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Schreiber-Prozess: Staatsanwalt wirft Verteidigern Prozessverschleppung vor

Schreiber-Prozess

Staatsanwalt wirft Verteidigern Prozessverschleppung vor

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    Karlheinz Schreiber steht erneut wegen  Steuerhinterziehung vor Gericht. Doch der Prozess kommt nicht richtig ins Laufen. Schreibers Anwälte stellten bereits den zweiten Befangenheitsantrag.
    Karlheinz Schreiber steht erneut wegen Steuerhinterziehung vor Gericht. Doch der Prozess kommt nicht richtig ins Laufen. Schreibers Anwälte stellten bereits den zweiten Befangenheitsantrag. Foto: Fred Schöllhorn

    Normalerweise beginnt ein Strafprozess mit dem Verlesen der Anklageschrift. Aber was ist schon normal am Prozess gegen Karlheinz Schreiber, den Mann, der einst die deutsche Politik in Atem hielt, weil er die CDU-Spendenaffäre auslöste? Den Mann, der die Augsburger Justiz seit 15 Jahren beschäftigt.

    In der Neuauflage des Verfahrens wegen Steuerhinterziehung will es der frühere Waffenlobbyist aus Kaufering (Landkreis Landsberg) offensichtlich noch mal wissen. Schreiber spielt „alles oder nichts“. Seine Anwälte attackieren das Gericht frontal. So kommt es, dass auch am dritten Verhandlungstag weder Schreibers Personalien aufgenommen wurden noch die Anklage vorgetragen werden konnte.

    Der Ton wird schärfer

    Der Ton wird deutlich schärfer. Die Verteidiger Jens Bosbach, Frank Eckstein und Jan Olaf Leisner griffen gestern wieder die 10. Strafkammer scharf an. Sie stellten bereits den zweiten Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichterinnen. Die Richterinnen hätten die „Grundsätze der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens verletzt“. Sie hätten wichtige Informationen nicht weitergegeben.

    Gemeint ist die Tatsache, dass gegen einen der Zeugen, einen früheren Thyssen-Manager, ein Strafverfahren in Augsburg unter anderem wegen uneidlicher Falschaussage läuft. Eine der Schreiber-Richterinnen sitzt auch in der Strafkammer, bei der das Verfahren gegen den Ex-Manager läuft.

    Staatsanwalt Marcus Paintinger warf den Verteidigern daraufhin „Prozessverschleppung“ vor: „Mich wundert es schon sehr, mit welchen Mitteln da nach irgendwelchen Ablehnungsgründen gesucht wird.“ Über den Antrag soll heute entschieden werden. Mit einem ersten Befangenheitsantrag waren die Anwälte gescheitert. Aus ihrer Sicht hatten die Richterinnen von Anfang an durchblicken lassen, Karlheinz Schreiber (78) zu einer hohen Haftstrafe verurteilen zu wollen.

    Das Verfahren wird zu einem Stellungskrieg

    Der Fall Schreiber: eine Chronologie

    Karlheinz Schreiber, eine Hauptfigur im CDU-Spendenskandal, beschäftigt seit 15 Jahren die Justiz. Eine Chronologie des Falles.

    Oktober 1995: Nach der Durchsuchung seines Hauses in Kaufering bei Landsberg setzt sich Schreiber nach Pontresina in der Schweiz ab.

    September 1997: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erlässt Haftbefehl wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung.

    März 1999: Schreiber flüchtet mit seinem kanadischen Pass nach Ottawa.

    August 1999: Schreiber wird in Toronto gefasst. Die deutsche Justiz beantragt seine Auslieferung. Gegen eine Kaution von 1,2 Millionen kanadischen Dollar (740 000 Euro) kommt er im September wieder auf freien Fuß.

    März 2000: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Schreiber wegen Bestechung, Beihilfe zur Untreue, gemeinschaftlichen Betrugs und Steuerhinterziehung. Er soll dem Fiskus rund zehn Millionen Euro vorenthalten haben.

    Januar 2001: Schreiber weigert sich, ohne die Zusicherung eines freien Geleits zum Prozess nach Augsburg zu kommen. Das Landgericht Augsburg trennt sein Verfahren deshalb von anderen ab.

    Mai 2004: Das höchste Gericht der Provinz Ontario ordnet Schreibers Ausweisung an, er geht in Berufung.

    Juni 2004: Schreiber wird nach kurzer Auslieferungshaft erneut gegen die schon 1999 hinterlegte Millionenkaution freigelassen.

    Juli 2005: Der deutsche Bundesrat beschließt eine Verschärfung der Verjährungsregeln («Lex Schreiber»). Danach ruht die Verjährung von Straftaten, solange sich der Beschuldigte im Ausland aufhält und die deutschen Behörden seine Auslieferung betreiben.

    Februar 2007: Das oberste kanadische Gericht weist Schreibers Einspruch gegen seine Überstellung nach Deutschland ab.

    Juni 2007: Schreiber verklagt Kanada vor einem Bundesgericht in Halifax (Provinz Neuschottland) wegen angeblicher «Rechtsbrüche» auf Schadenersatz von 35 Millionen Dollar. Der Richter weist die Klage ab.

    November 2007: Das Berufungsgericht von Ontario gibt grünes Licht für Schreibers Auslieferung. Schreiber beantragt ein Berufungsverfahren - sein dritter Gang zum Supreme Court. Das Berufungsgericht von Ontario setzt die Auslieferung bis zum Votum des Obersten Gerichtshofs aus.

    Dezember 2007: Schreiber, seit 4. Oktober in Abschiebehaft, wird gegen die inzwischen auf 1,31 Millionen kanadische Dollar erhöhte Kaution vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt.

    August 2008: Das Berufungsgericht von Ontario verwirft den vierten Antrag Schreibers gegen seine Auslieferung.

    August 2009: Nach einer letzten Niederlage vor Gericht wird Schreiber nach Deutschland geflogen.

    18. Januar 2010: Vor dem Landgericht Augsburg beginnt das Verfahren gegen Schreiber. Den Vorwurf der Bestechung hat das Gericht wegen Verjährung allerdings aus dem Haftbefehl genommen.

    Mai 2010: Karlheinz Schreiber wird wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das ist eine der höchsten Strafen, die je in Deutschland für dieses Delikt ausgesprochen wurden.

    September 2011: Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt das Schreiber-Urteil des Augsburger Landgerichts in Teilen auf. Der Fall muss neu verhandelt werden.

    Mai 2012: Schreiber wird aus der Haft entlassen. Grund dafür ist sein Gesundheitszustand. Anfang März erlitt der 78-Jährige in U-Haft einen Herzinfarkt.

    September 2012: In Augsburg beginnt der Revisionsprozess gegen Schreiber.

    Oktober 2013: Die Staatsanwaltschaft plädiert für zehn Jahre Haft.

    November 2013: Schreiber wird zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

    Zusätzlicher Streit zwischen Gericht und Verteidigung entzündet sich an weiteren Terminen für die Verhandlung. Die 10. Strafkammer wollte, dass Fortsetzungstermine bis kurz vor Weihnachten freigehalten werden. Die Anwälte teilten dem Gericht mit, welche Daten möglich seien und welche nicht.

    Daraufhin forderte die Strafkammer nach Darstellung der Verteidigung Rechtsanwalt Leisner auf, für die vorsorglich erklärten Urlaubszeiten „Buchungsbestätigungen“ vorzulegen. Schreibers Verteidiger schließen daraus, dass das Gericht beabsichtigt, den Prozess auch dann weiterzuführen, wenn nicht alle Anwälte kommen können. Die Atmosphäre verbessert all das nicht. Das Verfahren wird zu einem echten juristischen Stellungskrieg – mit offenem Ausgang für den Ex-Lobbyisten.

    2010 zu ahct Jahren wegen Steuerhinterziehung verurteilt

    Karlheinz Schreiber war im Mai 2010 von einer anderen Kammer des Landgerichts Augsburg zu acht Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil jedoch auf und verwies den Fall zur Neuverhandlung zurück nach Augsburg.

    In dem neuen Verfahren wird geprüft, ob Schreiber zur Tatzeit in Deutschland oder Kanada Steuern zahlen musste. Zudem geht es darum, ob der Vorwurf der Bestechung des Ex-Staatssekretärs Ludwig-Holger Pfahls verjährt ist.

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