Oft sind es die kleinen Dinge, die auf größere Unterschiede der politischen Praxis hinweisen. Bei der Brüssel-Reise des SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Bayern, Christian Ude, ist es unter anderem das gedruckte Programm. Während zum Beispiel die Staatskanzlei bei Delegationsreisen stets kleine gebundene Heftchen mit allen Programmpunkten, Adressen und Teilnehmern verteilt, begnügt sich Ude mit einem Blatt Papier. Dieses Papier aber hat es in sich.
Ude benennt Themen konkret
Anders als Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) dies für gewöhnlich macht, ließ sein Herausforderer im Detail festhalten, worüber er mit den Herren der mächtigen EU-Kommission in Brüssel zu sprechen beabsichtigt. „Ich kenne das von meinen vielen Treffen mit Generalkonsulen“, sagt Ude, „wenn sie da die Themen nicht konkret benennen, ist hinterher nur von einer erfreulichen Vertiefung der gegenseitigen Beziehungen die Rede.“ Das ist ihm, wie er sagt, nicht genug. Der SPD-Kandidat demonstriert den mitreisenden Journalisten, dass er es genauer wissen will.
Ganz oben auf Udes Aufgabenliste steht noch einmal der Verkauf der Landesbankanteile an der Wohnungsgesellschaft GBW. Wenn die Mieter der bayernweit 32000 Wohnungen, die jetzt mehrheitlich dem Augsburger Immobilienunternehmen Patrizia gehören, irgendwann in Zukunft Probleme bekommen sollten, dann hat nach Ansicht Udes daran vor allem einer Schuld: Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU). Das will sich Ude hier noch einmal bestätigen lassen.
Söders Begründung sei unwahr
Söder hatte von Anfang an eine Übernahme der Wohnungen durch den Freistaat abgelehnt mit der Begründung, dass das Beihilferecht der EU dies nicht zulasse. Nach dem Gespräch mit EU-Wettberwerbskommissar Joaquin Almunia geht Ude noch schärfer auf Söder los und erinnert in einem Nachsatz gleich noch daran, dass auch Seehofer erst kürzlich den Charakter seines Finanzministers in Zweifel gezogen hatte: „Es war eine objektiv nachweisbare, regierungsamtlich durch den Kommissar bestätigte Unwahrheit, weshalb ich manchem persönlichen Urteil des Ministerpräsidenten die Person betreffend auch nicht widersprechen kann.“
Während Udes zweitägiger Brüssel-Reise sollte dies die einzige Frontalattacke auf den politischen Gegner bleiben. In vielen anderen Themen sieht sich der Sozialdemokrat, Münchner Oberbürgermeister und deutsche Städtetagspräsident auf einer Linie mit der CSU – etwa bei der Abwehr von Privatisierungen in der Trinkwasserversorgung, beim Schutz der Sparkassen vor einer zu starken Reglementierung durch die EU oder bei dem Bemühen, das Fördergefälle zu mildern. Letzteres, so Ude, sei an der bayerisch-tschechischen Grenze ein Problem, wo tschechische Höchstfördergebiete an bayerische Landkreise grenzen, die keinen Pfennig aus Brüssel bekommen.
Hochrangige Gesprächspartner
Über hochrangige Gesprächspartner kann sich Ude in Brüssel nicht beklagen. Bei der Kommission trifft er innerhalb eines Tages neben Almunia auch Regionalkommissar Johannes Hahn und Martin Häusler, den Kabinettschef von Agrarkommissar Dacian Ciolos und seinen SPD-Genossen Martin Schulz, den Präsidenten des Europäischen Parlaments. Recht viel mehr könnte auch ein amtierender Ministerpräsident nicht erwarten.
Dennoch lassen sich noch andere Unterschiede zu offiziellen Staatsbesuchen beobachten. Ude ist ohne Dienstwagen unterwegs, er nutzt Taxis oder geht zu Fuß. „Wir sind hier als Vertreter der Bürgergesellschaft. Wir gehören nicht zur Münchner Blaulichttruppe.“ Und in der Bayerischen Vertretung widersteht er der Versuchung, sich im Dienstzimmer des Ministerpräsidenten in Gegenwart von Fotografen probeweise an den Schreibtisch zu setzen. So etwas mache er nicht.