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Die Angst der Dörfer vor den Metropolen
Lange Zeit war das Ziel unumstritten: In Stadt und Land sollten gleichwertige Lebensverhältnisse herrschen. Die Wirtschaft stellt die ländliche Entwicklung infrage und fordert mehr Geld für die Städte in Bayern.
Von Manuela Mayr
München. Lange Zeit war das Ziel unumstritten: In Stadt und Land sollten gleichwertige Lebensverhältnisse herrschen. Als entwicklungsbedürftig galt vor allem der ländliche Raum, der mithilfe vielfältiger Fördermaßnahmen wie etwa dem Dorferneuerungsprogramm in Bayern aufholen sollte.
Verschiedene Studien - darunter eine im Auftrag der bayerischen Wirtschaft - stellen diese Bemühungen neuerdings infrage. Die Stärkung der sogenannten Metropolregionen wird stattdessen gefordert. Das ländliche "Lager" ist alarmiert, was sich auch bei den 10. Münchner Tagen der Bodenordnung und Landentwicklung an der Technischen Universität München zeigte: "Ländliche Räume - Stiefkinder in einer Republik der Stadtregionen?" war das Thema, das im Kreis von 180 Teilnehmern aus ganz Deutschland, Tschechien, Österreich, Slowenien, Kroatien und der Schweiz diskutiert wurde.
Erste Anzeichen, dass der Vorstoß der Wirtschaft Wirkung zeigt, hat Tagungsleiter Professor Holger Magel am Abend der Kommunalwahl ausgemacht: Wahlniederlagen in bayerischen Großstädten seien darauf zurückzuführen, dass "das Gesamterscheinungsbild einer sehr auf den ländlichen Raum ausgerichteten Partei nicht so attraktiv" sei, zitierte er einen CSU-Politiker.
Aber auch an seiner eigenen Hochschule bläst dem einstigen "Vater" der bayerischen Dorferneuerung Gegenwind ins Gesicht. "Die urbanen Räume bestimmen die Zukunft des Landes", lautet die These von Alain Thierstein, Ordinarius des TU-Lehrstuhls für Raumentwicklung. München ist für den aus der Schweiz stammenden Professor in Bayern die "Drehscheibe in die Welt", die global wettbewerbsfähig sein müsse. Dort sieht er die "knappen öffentlichen Mittel" strategisch sinnvoll eingesetzt. Zur Metropolregion München zählt der Forscher neben Ingolstadt und Augsburg auch Kaufbeuren, Garmisch-Partenkirchen, Rosenheim, Freising mit dem "extrem wichtigen" Flughafen, Landshut und Regensburg. Wichtigste Ausstattung für die "peripheren Räume" der Metropolregion seien leistungsfähige Kommunikationstechnologien.
Zumindest in diesem Punkt stimmte Wolfgang Reimer, der für Strukturpolitik beim Bundeslandwirtschaftsministerium verantwortlich ist, mit Thierstein überein. Reimer hatte sich dafür stark gemacht, dass auch der Zugang zum schnellen Internet in der ländlichen Entwicklung gefördert wird. Die Umsetzung läuft gerade an.
Völlig anderer Meinung als Thierstein ist er allerdings, was die geforderte Sonderstellung der Metropolen angeht. Es gebe keinen Beleg dafür, dass "mehr rauskommt", wenn man die Mittel dort konzentriere. Die vielfältigen Strukturen in Deutschland hält Reimer für besser. Ein Beispiel dafür, dass sie höchst erfolgreich sein können, sei Baden-Württemberg: Das Land habe eine "vorzügliche Hochschullandschaft - nicht in den Metropolen. Und eine hervorragende wirtschaftliche Entwicklung - nicht auf Stuttgart und Mannheim konzentriert."
Weltweit nimmt der Anteil der städtischen Bevölkerung zu, die ländliche Bevölkerung nimmt ab. "Begeisterung über diese Entwicklung ist nicht angebracht", warnte Heino von Meyer, Leiter des Berliner Büros der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). In vielen Schwellenländern erlebe die ländliche Entwicklung eine Renaissance. Entscheidend für den Erfolg seien "weiche Faktoren" - insbesondere das Naturkapital einer Region und das Sozialkapital, so von Meyer. In den USA sei etwa nachgewiesen worden, dass in landschaftlich attraktiven Gegenden auch die Beschäftigung am dynamischsten sei.
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