Rosenheim (dpa/lby) - Die Sendung "Kunst & Krempel" im Bayerischen Fernsehen ist immer für Überraschungen gut.
Das erwies sich erst jüngst wieder, als eine Zuschauerin ein in einer Sendung gezeigtes wertvolles Bild als Raubkunst erkannte und die Polizei informierte. Das auf 100.000 Euro geschätzte um 1606 entstandene Gemälde "Die Bergpredigt" stammt von dem flämischen Maler Frans Francken d.J. Es verschwand gegen Ende des Zweiten Weltkriegs aus dem sogenannten Führerbau am Münchner Königsplatz. Seit April 1945 galt es als verschollen.
Ende Oktober wird in Rosenheim eine neue Staffel der Kultsendung aufgezeichnet. Am Mittwoch informierte die Redaktion schon einmal über die beliebte Sendereihe.
Am Konzept ändern soll sich auch nach Bekanntwerden der Raubkunst-Schätzung vor den Augen des Fernsehpublikums nichts. Es handle sich bei der Sendung um eine Antiquitätenschätzung unter Live-Bedingungen, sagte Redaktionsleiter Ronald Köhler. "Das macht doch gerade den Reiz der Sendung aus." Vor einer Aufzeichnung könnten aber keine Dateien über Kunstgegenstände gewälzt werden, erläuterte Köhler. Die Fachleute bildeten sich innerhalb weniger Minuten aus ihrem Wissensschatz heraus ein Urteil über die gezeigten Werke. "Es ist eine spontane erste Einschätzung, die dank der Qualität der Experten sehr oft ins Schwarze trifft", sagte Köhler. Bei Wahrung der Seriosität solle der Unterhaltungscharakter der Sendung gewahrt bleiben.
Das Prinzip der vor mehr als 20 Jahren als Fernsehflohmarkt begonnenen Sendung ist einfach. Ein echter oder vermeintlicher Familienschatz, sein Besitzer und die Experten treffen vor laufender Kamera zusammen. Daraus entstehe immer wieder etwas Neues, Unerwartetes, erläutern die zuständigen Redakteure. "Aus den Erzählungen der Besitzer erfährt man, wie sich große Geschichten in persönlichen Geschichten widerspiegeln", hieß es auch bei der Präsentation am Mittwoch in Rosenheim. "Das Unscheinbare entpuppt sich als Kostbarkeit, das Prunkvolle als Nachahmung."
Dreimal im Jahr ist das Kunst & Krempel-Team in einer anderen bayerischen Stadt zu Gast, um sorgsam gehütete Familienschätze unter die Lupe zu nehmen. Interessenten können sich mit einem Foto des Kunstobjektes beim Bayerischen Rundfunk bewerben. Bei einer Vorbesichtigung werden jene Exponate ausgewählt, die es tatsächlich zur Begutachtung ins Fernsehen schaffen. Die jeweils zwei Experten sind renommierte Kunsthistoriker und Sachverständige. Der eine ist für die kunsthistorischen Aspekte zuständig, der andere für die Bewertung.
Immerhin wurde in Kunst & Krempel schon das als verschollen geglaubte Gemälde "Rathausplatz Breslau" des Romantikers Eduard Gaertner entdeckt, das auf ein halbe Million Euro taxiert ist und heute im Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg hängt. Auch eine Madonna aus der Werkstatt des berühmten Bildhauers Tilman Riemenschneider im Wert von rund 300 000 Euro und eine Zeichnung aus der Feder von Pierre-Auguste Renoir, die bis zu 400 000 Euro wert ist, wurden in der Sendung entdeckt.
Indessen ist das 400 Jahre alte Raubkunstgemälde "Die Bergpredigt" den Kunstfahndern des Landeskriminalamtes übergeben worden, die sich nun auf die Suche nach den ursprünglichen Eigentümern machen. Wie es heißt, sollen sie aus Frankreich stammen. Die 92-Jährige hatte das Bild im Schlafzimmer hängen und will es von ihren Eltern geerbt haben. Erst durch die Präsentation in "Kunst & Krempel" wurde das Gemälde aus seinem Dornröschenschlaf erweckt.
(Kunst & Krempel, jeden Samstag 19.45 bis 20.15 Uhr Bayerisches Fernsehen, Wiederholung Dienstag 17.15 bis 17.45 Uhr 3sat, Sonntag 14.00 bis 14.30 Uhr BR-alpha)