Der Auftritt war generalstabsmäßig vorbereitet. Alles sollte passen bei dieser Regierungserklärung unter der Überschrift: „Lebensqualität sichern, Zukunft gewinnen. Gemeinsam für eine starke Heimat – Aufbruch Bayern“. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte einen dunkelgrauen Trachtenanzug mit Hirschhornknöpfen und eine ziemlich rustikale Krawatte angelegt. Das Manuskript wurde vermutlich erstmals in der Geschichte Bayerns mit farbigem Deckblatt verteilt. Es zeigt fröhliche junge Menschen, die sich auf einem bayerischen Berggipfel unter weiß-blauem Himmel sichtlich wohlfühlen.
Die Botschaft war eindeutig. Seehofer formulierte sie als dreigeteilte Vision: „Bayern, das Land der unbegrenzten Chancen für alle. Bayern, das Land der Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Bayern, das Land des Zusammenhalts und des aktiven Bürgersinns“.
"Ein schuldenfreies Bayern"
Seit der CSU-Klausur in Kreuth in der vergangenen Woche hat diese Vision auch ein Datum. „Mein Ziel ist und bleibt ein schuldenfreies Bayern im Jahr 2030“, bekräftigte Seehofer und rechnete vor, dass dieses Ziel schon allein dadurch erreicht werden könnte, wenn Bayern nur einen Teil des Geldes behalten könnte, den es Jahr für Jahr beim Länderfinanzausgleich an andere, wirtschaftlich schwächere Bundesländer abgeben müsse. „Wer, wenn nicht Bayern, könnte dieses Ziel erreichen“, fragte Seehofer. Konkreter wurde er allerdings nicht. Es blieb bei der Ankündigung, dass Finanzminister Markus Söder (CSU) bis zum Sommer einen Tilgungsplan vorlegen solle.
Auch CSU-Fraktionschef Georg Schmid konnte nur eine rhetorisch elegante Bekräftigung des großen Versprechens beisteuern. „Wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn nicht wir, wer sonst?“ Den Oppositionsparteien war damit für Kritik Tür und Tor geöffnet. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher erinnerte daran, dass sich die CSU früher in der „Leberkäs-Etage“ verortete, und sagte: „Mit Ihrer heutigen Rede, Herr Seehofer, hat die CSU die Bescheidenheit der Leberkäs-Etage verlassen und ist in der Prosecco-Lounge der Selbstherrlichkeit endgültig angekommen.“
Seehofer auf die Schippe genommen
Der SPD-Politiker hielt Seehofer entgegen, dass die CSU im Bund die aktuelle Höhe des Länderfinanzausgleichs selbst mit ausgehandelt habe und jetzt dagegen zu Felde ziehe. Zugleich verwies er auf das Beispiel der Landeshauptstadt München, die ihren Schuldenstand seit 2006 „ohne großes Tamtam“ halbiert habe, während die Schulden des Freistaats, insbesondere durch den Zehn-Milliarden-Kredit für die Landesbank, im selben Zeitraum von 20 auf fast 33 Milliarden Euro gestiegen seien.
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger geißelte Seehofers Ziel vom schuldenfreien Freistaat als schönen Traum. „Ich würde diesen Traum gerne mitträumen“, sagte Aiwanger, „aber es ist ein Griff ins Jenseits.“ Und dann nahm er Seehofer und seine Partei auch noch kräftig auf die Schippe: Seehofer komme ihm vor wie der Anführer einer Karawane in der Wüste, der – auch wegen seiner Körpergröße – vor allen anderen die Oase sieht. Sein – deutlich kleinerer – Vorgänger als CSU-Chef, Erwin Huber, sehe die Oase nicht und müsse von Seehofer auf den Arm genommen werden. An dieser Stelle lachten sie auch in den Reihen der CSU.
Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause sagte, Seehofers angekündigte „große Rede“ sei nichts anderes gewesen „als viel Wortgeklingel, viel Prosa, jede Menge Altbekanntes, leider nur sehr wenig Konkretes, wenig Verbindliches und keine Antwort auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen“. Für etwas Konkretisierung beim Schuldenziel der Regierung sorgte FDP-Fraktionschef Thomas Hacker. Die Liberalen schlagen vor, ab sofort die Steuermehreinnahmen so weit wie möglich in die Schuldentilgung zu stecken sowie die gesamte Zinsersparnis, die sich in der Zukunft durch den Abbau der Schulden ergibt.