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Reichertshofen: Nach Brandanschlag auf Asylheim sind Bürger schockiert: "Jetzt erst recht!"

Reichertshofen

Nach Brandanschlag auf Asylheim sind Bürger schockiert: "Jetzt erst recht!"

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    Das noch unbewohnte Gebäude, das in der Nacht auf Donnerstag in Brand gesteckt wurde, war für den Landkreis als zukünftige Unterkunft für Asylbewerber vorgesehen.
    Das noch unbewohnte Gebäude, das in der Nacht auf Donnerstag in Brand gesteckt wurde, war für den Landkreis als zukünftige Unterkunft für Asylbewerber vorgesehen. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Bis Mittwochnacht war Winden ein beschaulicher Ortsteil von Reichertshofen im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm. Dann heulte gegen 2.50 Uhr die Feuerwehrsirene und seither ist ziemlich alles anders in Winden.

    Der Einsatzort für das Großaufgebot der Rettungskräfte ist ein ehemaliger Landgasthof, der seit längerer Zeit leer steht. Eine als Abstellraum genutzte ehemalige Diskothek brennt fast vollständig aus. Das Hauptgebäude kann gerettet werden. Der Schaden beträgt mindestens 150.000 Euro.

    Ursache? Wohl die: In dem Gebäude wollte der Landkreis Pfaffenhofen zum 1. September knapp 70 Asylbewerber unterbringen. Diese Ankündigung vorvergangene Woche in den regionalen Medien hat ganz offensichtlich ausländerfeindliche Kräfte aktiviert. Denn die Kriminalpolizei ist überzeugt, dass man es mit einer vorsätzlichen Brandstiftung zu tun hat. Laut Michaela Grob vom Polizeipräsidium Oberbayern-Nord in Ingolstadt wissen die Ermittler, wie und mit was der oder die Täter Feuer gelegt haben. Details werden aber nicht preisgegeben – das ist Täterwissen und könnte einmal ungeheuer wichtig sein, wenn beispielsweise eine Verhörtaktik festgelegt wird.

    26-köpfige Sonderkommission zur Aufklärung des Brandanschlags auf Asylbewerberheim

    Aber davon ist man noch weit entfernt. Es gibt keine Hinweise. Die Kriminalpolizei Ingolstadt hat eine 26-köpfige Sonderkommission gebildet. Dazu zählen auch Beamte der Staatsschutzabteilung. Bestimmt werden nun auch viele Routinemaßnahmen ergriffen. Alle Menschen, die im weiteren Einzugsbereich leben und in der Vergangenheit ausländerfeindlich aufgefallen sind, werden in Betracht gezogen.

    Anschläge auf Asylbewerberheime

    Auf ein Flüchtlingsheim in Böhlen bei Leipzig werden in den Nächten zum 11. und 12. Juli 2015 Schüsse abgegeben. Eine Fensterscheibe und Teile der Fassadenverglasung gehen zu Bruch. Verletzt wird niemand.

    In der Nacht zum 1. Juli wird eine geplante Flüchtlingsunterkunft im hessischen Mengerskirchen mit Schweineköpfen, Innereien und Schmierereien beschmutzt.

    In der sächsischen Stadt Meißen wird in der Nacht zum 28. Juni ein Brandanschlag auf eine noch unbewohnte Unterkunft verübt. Einen Tag später wird in Lübeck in einem Rohbau für ein Asylbewerberheim Feuer gelegt.

    In Limburgerhof in Rheinland-Pfalz zünden in der Nacht zum 6. Mai Unbekannte eine noch im Bau befindliche Flüchtlingsunterkunft an.

    In der Nacht zum 4. April wird in einer fast fertigen Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz (Sachsen-Anhalt) Feuer gelegt.

    Am 9. Februar wird eine Flüchtlingsunterkunft in Escheburg bei Hamburg durch einen Brand unbewohnbar. Ein Finanzbeamter gesteht, er habe verhindern wollen, dass irakische Kriegsflüchtlinge einziehen. Er erhält zwei Jahre Haft auf Bewährung.

    In der Nacht zum 12. Dezember 2014 stecken Unbekannte in Vorra (Bayern) einen als Flüchtlingsunterkunft umgebauten Gasthof samt Scheune und ein frisch renoviertes Wohnhaus an. (dpa)

    Der Staatsschutz ermittelt nicht zum ersten Mal im Großraum von Ingolstadt. Als vor einem knappen Jahr bekannt gegeben wurde, dass eine ehemalige Kaserne in Oberstimm – nur wenige Kilometer von Reichertshofen entfernt – zur Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge umfunktioniert wird, schmierte jemand rechte Parolen gegen Ausländer auf die Zufahrtsstraße. Und Mitte April steckten Unbekannte Wohncontainer an, die in Hepberg vom Landkreis Eichstätt aufgestellt worden waren, um darin ein Dutzend Flüchtlinge unterzubringen. Der Sachschaden beträgt über 10.000 Euro.

    Die Tat jetzt in Winden hat viele Menschen schockiert. Vor allem die Windener selbst. Die Gemeinde Reichertshofen ist in den vergangenen Monaten bekannt geworden, weil dort eine ausgesprochen warme und herzliche Willkommenskultur gepflegt wird. 75 Asylbewerber sind bereits dort untergebracht. Viele ehrenamtliche Helfer engagieren sich für die Flüchtlinge, spenden Kleidung, geben Deutschunterricht, begleiten bei Behördengängen oder unternehmen mit Flüchtlingskindern Ausflüge.

    Bürgermeister Michael Franken ist tief betroffen von dem Brandanschlag. Er gab am Donnerstagvormittag zusammen mit Oberbayerns Regierungspräsident Christoph Hillenbrand und dem Pfaffenhofener Landrat Martin Wolf am Tatort eine Pressekonferenz. Franken und Wolf sagen, dass man sich nicht einschüchtern lassen darf und auch nicht lassen wird.

    Einquartierung wird zum vorgesehenen Termin durchgeführt

    Im Gegenteil: Bürgermeister und Landrat stellten klar, dass die beabsichtigte Einquartierung zum vorgesehenen Termin durchgeführt werde. „Jetzt erst recht!“, sagt Franken. Die Umbaumaßnahmen in dem Gebäude werden also weiterlaufen.

    Bei anderen Menschen haben die Täter Wirkung erzielt. Es gibt Nachbarn, die ängstlich sind und befürchten, „dass diese Wahnsinnigen wieder kommen und dann vielleicht überall Feuer legen!“, wie eine tief besorgte Frau und Mutter sagt.

    Manche beäugen sich sehr kritisch. Einer soll unlängst abends beim Bier im angetrunkenen Zustand sehr heftig gegen die Einquartierung der Flüchtlinge in dem alten Ausflugsgasthof geschimpft haben. Die Kripo sammelt fieberhaft alle Informationen und sucht nach Ansatzpunkten. Regierungspräsident Christoph Hillenbrand sagt, er sei „empört und erschüttert über diese hinterhältige Tat“. So etwas müsse mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden, wenn die Schuldigen überführt werden können.

    Viele Einheimische sind um Versachlichung und Beruhigung bemüht. Auch das am Donnerstagabend angesetzte Helfertreffen für den Asylkreis wurde bewusst nicht abgesagt. „Jetzt erst recht!“ Winden wünscht sich die Normalität zurück.

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