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Schule: Eine Mutter aus Krumbach kämpft gegen das Übertrittszeugnis

Schule

Eine Mutter aus Krumbach kämpft gegen das Übertrittszeugnis

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    Natalie Tews hat eine Petition für den sogenannten Elternwillen gestartet.
    Natalie Tews hat eine Petition für den sogenannten Elternwillen gestartet. Foto: Peter Bauer

    Ihr Sohn hat es geschafft. Der Zehnjährige hat am Donnerstag sein Übertrittszeugnis erhalten und der Notenschnitt reicht fürs Gymnasium. Trotzdem können sich weder Natalie Tews noch der Junge wirklich freuen. „Die Wochen vor dem Zeugnis waren für uns die Hölle“, sagt die 40-Jährige aus Krumbach. Lernen, lernen, lernen. Ihr Sohn hatte Kopfschmerzen, immer wieder Bauchweh. „Er hat den Stoff nur für die Proben gelernt. Nichts ist hängen geblieben“, erinnert sich Tews. Diesen Stress will sie anderen Kindern ersparen.

    Die dreifache Mutter hat eine Petition gestartet und will, dass Eltern allein über die Schullaufbahn ihres Kindes entscheiden. Im Titel der Unterschriftenaktion auf der Plattform change.org hat Tews ihre Forderungen zusammengefasst: „Gerechtigkeit für Kinder – freie Schulwahl jetzt – Freigabe des Elternwillens beim Übertritt“, heißt sie.

    Wie der Sohn der Verwaltungsfachangestellten haben in Bayern am Donnerstag mehr als 100.000 weitere Viertklässler ihr Übertrittszeugnis erhalten. In den vergangenen Schulmonaten haben sie 22 Proben geschrieben. Wer in Mathematik, Deutsch sowie im Heimat- und Sachunterricht einen Schnitt von 2,33 erreicht, bekommt von der Schule eine Empfehlung fürs Gymnasium. Ein 2,66er-Schnitt reicht für die Realschule. Jedes Kind mit schlechteren Noten kann am Probeunterricht für die gewünschte Schulart teilnehmen. Er umfasst die Fächer Deutsch und Mathematik. Bestanden hat, wer mindestens die Noten Drei und Vier bekommt. Aber ist das fair? Wüssten nicht die Eltern viel besser, auf welcher Schulart ihr Kind richtig aufgehoben ist?

    Das Übertrittszeugnis höchst umstritten - seit Jahren

    Der Widerstand gegen das Übertrittszeugnis ist größer denn je. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband fordert seit Jahren die Abschaffung. Die SPD will jetzt einen Runden Tisch, um die „sich zuspitzende Situation“ zu klären. Auch die Eltern bündeln ihre Kräfte: Natalie Tews Petition hatten bis Donnerstagabend mehr als 800 Menschen unterzeichnet.

    In Oberbayern hat sich die „Bürgerinitiative für die Abschaffung der verbindlichen Schulempfehlung in Bayern“ gegründet. Dahinter steht die Ilona Zehetleitner aus Rapperszell im Kreis Eichstätt, die fünf Kinder hat. „Mein zweiter Sohn hatte selbst eine sehr schwierige Übertrittsphase“, sagt sie. Vor allem seelisch sei der ständige Lerndruck eine Qual gewesen. Zehetleitner findet das Verfahren auch überhaupt nicht gerecht. Heute berät sie Eltern, die die Noten ihres Kindes nicht nachvollziehen können. „Die Unterschiede zwischen den Lehrern sind riesig“, sagt sie.

    Grundschullehrer entscheiden zum Beispiel selbst, ob und wie viele mündliche Noten in der Klasse gemacht werden – und welche Leistungen damit ins Übertrittszeugnis einfließen. Das System mache Eltern und Lehrer zu Feinden, sagt die Gründerin der Bürgerinitiative. Tatsächlich ist das Übertrittszeugnis einer der Hauptgründe dafür, dass Eltern gegen Lehrer klagen.

    Zehntausende Grundschüler erhalten jährlich Anfang Mai ihr Übertrittszeugnis.
    Zehntausende Grundschüler erhalten jährlich Anfang Mai ihr Übertrittszeugnis. Foto: Marcus Merk

    Kultusministerium will Übertrittszeugnis behalten

    Das bayerische Kultusministerium will es trotz aller Kritik nicht abschaffen. Schulminister Michael Piazolo (Freie Wähler) betont: „Ich habe Vertrauen in unsere Lehrkräfte, die gut einschätzen können, welcher Bildungsweg für ein Kind nach der Grundschule am besten ist.“ Und die Eltern würden ja in die Entscheidung einbezogen. Der bayerische Philologenverband stimmt ihm zu und fürchtet, dass bei einer Freigabe des Elternwillens „insbesondere Akademikereltern ihre Kinder auf das Gymnasium schicken, auch wenn diese vielleicht an einer anderen Schulart besser aufgehoben wären. Umgekehrt scheuen Eltern aus bildungsfernen Familien das vermeintlich zu schwere Gymnasium.“

    Die Lehrer selbst hingegen argumentieren oft, dass es vor allem die Eltern sind, die ihre Kinder unter Druck setzen. Natalie Tews widerspricht: „Natürlich gibt es solche Eltern. Aber ich habe meinem Sohn nie gesagt, dass er aufs Gymnasium muss. Das wollte er selbst, hat gesagt, dass man dann alle Berufe wählen kann.“ Das ständige Lernenmüssen für Proben verursache ganz automatisch Leistungsdruck. Damit sich das ändert, hofft sie, „dass noch ein paar tausend Eltern die Petition unterschreiben. Ich finde, das ist jetzt einfach mal nötig.“

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