Darf ich meine Freundin küssen? Ist ein Piercing „halal“, islamisch korrekt? Das fragen die muslimischen Schüler von Amin Rochdi lieber ihn als den Imam ihrer Moschee. „Alterstypische Probleme“, erklärt der Nürnberger Realschullehrer für Deutsch, Geschichte und Islamische Religion. „Es ist wichtig, dass es neben Moschee und Familie wie für christliche Kinder auch einen weiteren Raum gibt, in dem sich diese Alltagsfragen diskutieren lassen.“
Sein Religionsunterricht ist Teil des Modellversuchs „Islamischer Unterricht in deutscher Sprache“ (Isu), der nach fünf Jahren zum Sommer hin ausläuft. Der bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband fordert in einer Petition an die Staatsregierung, den Modellversuch, an dem inzwischen 260 Schulen teilnehmen, um weitere fünf Jahre zu verlängern.
Islamunterricht ist nie über das Versuchsstadium hinaus gekommen
Bereits vor 40 Jahren drückten die ersten Kinder muslimischer Einwanderer bayerische Schulbänke. Trotzdem ist der Islamunterricht – in dessen Organisation und Inhalte der Staat sich laut Grundgesetz nicht einmischen darf – nie über ein Versuchsstadium hinausgekommen.
Das Konzept des Modells stammt aus der Universitätsstadt Erlangen. Hier konnte eine unabhängige Initiative aus Eltern und Uni Ende der 1990er Jahre den Unterricht ungestört von muslimischen Dachverbänden auf die Agenda setzen. Mit Erfolg. Das bayerische Kultusministerium zeigte Interesse an den Pionieren, und 2003 standen Inhalte und Form des „Erlanger Modells“ für Grund- und Hauptschulen fest.
11.000 muslimische Schüler besuchen den Islamunterricht
Unter ministerieller Aufsicht wurde es auf ganz Bayern ausgedehnt. Heute besuchen 11.000 der insgesamt 105.000 muslimischen Schüler im Freistaat an 254 Grund- und Mittelschulen sowie an vier Realschulen, einer Wirtschaftsschule und zwei Gymnasien den islamischen Religionsunterricht.
Erlangen kümmerte sich auch um qualifiziertes Personal: Das Interdisziplinäre Zentrum für Islamische Religionslehre (Izir) an der Universität Erlangen-Nürnberg bildet seit 2003 in einem Zertifikatsstudium einen Teil der nötigen Islamlehrer aus. Jährlich machen hier zwölf Lehrer einen Abschluss. Auch „Saphir“, das offizielle Lehrbuch, stammt aus der Erlanger Schmiede. Jüngster Erfolg der Franken ist die Aufwertung des Islamunterrichts als reguläres Erweiterungsfach in der Lehramtsprüfungsordnung.
Ergebnisse im Frühjahr
Das Kultusministerium lässt den Modellversuch wissenschaftlich bewerten und erwartet erste Ergebnisse im Frühjahr. „Wir gehen davon aus, dass der Versuch grundsätzlich der richtige Weg ist und Islam auch nach dem Sommer weiter, möglicherweise sogar an mehr Schulen, unterrichtet werden kann“, bekräftigt Ministeriumssprecher Ludwig Unger gegenüber unserer Zeitung. Was jetzt schon diskutiert wird: Lehrpläne müssten dann überarbeitet und die Islamlehrerausbildung müsste auf breitere Beine gestellt werden.