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Riesending-Schachthöhle: Warum riskieren Höhlenforscher wie Johann Westhauser ihr Leben?

Riesending-Schachthöhle

Warum riskieren Höhlenforscher wie Johann Westhauser ihr Leben?

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    Johann Westhauser ist in einem stabilen Zustand.
    Johann Westhauser ist in einem stabilen Zustand. Foto: Unfallklinik Murnau/dpa"

    Es musste das Wasser gewesen sein, das er getrunken hatte. Das war für Édouard Alfred Martel klar. Schwer krank kam er aus der Höhle zurück. Wieder gesund erforschte er die Höhle bachaufwärts und fand einen Karst-Einbruch mit totem Vieh. Der 1859 geborene Franzose gilt als erster systematischer Höhlenforscher. Er erreichte, dass 1902 Karstgebiete als Wasserschutzgebiete in die französische Gesetzgebung aufgenommen wurden.

    Wichtige Fakten für Wasserschutz dank Höhlenforscher

    Die langwierige Rettung des Höhlenforschers

    7. Juni: Ein dreiköpfiges Team von Forschern, darunter der 52-jährige Westhauser, steigt in die fast 1100 Meter tiefe Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden.

    8. Juni: Gegen 1.30 Uhr kommt es zu einem Steinschlag, bei dem Westhauser an Kopf und Oberkörper verletzt wird. Er erleidet ein Schädel-Hirn-Trauma. Ein Kollege beginnt einen zwölfstündigen Aufstieg, um Hilfe zu holen.

    9. Juni: Vier Bergretter erreichen erstmals das Lager des Verletzten. Westhauser sei ansprechbar, «aber es geht ihm nicht gut», berichtet die Bergwacht. Ein Arzt, der zu dem Verletzten aufbricht, muss aufgeben.

    10. Juni: Vier Schweizer, die auf die Rettung aus Schächten spezialisiert sind, erreichen Westhauser. Ein österreichischer Arzt macht sich mit drei Bergrettern auf den Weg in die Tiefe. Ein erster Lichtblick: Dem Verletzten gehe es wohl besser als zunächst vermutet, heißt es.

    11. Juni: Ein weiterer Mediziner steigt zu Westhauser hinab, am Nachmittag erreicht der Österreicher den Verletzten.

    12. Juni: Der zweite Arzt trifft ein. Die Mediziner entscheiden: der Patient kann transportiert werden.

    13. Juni: Nach fünf Tagen beginnt am späten Nachmittag der Transport des Verletzten auf einer Trage.

    14. Juni: Das Rettungsteam schafft die erste Etappe und erreicht gegen 4.00 Uhr Biwak 5, den ersten Rastplatz.

    15. Juni: Die Helfer bewältigen die «Lange Gerade», die etwa 900 Meter unter der Oberfläche Hunderte Meter fast waagerecht durch den Berg führt. Der Trupp erreicht Biwak 4. Nun beginnt der schwierige Teil: Der Trupp muss Westhauser an der mitunter senkrecht nach oben führenden Wand in die Höhe ziehen.

    16. Juni: Das Team erreicht das dritte Lager in rund 700 Metern Tiefe. Nach einigen Stunden Pause geht es weiter.

    17. Juni: Die Rettung geht rascher voran als erwartet. Die Einsatzkräfte erreichen mit Westhauser am Morgen Biwak 2 in rund 500 Metern Tiefe. Etwa 15 Mann sind mit dem Verletzen unterwegs, Dutzende andere bauen den Weg aus.

    18. Juni: Am Morgen kommt der Trupp am Biwak 1 an. Bereits in der Nacht zum Donnerstag sollten die Retter mit Westhauser den Höhleneingang erreichen.

    19. Juni: Die erlösende Nachricht: Westhauser und seine Retter haben um 11.44 Uhr den Höhlenausgang erreicht - gut 274 Stunden nach dem Unfall.

    "Höhlenforscher haben für den Grund Wasserschutz wichtige Fakten erarbeitet", sagt Friedhart Knolle vom Verband der deutschen Höhlen- und Karstforscher (VdHK). Immer wieder gab es unerklärliche Krankheitsausbrüche - oft der "Martel-Effekt". Auch wenn kein totes Vieh mehr in Höhlen landet: "Je mehr wir über unsere Wasservorkommen wissen, desto besser ist das für staatliche Planungen."

    Westhauser war in Riesending-Schachthöhle Wasserläufen auf der Spur

    Auch der verunglückte Johann Westhauser und seine Freunde waren in der Riesending-Schachthöhle bei Berchtesgaden unter anderem den unterirdischen Wasserläufen auf der Spur. Mittlerweile hatten sie dem Geologen Michael Denneborg zufolge an einigen Stellen den Karstwasserspiegel erreicht.

    Nun wollten sie noch weiter im Untersberg vordringen - und vielleicht hatten sie ein Fernziel: Irgendwann die Verbindung zu finden zu dem österreichischen Gamslöcher-Kolowrath-System. "Die Verbindung von zwei Höhlen unter der Grenze - das wäre eine Vision", sagt Denneborg, der über die Entstehung von tiefen Höhensystemen promoviert hat.

    Geologe über Höhlenforschung: "Unvergessliche Momente"

    In den Alpen sind tausende Höhlen bekannt. Aber in den Plateaus der nördlichen Kalkalpen könnten viele mehr sein. Allein die Entdeckung ist ein Anreiz - und Westhausers Gruppe hatte Deutschlands tiefste Höhle gefunden. "In dem Moment, in dem man eine Höhle entdeckt, ist es geradezu eine Verpflichtung, sie auch zu erforschen, auch wenn es Jahre dauert", sagt Denneborg. "Ganz allein als erster in so einen engen Gang zu kriechen und dann dahinter einen neuen großen Gang zu entdecken, sind für das ganze Leben unvergessliche Momente. Und wenn einem der Wind entgegen pfeift - dann weiß man: Es geht hier weiter."

    Von wissenschaftlichem Nutzen ist das nur bedingt. "Es geht um das Entdecken, das Entdecken in der Gruppe", sagt Denneborg. "Auf einem Boden stehen, auf dem noch kein anderer stand", so beschrieben manche Kollegen Westhausers, die bei der Rettung halfen, ihre Motivation.

    Dennoch zieht es in Höhlen keine Adrenalinjunkies. Der Ausflug ist nicht nur angenehm. In alpinen Höhlen sind Unmengen an Material nötig: Hunderte Meter Seil, Haken, bei stundenlangem Aufstieg mit schwerem Rucksack. Die Nächte im Biwak sind kalt und feucht; wenn es regnet, tropft es dem Forscher auch mal von Stalaktiten ins Gesicht.

    Viele im Dunkeln lebende Tiere

    Einen Beruf "Höhlenforscher" gibt es nicht. Höhlenbegeisterte Hydrogeologen, Biologen, Paläontologen, Geologen, Archäologen und Hobby-Forscher - böse auch schon mal Hilfswissenschaftler genannt - versuchen, den Geheimnissen unter der Erde auf die Spur zu kommen.

    Die Welt dort hat eine eigene Faszination: Seen, blitzende Tropfsteine in fantastischen Formen, riesige Säle, tiefe Schächte, deren Dimensionen Besucher mangels Licht und Vergleichsobjekten manchmal kaum erfassen. "Es ist eine unglaublich bizarre Natur", sagt der Neurochirurg Michael Petermeyer, der bei der Rettung als Arzt half. "Man findet extrem kuriose Lebensformen."

    Den Grottenolm etwa, eine mit den Salamandern verwandte Art. Er hat wie viele im ewigen Dunkel lebende Tiere kein Pigment und keine Augen. Um das Leben dort unten bekannter zu machen, kürt der VdHK ein "Höhlentier des Jahres", 2014 die Höhlenwasserassel. Auch "Proasellus cavaticus" ist blind und farblos. Algen, Spinnen, Krebse, Molche: Die Arten bilden ein eigenes Ökosystem, ständig werden neue entdeckt.

    Die Höhlenforschung befruchtet auch die Raumfahrt. "Die Marsforscher haben bei uns Ergebnisse abgefragt über die Biologie unter Tage - weil sie auf dem Mars ähnlich sein könnte", sagt Knolle. Auf dem Mars wurde Wasser nachgewiesen - damit könnte es primitives Leben geben. In den Dachsteinhöhlen wiederum simulierte ein Forscherteam eine Mars-Mission - und testete einen Raumanzug.

    Eishöhlen, für Touristen eine spezielle Attraktion, bringen Beiträge zur Klimaforschung, denn auch die unterirdischen Gletscher schmelzen. In der Zusammensetzung von Tropfsteinen ist das Klima von Jahrmillionen konserviert. Eine dicke Steinschicht bedeutet, dass es viel geregnet hat. Tropfsteine haben eine Art Jahresringe, die Jahrhundertringe sein können.

    Statt Höhle tut es der Waldspaziergang

    Zu den ersten, die Höhlen zu wissenschaftlichen Zwecken erkundeten, zählte der Paläoanthropologe Johann Carl Fuhlrott. Er entdeckte 1856 im Neandertal die Überreste des

    In Höhlen gibt es auch Therapien bei Asthma und Allergien. Die hohe Luftfeuchtigkeit reinigt die Luft. Der hohe Kohlendioxid-Gehalt hat zudem beruhigende Wirkung auf das vegetative Nervensystem. Allerdings finden Erholungsbedürftige ähnliche Verhältnisse im Wald. Statt Höhle tut es für manchen auch ein Spaziergang. dpa/AZ

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