Was auf die Bürger in Gersthofen zukommt, steht noch nicht fest. Das Abkochgebot bleibt jedenfalls vorerst bestehen.
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