149 Frauen, die ein Kind auf die Welt bringen, begleitet ein Belegarzt in Deutschland im Durchschnitt pro Jahr. Damit er für diese Geburten abgesichert ist, muss der Frauenarzt eine Haftpflichtversicherung abschließen. Doch die Beiträge dafür steigen seit Jahren stark an. Immer mehr Mediziner können die Kosten nicht mehr stemmen und hören als Belegärzte auf. Gerade in ländlichen Regionen mussten deshalb schon geburtsmedizinische Stationen schließen. Doch jetzt gibt es eine gute Nachricht: Die Gynäkologen bekommen mehr Geld.
Ärzte aus der Region begrüßen die Entscheidung
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der Kassenärztlichen Vereinigung (GKV) haben beschlossen, dass niedergelassene Gynäkologen rückwirkend zum 1. Januar mehr Geld von den Krankenkassen für die Prämien der Haftpflichtversicherung bekommen. Das berichtet die KBV. Mit dieser Unterstützung für die Gynäkologen soll verhindert werden, dass ärztliche Geburtshelfer aufhören und Stationen schließen müssen.
Krzysztof Kazmierczak, Geschäftsführer der Kliniken an der Paar in Aichach und Friedberg, zeigt sich erfreut über die Zuschüsse: „Soweit ich die Sachlage beurteilen kann, ist das eine extrem gute Entscheidung für die Gynäkologen. Ich denke, das wird die Situation für die Belegärzte sicherlich stabilisieren.“ Auch Martin Gösele, Vorstand der Wertachkliniken in Schwabmünchen und Bobingen, ist froh: „Wir begrüßen die Erhöhung der Gebührenordnung.“ Diese Entscheidung unterstütze die Wertachkliniken dabei, die Belegärzte finanziell so abzusichern, dass die Geburtshilfe in Bobingen erhalten werden kann. Darüber hinaus sei es eine gute Grundlage für die Wiederinbetriebnahme der Geburtshilfe in Schwabmünchen.
Wie viel wollen die Krankenkassen tatsächlich zahlen?
Wie viel Geld wollen die Krankenkassen nun tatsächlich bereitstellen? Für eine belegärztliche Geburt soll es für die Gynäkologen 97,30 Euro mehr, für eine ambulante Geburt, bei der die Frau nur ein paar Stunden in der Klinik bleibt, 81,93 Euro mehr geben. Laut KBV ist das doppelt so viel für die Haftpflichtversicherung wie zuvor. Hochgerechnet auf den Durchschnitt von 149 Geburten im Jahr mache der Zuschuss mit der Erhöhung etwa 32.000 Euro aus.
Bereits seit einigen Jahren steigen laut einer Sprecherin der Wertachkliniken die Beiträge für die Haftpflichtversicherung überproportional an. Demnach zahlen Neueinsteiger derzeit rund 80.000 Euro im Jahr. Die Verträge für bereits praktizierende Ärzte werden kontinuierlich an dieses Niveau angepasst. Damit werde die Arbeit für viele Mediziner unrentabel, wie die Sprecherin mitteilt. Und die Krankenhäuser müssten hilflos dabei zusehen, weil sie aufgrund des Antikorruptionsgesetzes keine Zuschüsse zu den Versicherungen bezahlen dürften.
"Ärzte auf dem Land brauchen noch mehr Zuschüsse"
Den Wertachkliniken geht die Einigung von KBV und GKV aber noch nicht weit genug. Denn nach Angaben der Kliniksprecherin reicht der Betrag nicht, um die zusätzlichen Kosten für die Haftpflichtversicherung zu decken. Die Belegärzte kleinerer Krankenhäuser werden nach ihrer Einschätzung schlechtergestellt, denn für eine 24-Stunden-Versorgung sind in der Regel drei Gynäkologen erforderlich, egal, wie viele Kinder tatsächlich geboren werden. Ein Beispiel: In der Vergangenheit kamen in den Wertachkliniken im Jahr rund 700 bis 800 Kinder auf die Welt. Jeder Belegarzt führte also im Schnitt 133 Geburten durch, die er nun mit jeweils 214 Euro honoriert bekommen wird. Das ergibt jährlich rund 28.500 Euro und deckt nicht annähernd die Versicherungsprämie, wie die Kliniksprecherin erklärt.
Vor allem in Regionen außerhalb der großen Städte und Ballungsräumen sei die Lage schwierig, bestätigt Klinikchef Krzysztof Kazmierczak aus Aichach. Er fordert für die Ärzte auf dem Land noch mehr Zuschüsse. „In Friedberg erreichen unsere Ärzte zwar den Durchschnitt an Geburten, aber andere Gynäkologen auf dem Land schaffen vielleicht nur 80.“ Sie würden nicht von der Förderung profitieren, da die Haftpflichtbeiträge nach wie vor hoch bleiben.
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