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Schule in Bayern: Wie viele Freistunden sind zu viel?

Schule in Bayern

Wie viele Freistunden sind zu viel?

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    Die Anzahl der Freistunden ist prozentual gesunken. Dennoch stehen zu wenige Lehrer zur Verfügung.
    Die Anzahl der Freistunden ist prozentual gesunken. Dennoch stehen zu wenige Lehrer zur Verfügung. Foto: Jonas Güttler/Symbol (dpa)

    Siegfried Nar reicht’s. Am Aichacher Deutschherren-Gymnasium (DHG) sind in der Klasse seines Sohnes im vergangenen Schuljahr 74 Unterrichtsstunden ersatzlos ausgefallen. Zu viele, findet der Mann aus Sielenbach (Kreis Aichach-Friedberg). Ein Intensivierungskurs in Mathematik habe im zweiten Halbjahr gar nur einmal stattgefunden. Die Ursache ist für ihn klar: zu wenig Lehrer. „Ich will das nicht mehr hinnehmen“, sagt er.

    Zahl der ausgefallenen Stunden ist relativ

    In einem Brief fordert er den bayerischen Kultusminister Ludwig Spaenle auf, Abhilfe zu schaffen. Sollten im nächsten Schuljahr ähnlich viele Stunden ausfallen, wolle er Möglichkeiten prüfen, „dies auf dem Rechtsweg zu unterbinden“, kündigt Nar an. Er erwägt eine Klage vor dem Verwaltungsgericht.

    Schulleiter Gerhard Haunschild sieht die Situation nicht so dramatisch wie Nar. „Wir liegen auf keinen Fall höher als andere Gymnasien in Bayern“, sagt er. Natürlich sei jede ausgefallene Stunde eine zu viel, man müsse die Statistik des Vaters aber relativieren. So seien nur wenige Stunden in den Abiturfächern Deutsch (vier Stunden), Englisch (sieben) und Mathematik (zwei) ausgefallen. Und es falle im Schnitt nicht mehr Unterricht aus als an anderen Gymnasien. Der lag laut Kultusministerium im vergangenen Schuljahr bei rund 2,5 Prozent, wie dessen Sprecher Ludwig Unger berichtet.

    Die Lösung scheint einfach - mehr Lehrer

    Max Schmidt, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands (BPV), in dem viele Lehrer an Gymnasien und Beruflichen Oberschulen organisiert sind, betrachtet es als Erfolg, dass diese Quote unter drei Prozent gesunken ist. „Das ist eine Größenordnung, mit der man rechnen muss“, sagt er. Gelungen ist das durch die integrierte Reserve: Lehrer, die an der Schule angestellt sind und bei Bedarf mehr Unterricht geben. 23 Wochenstunden standen am DHG dafür im vergangenen Schuljahr zur Verfügung. „Die sind natürlich schnell weg, wenn jemand schwanger ist oder länger erkrankt“, sagt Gerhard Haunschild. Dazu kommen Fortbildungen, Skilager, Studienfahrten, Prüfungen oder Lehrerkonferenzen. „Im Juli sind sechs Kollegen ausgefallen“, macht er eine Sondersituation geltend. „Was wir machen konnten, haben wir gemacht, aber irgendwann geht’s nicht mehr.“

    Nar kritisiert auch nicht den Schulleiter. „Der rödelt sich zu Tode, um damit auszukommen, was ihm Herr Spaenle zur Verfügung stellt“, sagt er. Die integrierte Reserve reiche aber schlicht nicht aus. Laut Nar ist die Klasse seines Sohnes kein Einzelfall. Als stellvertretender Elternbeiratsvorsitzender erfahre er im Gespräch mit anderen Eltern, dass die Situation in vielen Klassen vergleichbar sei. Die Lösung ist für Nar: mehr Lehrer.

    Integrierte Reserve soll aufgestockt werden

    So sieht das auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV). Vorsitzender Klaus Wenzel sagt: „Für uns ist jede ausgefallene Schulstunde eine Ohrfeige für das Schulsystem.“ Auch er sieht durch die integrierte Reserve eine sehr positive Entwicklung. „Aber wir sind noch lange nicht am Ziel.“ Auch der BPV fordert, die integrierte Reserve auf zehn Prozent des Personalaufwands auszubauen. Man müsse aber realistisch sein, so Schmidt. „Wenn die Schülerzahl zurückgeht, kann man keinem Finanzminister klar- machen, dass man noch mehr Lehrer braucht.“

    Haunschild sieht sein Gymnasium personell gut ausgestattet. Im vergangenen Schuljahr seien seine Wünsche erfüllt worden. Im neuen Schuljahr stünden statt 105 sogar 115 Lehrkräfte für Aichach und die Außenstelle in Mering zur Verfügung, darunter zwölf Referendare. Die integrierte Reserve steigt auf 27 Wochenstunden.

    Ministeriumssprecher Unger betont, dass die Zahl der Lehrer trotz sinkender Schülerzahlen bis 2018 konstant bleibe. Aber es mache nur Sinn, die Lehrer einzustellen, die man auch braucht. Ein Geschichtslehrer könne nicht Mathe unterrichten. Lehrer für Naturwissenschaften seien nach wie vor gefragt. Das weiß Klaus Wenzel. Die Schulen seien aber auch mit Lehrern für Deutsch und Geschichte nicht überversorgt. Er vermisst den politischen Willen, junge Kollegen einzustellen. Der gleichen Meinung ist Siegfried Nar. Deshalb hat er diesen Brief geschrieben und denkt über eine Klage nach. „Ich mache das für die Kinder.“ (AZ)

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