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Schule: Mittelstufe Plus: Zwei Wege und ein Abitur

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Mittelstufe Plus: Zwei Wege und ein Abitur

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    Ein Jahr weniger: Das ist das wichtigste Argument für die Achtklässler, die am Krumbacher Simpert-Kraemer-Gymnasium das reguläre G8 absolvieren.
    Ein Jahr weniger: Das ist das wichtigste Argument für die Achtklässler, die am Krumbacher Simpert-Kraemer-Gymnasium das reguläre G8 absolvieren. Foto: Bernhard Weizenegger

    Daniel Stengelberger hat sich ganz allein entschieden. Ohne Eltern, ohne Lehrer. Der Achtklässler am Simpert-Kraemer-Gymnasium in Krumbach besucht seit knapp einem Monat die sogenannte Mittelstufe Plus. Das heißt, dass er für das Abitur wieder neun Jahre Zeit hat. Seine Mittelstufe dauert ein Jahr länger als die im regulären Zug des G8. In der elften Klasse dann werden alle Schüler wieder in gemeinsamen Klassen lernen.

    Das Simpert-Kraemer-Gymnasium ist eine der Pilotschulen, die die Mittelstufe Plus zwei Jahre lang testen. Beworben hatten sich 71 von 422 Gymnasien in Bayern. 47 wurden genommen. Deren Lehrer erproben nun, wie der entzerrte Lehrplan funktioniert und wo es noch Schwachstellen gibt.

    Warum er die Mittelstufe Plus gewählt hat? „Vor allem wegen Mathe“, sagt Daniel Stengelberger. „Da hatte ich in der Siebten ziemlich Probleme. In der Mittelstufe Plus nehmen wir den Stoff langsamer und vertiefter durch. Deswegen war für mich klar, dass ich das G9 nehme.“

    Kultusminister Spaenle: "Es gibt kein G9 in Bayern"

    Das G9. Kultusminister Spaenle vermeidet diesen Begriff tunlichst, wenn es um die Mittelstufe Plus geht. „Es gibt kein G9 in Bayern. Unser Gymnasium ist achtjährig“, betonte er immer wieder. Und doch reagiert das Kultusministerium mit seinem Pilotversuch auf die Dauer-Kritik am G8, das auch elf Jahre nach seinem Start noch längst nicht alle Lehrer, Eltern und Schüler überzeugt hat.

    Karin Sonntag, selbst Mutter und Chemie-Lehrerin am Krumbacher Gymnasium, freut sich auf die Mittelstufe Plus. „Mit einem zusätzlichen Jahr kann man über den Tellerrand hinausblicken, mehr Dinge in den Unterricht einbauen, die die Schüler interessieren – auch wenn sie nicht unbedingt nötig sind, um ein gutes Abitur zu machen.“ Freitags plant sie eine Chemie-Stunde nur mit Experimenten. Sie will mehr aktuelle Themen behandeln, „vielleicht die Abgasaffäre bei VW“. Solche Dinge fielen beim G8 häufig unter den Tisch. „Die Stofffülle ist ab der 5. Klasse relativ dicht. Man muss auch als Lehrer gut organisiert sein, um alles zu bewältigen und die Inhalte bei den Schülern zu festigen.“ Sie selbst hat ihr Kind zum laufenden Schuljahr für die Mittelstufe Plus angemeldet.

    Am Krumbacher Gymnasium gibt es fünf achte Klassen, drei davon in der Mittelstufe Plus. „Damit liegen wir ziemlich genau im bayerischen Durchschnitt“, sagt Schulleiter Norbert Rehfuß. Rund 60 Prozent der Achtklässler an den Modellschulen besuchen die Mittelstufe Plus. Die riesige Resonanz überraschte das Kultusministerium, ursprünglich war das Pilotprojekt auf lediglich 25 Prozent der Schüler ausgerichtet.

    An anderen Pilotschulen ist der Ansturm sogar noch größer. Am Dillinger Johann-Michael-Sailer-Gymnasium zum Beispiel, einer weiteren von sechs Modellschulen in Schwaben. Dort kam nur mit Mühe überhaupt eine Regelkasse zusammen. Ein Votum gegen das achtjährige Gymnasium sei das nicht, betont der Krumbacher Schulleiter Norbert Rehfuß. „Es gibt Schüler, die kommen damit wunderbar zurecht. Viele motiviert es auch, ein Jahr früher Abitur zu machen.“

    Mehr Zeit für Hobbys

    Für Befürworter ist ein Pluspunkt der vierjährigen Mittelstufe, dass Nachmittagsunterricht nur noch in der zehnten Klasse vorgesehen ist. Kernfächer wie Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen werden durchgängig unterrichtet, mindestens zwei Nebenfächer aber fallen pro Schuljahr weg. Auch Achtklässlerin Kathrin Pfeifer hat sich für ein zusätzliches Jahr entschieden. „Ich spiele Klavier und habe auch sonst noch Hobbys. Dafür will ich einfach mehr Zeit haben.“ Hinzu kommt gerade bei Modellschulen auf dem Land, dass die Schüler teils lange Wege mit dem Bus zurücklegen. Nach Schulschluss dauert es oft eine Stunde, bis der nächste Bus nach Hause fährt, der Weg selbst ist für manche Schüler noch einmal genauso lang.

    Am Augsburger St.-Anna-Gymnasium liegt die Straßenbahnhaltestelle gleich ums Eck. Trotzdem hat die Hälfte aller Achtklässler die Mittelstufe Plus gewählt. Schulleiter Peter Schwertschlager hat die Resonanz erstaunt. Er sei überrascht, wie viele Eltern sich mehr Schulzeit für ihre Kinder wünschen, „damit sie als Persönlichkeiten reifen und neben der Schule Hobbys pflegen können“.

    Schon einen Monat nach dem Start der Mittelstufe Plus habe sich das Leben im Schulhaus verändert. So viele Schüler wie selten würden sich in sozialen Schulprojekten engagieren, im Chor oder im Orchester. Achtstufiges Gymnasium und Mittelstufe Plus an einer Schule – das ist für Peter Schwertschlager der Weg in die Zukunft: „Wir akzeptieren mehr und mehr den Gedanken, dass junge Menschen unterschiedlich schnell reifen.“ "Kommentar

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