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Schreiber-Prozess: Aus der Welt von vorgestern

Schreiber-Prozess

Aus der Welt von vorgestern

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    Trotz Verurteilung muss Karlheinz Schreiber (hier mit mit seinem Anwalt Jens Bosbach) wohl nie mehr ins Gefängnis.
    Trotz Verurteilung muss Karlheinz Schreiber (hier mit mit seinem Anwalt Jens Bosbach) wohl nie mehr ins Gefängnis. Foto: Marc Müller, dpa

    Karlheinz Schreiber hat seine ganz eigene Logik. Nach eigener Aussage habe er mit Geschäften in den 80er und 90er Jahren nur das Beste für Deutschland gewollt. Alles sei von höchsten Stellen abgesegnet gewesen. Schreiber sieht sich als politisches Bauernopfer.

    Diese Sicht der Dinge verharrt aber in einer Welt, als Schmiergelder noch unter der Bezeichnung „nützliche Aufwendungen“ von der Steuer abgesetzt wurden und Franz Josef Strauß Bayern regierte. Seitdem hat sich die Welt verändert, Schmiergeld ist geächtet und Steuerhinterzieher werden hart bestraft.

    Haft für Schreiber, Bewährung für Hoeneß?

    Und doch hat Schreiber zumindest teilweise recht mit seinen Argumenten. So ist es schwer vorstellbar, dass politisch Verantwortliche seinerzeit nicht gewusst haben sollen, dass beim Panzergeschäft mit Saudi-Arabien Anfang der 90er Jahre mehr als 200 Millionen Mark Bestechungsgelder gezahlt wurden.

    Der Fall Schreiber: eine Chronologie

    Karlheinz Schreiber, eine Hauptfigur im CDU-Spendenskandal, beschäftigt seit 15 Jahren die Justiz. Eine Chronologie des Falles.

    Oktober 1995: Nach der Durchsuchung seines Hauses in Kaufering bei Landsberg setzt sich Schreiber nach Pontresina in der Schweiz ab.

    September 1997: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erlässt Haftbefehl wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung.

    März 1999: Schreiber flüchtet mit seinem kanadischen Pass nach Ottawa.

    August 1999: Schreiber wird in Toronto gefasst. Die deutsche Justiz beantragt seine Auslieferung. Gegen eine Kaution von 1,2 Millionen kanadischen Dollar (740 000 Euro) kommt er im September wieder auf freien Fuß.

    März 2000: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Schreiber wegen Bestechung, Beihilfe zur Untreue, gemeinschaftlichen Betrugs und Steuerhinterziehung. Er soll dem Fiskus rund zehn Millionen Euro vorenthalten haben.

    Januar 2001: Schreiber weigert sich, ohne die Zusicherung eines freien Geleits zum Prozess nach Augsburg zu kommen. Das Landgericht Augsburg trennt sein Verfahren deshalb von anderen ab.

    Mai 2004: Das höchste Gericht der Provinz Ontario ordnet Schreibers Ausweisung an, er geht in Berufung.

    Juni 2004: Schreiber wird nach kurzer Auslieferungshaft erneut gegen die schon 1999 hinterlegte Millionenkaution freigelassen.

    Juli 2005: Der deutsche Bundesrat beschließt eine Verschärfung der Verjährungsregeln («Lex Schreiber»). Danach ruht die Verjährung von Straftaten, solange sich der Beschuldigte im Ausland aufhält und die deutschen Behörden seine Auslieferung betreiben.

    Februar 2007: Das oberste kanadische Gericht weist Schreibers Einspruch gegen seine Überstellung nach Deutschland ab.

    Juni 2007: Schreiber verklagt Kanada vor einem Bundesgericht in Halifax (Provinz Neuschottland) wegen angeblicher «Rechtsbrüche» auf Schadenersatz von 35 Millionen Dollar. Der Richter weist die Klage ab.

    November 2007: Das Berufungsgericht von Ontario gibt grünes Licht für Schreibers Auslieferung. Schreiber beantragt ein Berufungsverfahren - sein dritter Gang zum Supreme Court. Das Berufungsgericht von Ontario setzt die Auslieferung bis zum Votum des Obersten Gerichtshofs aus.

    Dezember 2007: Schreiber, seit 4. Oktober in Abschiebehaft, wird gegen die inzwischen auf 1,31 Millionen kanadische Dollar erhöhte Kaution vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt.

    August 2008: Das Berufungsgericht von Ontario verwirft den vierten Antrag Schreibers gegen seine Auslieferung.

    August 2009: Nach einer letzten Niederlage vor Gericht wird Schreiber nach Deutschland geflogen.

    18. Januar 2010: Vor dem Landgericht Augsburg beginnt das Verfahren gegen Schreiber. Den Vorwurf der Bestechung hat das Gericht wegen Verjährung allerdings aus dem Haftbefehl genommen.

    Mai 2010: Karlheinz Schreiber wird wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das ist eine der höchsten Strafen, die je in Deutschland für dieses Delikt ausgesprochen wurden.

    September 2011: Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt das Schreiber-Urteil des Augsburger Landgerichts in Teilen auf. Der Fall muss neu verhandelt werden.

    Mai 2012: Schreiber wird aus der Haft entlassen. Grund dafür ist sein Gesundheitszustand. Anfang März erlitt der 78-Jährige in U-Haft einen Herzinfarkt.

    September 2012: In Augsburg beginnt der Revisionsprozess gegen Schreiber.

    Oktober 2013: Die Staatsanwaltschaft plädiert für zehn Jahre Haft.

    November 2013: Schreiber wird zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

    Auch die Dauer und die Intensität, mit der das Strafverfahren gegen ihn geführt wird, ist ungewöhnlich. Während er für 20 Jahre zurückliegende Taten für sechseinhalb Jahre in Haft soll, wird bei FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß über eine Bewährungsstrafe spekuliert. Ein wenig seltsam ist das.

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