Morgens, acht Uhr im Freistaat. Nicht nur Schüler und Lehrer sitzen vor ihren Computern und tippen die Adresse der offiziellen Lernplattform Mebis in den Browser. Auch Journalisten, Oppositionspolitiker und sicher ein paar Mitarbeiter des Kultusministeriums testen, ob die viel gescholtene Plattform zum Schulstart läuft.
Ein bisschen hat man das Gefühl, gleich den Kultusminister aus dem Amt zu klicken. Stürzt Mebis zum Schulstart wieder wegen Überlastung ab, hat Michael Piazolo ein Problem. Nach den Ferien müsse beim Distanzunterricht alles laufen, dieses Ultimatum hatte Ministerpräsident Markus Söder im Dezember gestellt. „Dann gibt es keine Ausreden mehr“, sagte Söder damals unserer Redaktion. Was genau danach passieren würde, ließ Söder allerdings offen.
Nachmittags hat Mebis kurzzeitig Probleme
Doch siehe da: Im Ministerium scheint man die Ferien genutzt zu haben. Die Lernplattform öffnet sich ohne lange Ladezeit. Nicht nur an den PCs der Journalisten und Politiker, auch bei Schülern und Eltern. „Es hat erstaunlich gut funktioniert“, sagt die Mutter einer Sechstklässlerin am Gymnasium Donauwörth. „Wir haben uns um Punkt acht Uhr eingewählt“, erzählt sie. 95 Prozent der Lehrer hätten ihre Arbeitsunterlagen schon am Vorabend hochgeladen, ihre Tochter habe ausreichend Aufgaben über das Portal bekommen.
In den Ferien war Mebis nach Angaben des Kultusministeriums optimiert worden - auch von externen Dienstleistern. Regelmäßig seien "eng getaktete Lasttests durchgeführt" worden.
Am frühen Nachmittag dann berichten Lehrer und Eltern von kurzzeitigen Problemen, die offenbar innerhalb einer halben Stunde behoben sind. Das Kultusministerium meldet, dass bis um 16 Uhr 468 000 erfolgreiche Log-ins registriert worden seien. Wie viele Nutzer gleichzeitig auf der Plattform arbeiteten, lässt sich an dieser Zahl jedoch nicht ablesen. Mebis war zuletzt immer dann abgestürzt, wenn zu viele Nutzer parallel aktiv waren.
Ministerium weist "zurückhaltende" Mebis-Nutzung an
Dennoch trauen nicht alle dem Frieden. Denn das Ministerium hatte vorgesorgt. Piazolo ließ Schulen anweisen, „am 11. Januar die Lernplattform nur sehr zurückhaltend zu nutzen“. Danach könne die Nutzung "sukzessive gesteigert werden". Von einem seiner Vorschläge fühlten sich viele Lehrer veräppelt: „Neben Videokonferenzen und E-Mails kann auch das Telefon ein gutes Medium zur persönlichen Ansprache und zum Austausch von Informationen darstellen.“
Nicht wenige werteten das als pure Angst vor einem erneuten Mebis-Zusammenbruch – und als Grund für den erfolgreichen Neustart. Der FDP-Bildungspolitiker Matthias Fischbach kritisierte, Mebis habe nur mit Hilfe eines "ministeriellen Bettelbriefs" einigermaßen stabilisiert werden können. Und Max Deisenhofer, Experte für digitale Bildung bei den Grünen, sagte angesichts des Schreibens an die Schulen: "Der echte Belastungstest folgt erst in den nächsten Tagen und Wochen, wenn den Schulen nicht mehr von der Nutzung abgeraten wird. Wir erwarten, dass eine Lernplattform dauerhaft und zuverlässig zur Verfügung steht. "
Piazolo dürfte trotzdem tief durchatmen – vorerst. Denn natürlich hängen Söders Ultimatum und die Kritik der Opposition am Digitalunterricht nicht nur an einer unberechenbaren Online-Plattform. Der Druck bleibt groß, auch in den nächsten Tagen und Wochen. Besonders thematisiert hat Piazolo Mebis am Montag nicht.
Schulen bleiben mindestens bis Ende Januar im Distanzunterricht
Bayerns Schulen werden bis mindestens Ende Januar geschlossen bleiben. Komplett rund lief allerdings auch am Montag nicht alles. Wie Lehrer auf Twitter berichteten, gab es am Morgen Probleme mit anderen, kommerziellen Lernplattformen. Wer etwa auf die Website des Programms „Schulmanager online“ klickte, bekam über mehr als zwei Stunden eine Fehlermeldung zu sehen. Sind etwa (zu) viele Schulen nach den Pannen und dem ministeriellen Mebis-„Nutzungsverbot“ zum Schulbeginn auf Alternativen umgestiegen?
Johannes Stanggassinger, Geschäftsführer bei Schulmanager online, sagte auf Anfrage, dass sich die Nutzerzahl seit dem ersten Lockdown Anfang März vervierfacht habe. Auch die Aktivität der Nutzer nehme zu. Darauf habe man sich vorbereitet, etwa durch mehr Serverleistung. „Das größere Problem war heute ein DDoS-Angriff auf unseren Server. Dabei schickten verschiedene Computer tausende von Anfragen, um diesen in die Knie zu zwingen.“ Man arbeite daran, solche Probleme zu verhindern.
Auch die Schule der Sechstklässlerin aus dem Kreis Donau-Ries hat sich für den Distanzunterricht mittlerweile ein Zusatztool als Ergänzung zu Mebis angeschafft: das weitverbreitete Microsoft Teams, über das per Video Schulstunden abgehalten werden können. Dass digitalbegeisterte Lehrer jetzt im Vorteil sind, sieht ihre Mutter auch bei der Mebis-Nutzung: „Jeder Lehrer hat auf Mebis seine eigene Vorgehensweise. Man merkt, dass IT-affine Lehrkräfte ihre Materialien besser strukturieren.“
Lesen Sie dazu auch:
- Wie viele Proben müssen Schüler jetzt noch schreiben?
- Zeugnisse, Ferien und Mebis: Das sagt Piazolo zum Distanzunterricht
- Wieder Ärger mit der Lernplattform Mebis
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.