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Schule: Der Schwimmunterricht fällt oft ins Wasser

Schule

Der Schwimmunterricht fällt oft ins Wasser

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    Schwimmen zählt bei Kindern und Jugendlichen heute zu den beliebtesten Sportarten. Das könnte in Zukunft anders aussehen: Denn viele Schulen in Bayern wissen nicht, wo sie ihren Schülern das Schwimmen beibringen sollen. Seit 1996 wurden im Freistaat 150 Bäder geschlossen, schätzt der Bayerische Städtetag.
    Schwimmen zählt bei Kindern und Jugendlichen heute zu den beliebtesten Sportarten. Das könnte in Zukunft anders aussehen: Denn viele Schulen in Bayern wissen nicht, wo sie ihren Schülern das Schwimmen beibringen sollen. Seit 1996 wurden im Freistaat 150 Bäder geschlossen, schätzt der Bayerische Städtetag. Foto: Emily Wabitsch (dpa)

    Alyena schafft zwölf Sekunden, Arda fünf. Die beiden Drittklässler testen gerade, wer wie lange unter Wasser bleiben kann. Sie haben das ganze Becken im Friedberger Hallenbad für sich. Nur Lehrerin Nicola Wintzer steht mit im Wasser und beobachtet die Szene. „Das wird ja immer besser“, kommentiert sie. Schon bald, sagt Wintzer, könne zumindest Alyena bei den anderen mitmachen. Die anderen, das sind die 15 Kinder der dritten Klasse an der Friedberger Theresia-Gerhardinger-Grundschule, die schwimmen können. Sie üben im großen Becken nebenan gerade Brustschwimmen – ohne Alyena und Arda. „Ein paar Nichtschwimmer gibt es immer“, sagt die Lehrerin.

    Jeder zweite Zehnjährige kann nicht sicher schwimmen

    Das Ergebnis einer Forsa-Studie zeigt: In Deutschland kann jeder zweite Zehnjährige nicht sicher schwimmen. Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) findet die Zahl alarmierend. „Auch wir beobachten diese dramatische Entwicklung. Und der Trend wird sich fortsetzen“, sagt Michael Förster vom Bayerischen Landesverband. „Heutzutage wird zu wenig erkannt, dass Schwimmen eine überlebensnotwendige Fähigkeit ist“, kritisiert er. Ertrinken dauere nur wenige Minuten.

    Die Zahl der Ertrunkenen steigt

    Dass immer mehr Menschen im Wasser ums Leben kommen, zeigen diese aktuellen Zahlen: Allein in Bayern ertranken bis Mitte August 73 Menschen. Im Vergleichszeitraum 2012 lag die Zahl noch bei 50. Bundesweit sind 361 Menschen in Seen, Flüssen oder Schwimmbädern gestorben und damit 93 mehr als im Vorjahr. Unter den Opfern sind 32 Jungen und Mädchen im Alter bis 15 Jahren – und damit mehr als doppelt so viele wie im Jahr zuvor.

    Viele Eltern, sagt DLRG-Mitglied Förster, verlassen sich heutzutage zu sehr darauf, dass ihre Kinder in der Schule schwimmen lernen. Manche, meist die sozial Schwächeren, seien „einfach nicht interessiert“. Das beobachtet auch Grundschullehrerin Wintzer: „Gerade bei Kindern aus Migrantenfamilien ist das ein Problem. Viele dieser Eltern gehen mit ihren Kindern selten oder nie zum Schwimmen.“

    Lehrplan schreibt Schwimmen vor

    Fakt ist: Das bayerische Kultusministerium schreibt in den Lehrplänen regelmäßigen Schwimmunterricht vor. „Er ist fester Bestandteil des Basissportunterrichts“, sagt Sprecher Ludwig Unger. Und dazu zähle auch „ein umfassendes Verständnis von Wassersicherheit“. Was das bedeutet, weiß die achtjährige Helena aus der dritten Klasse der Friedberger Grundschule genau: „Wir dürfen niemanden untertauchen und rennen ist auch verboten.“

    Alle zwei Wochen hat die Klasse Schwimmunterricht, das ganze Schuljahr über. Und „das macht voll Spaß“, findet zumindest Helena.

    Unterstützt werden die Lehrer beim Unterricht von zwei Übungsleitern des TSV Friedberg: eine davon ist Angela Reichert. Sie wartet heute bereits im Badeanzug auf die Klasse. Während die Kinder nach und nach aus der Dusche kommen, sagt sie: „Das sind traumhafte Bedingungen“ und meint damit die wenigen anderen Badegäste. Nur sechs Badegäste ziehen an diesem Vormittag nebenan ihre Bahnen. „Das ist zwar nicht immer so, aber andere Schulen haben unter ganz anderen Bedingungen Schwimmunterricht.“

    Immer mehr Bäder schließen

    Wenn sie überhaupt welchen haben. Denn: Trotz der Vorgabe des Kultusministeriums findet an vielen Schulen in Bayern kein regelmäßiger Schwimmunterricht statt – weil die Bäder fehlen. 150 Schwimmbäder wurden seit 1996 geschlossen, schätzt der Bayerische Städtetag. Offizielle Zahlen gibt es nicht. Vielen Kommunen fehlen die finanziellen Mittel für Sanierungen oder Reparaturen. Hinzu kommt, dass klassische Bäder vielerorts durch Erlebnisbäder mit Rutschen oder Wellenbecken ersetzt werden. „Das zieht zwar die Badegäste an, Schwimmunterricht ist dort aber nicht möglich“, sagt Förster von der DLRG.

    Enormer zeitlicher Aufwand wegen fehlender Bäder

    Alltag für viele Schulen in Bayern ist es deshalb auch, die Schüler für den Schwimmunterricht in die benachbarte Gemeinde zu fahren. An den Leonhard-Wagner-Schulen in Schwabmünchen (Kreis Augsburg) werden mehr als 130 Klassen unterrichtet, ein Schwimmbecken aber gibt es nicht. Die Schüler werden deswegen mit dem Bus ins rund 15 Kilometer entfernte Bobingen gebracht. „Das bedeutet einen enormen zeitlichen Aufwand für uns“, sagt Rektorin Monika Zintel. Hinfahren, umziehen, Haare föhnen, zurückfahren – „da bleiben von den eineinhalb Stunden Unterricht 25 Minuten im Wasser.“ In Zukunft aber könnte sich zumindest für die Schwabmünchner Schüler die Situation verbessern. Stadt und Landkreis prüfen aktuell Pläne für ein eigenes Lehrschwimmbecken.

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