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Schreiber-Prozess: Staatsanwalt über Schreiber: „Raffgier, die ihresgleichen sucht“

Schreiber-Prozess

Staatsanwalt über Schreiber: „Raffgier, die ihresgleichen sucht“

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    Karlheinz Schreiber soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft für zehn Jahre ins Gefängnis. Archivbild
    Karlheinz Schreiber soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft für zehn Jahre ins Gefängnis. Archivbild Foto: Fred Schöllhorn

    In Karlheinz Schreiber brodelt es. Es ist kurz nach 15 Uhr am Donnerstagnachmittag. Eben hat die Augsburger Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer beendet und eine hohe Gefängnisstrafe von zehn Jahren und drei Monaten für den früheren Lobbyisten gefordert. Im Café gegenüber dem Strafjustizzentrum kann sich der 79-Jährige nicht mehr zurückhalten. Doch seine Verteidiger verbieten ihm, den Satz zu sagen: „Ich habe nicht erwartet, dass ich hier in Augsburg besonders gut wegkomme, aber ich bin erstaunt, wie ungeniert jemand so viel Unsinn verbreiten kann.“

    Karlheinz Schreiber auf Konfrontationskurs

    Der Fall Schreiber: eine Chronologie

    Karlheinz Schreiber, eine Hauptfigur im CDU-Spendenskandal, beschäftigt seit 15 Jahren die Justiz. Eine Chronologie des Falles.

    Oktober 1995: Nach der Durchsuchung seines Hauses in Kaufering bei Landsberg setzt sich Schreiber nach Pontresina in der Schweiz ab.

    September 1997: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erlässt Haftbefehl wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung.

    März 1999: Schreiber flüchtet mit seinem kanadischen Pass nach Ottawa.

    August 1999: Schreiber wird in Toronto gefasst. Die deutsche Justiz beantragt seine Auslieferung. Gegen eine Kaution von 1,2 Millionen kanadischen Dollar (740 000 Euro) kommt er im September wieder auf freien Fuß.

    März 2000: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Schreiber wegen Bestechung, Beihilfe zur Untreue, gemeinschaftlichen Betrugs und Steuerhinterziehung. Er soll dem Fiskus rund zehn Millionen Euro vorenthalten haben.

    Januar 2001: Schreiber weigert sich, ohne die Zusicherung eines freien Geleits zum Prozess nach Augsburg zu kommen. Das Landgericht Augsburg trennt sein Verfahren deshalb von anderen ab.

    Mai 2004: Das höchste Gericht der Provinz Ontario ordnet Schreibers Ausweisung an, er geht in Berufung.

    Juni 2004: Schreiber wird nach kurzer Auslieferungshaft erneut gegen die schon 1999 hinterlegte Millionenkaution freigelassen.

    Juli 2005: Der deutsche Bundesrat beschließt eine Verschärfung der Verjährungsregeln («Lex Schreiber»). Danach ruht die Verjährung von Straftaten, solange sich der Beschuldigte im Ausland aufhält und die deutschen Behörden seine Auslieferung betreiben.

    Februar 2007: Das oberste kanadische Gericht weist Schreibers Einspruch gegen seine Überstellung nach Deutschland ab.

    Juni 2007: Schreiber verklagt Kanada vor einem Bundesgericht in Halifax (Provinz Neuschottland) wegen angeblicher «Rechtsbrüche» auf Schadenersatz von 35 Millionen Dollar. Der Richter weist die Klage ab.

    November 2007: Das Berufungsgericht von Ontario gibt grünes Licht für Schreibers Auslieferung. Schreiber beantragt ein Berufungsverfahren - sein dritter Gang zum Supreme Court. Das Berufungsgericht von Ontario setzt die Auslieferung bis zum Votum des Obersten Gerichtshofs aus.

    Dezember 2007: Schreiber, seit 4. Oktober in Abschiebehaft, wird gegen die inzwischen auf 1,31 Millionen kanadische Dollar erhöhte Kaution vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt.

    August 2008: Das Berufungsgericht von Ontario verwirft den vierten Antrag Schreibers gegen seine Auslieferung.

    August 2009: Nach einer letzten Niederlage vor Gericht wird Schreiber nach Deutschland geflogen.

    18. Januar 2010: Vor dem Landgericht Augsburg beginnt das Verfahren gegen Schreiber. Den Vorwurf der Bestechung hat das Gericht wegen Verjährung allerdings aus dem Haftbefehl genommen.

    Mai 2010: Karlheinz Schreiber wird wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das ist eine der höchsten Strafen, die je in Deutschland für dieses Delikt ausgesprochen wurden.

    September 2011: Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt das Schreiber-Urteil des Augsburger Landgerichts in Teilen auf. Der Fall muss neu verhandelt werden.

    Mai 2012: Schreiber wird aus der Haft entlassen. Grund dafür ist sein Gesundheitszustand. Anfang März erlitt der 78-Jährige in U-Haft einen Herzinfarkt.

    September 2012: In Augsburg beginnt der Revisionsprozess gegen Schreiber.

    Oktober 2013: Die Staatsanwaltschaft plädiert für zehn Jahre Haft.

    November 2013: Schreiber wird zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

    Schreiber, 79, geht weiter voll auf Konfrontationskurs. Er macht keinen Hehl daraus, dass er gegen einen Schuldspruch sicher wieder Revision beim Bundesgerichtshof einlegen wird. Acht Jahre Haft wegen Steuerhinterziehung lautete das Urteil im ersten Augsburger Prozess. Dass die Staatsanwaltschaft jetzt eine höhere Strafe fordert, liegt daran, dass sie Schreiber auch wegen Bestechung des früheren Staatssekretärs im Verteidigungsministerium Ludwig-Holger Pfahls verurteilt sehen will.

    Die Anklagevertreter Marcus Paintinger und Thomas Schuster sehen es als erwiesen an, dass Schreiber Pfahls geschmiert hat, damit der das Fuchs-Spürpanzer-Geschäft mit Saudi-Arabien vorantreibt.

    Staatsanwaltschaft sieht Bestechungsvorwurf als nicht verjährt

    Nach Ansicht der Staatsanwälte ist der Bestechungsvorwurf nicht verjährt. Dieser Punkt ist juristisch höchst umstritten. Die 9. Strafkammer des Landgerichts Augsburg hat im ersten Urteil eine Verjährung angenommen. Und auch die Kolleginnen der 10. Strafkammer erklärten kürzlich, dass sie diese Ansicht teilen. Eine Verurteilung Schreibers wegen Bestechung wird es also aller Voraussicht nach nicht geben.

    Eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ist dagegen sehr wahrscheinlich. Nach neuen Berechnungen soll Schreiber in den Jahren 1988 bis 1993 fast 20 Millionen Mark an Steuern hinterzogen haben. „Er hat eine Maßlosigkeit und Raffgier an den Tag gelegt, die ihresgleichen sucht“, sagt Staatsanwalt Marcus Paintinger im Plädoyer.

    Für die Staatsanwaltschaft gibt es keine Zweifel, dass Schreiber in diesem Zeitraum in Deutschland steuerpflichtig war. Die Verteidiger bestreiten dies: Der Lobbyist habe damals seinen Lebensmittelpunkt bereits in Kanada gehabt. Dort habe auch der Großteil seiner geschäftlichen Aktivitäten gelegen. Schreibers Anwälte sollen am 5. November mit ihren Plädoyers beginnen.

    Statt Hausarrest soll es wieder Gefängnis sein

    Ein weiterer Antrag der Staatsanwälte dürfte Schreiber besonders ärgern: Sie wollen, dass mit einer Verurteilung der Haftbefehl wieder in Kraft tritt. Der war im Mai 2012 außer Vollzug gesetzt worden, nachdem Schreiber einen Herzinfarkt erlitten hatte. Seither steht der 79-Jährige unter Hausarrest, ist aber wenigstens auf freiem Fuß und darf seit kurzem sogar seine geliebten Waldspaziergänge machen.

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