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Prozess in Kaufbeuren: "Reichsbürgerin" nach Diebstahl ihrer Strafakte erneut vor Gericht

Prozess in Kaufbeuren

"Reichsbürgerin" nach Diebstahl ihrer Strafakte erneut vor Gericht

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    Eine Angeklagte hatte vergangenes Jahr einer Richterin während des Verfahrens eine Akte gestohlen. Jetzt steht sie wieder vor Gericht.
    Eine Angeklagte hatte vergangenes Jahr einer Richterin während des Verfahrens eine Akte gestohlen. Jetzt steht sie wieder vor Gericht. Foto: Fred Schöllhorn (Symbolbild)

    Weil sie eine Strafakte vom Richtertisch gestohlen haben soll, muss sich am Donnerstag eine 51 Jahre alte Ostallgäuerin vor dem Kaufbeurer Amtsgericht verantworten. Die Frau wird dem Dunstkreis der Reichsbürger zugerechnet, die die Bundesrepublik Deutschland als Staat ablehnen.

    Die Vorgeschichte begann Anfang vergangenen Jahres. Die wegen Drogenhandels vorbestrafte Ostallgäuerin musste sich wegen Fahrens ohne Führerschein vor dem Amtsgericht verantworten. Die Gerichtsverhandlung störte die Frau allerdings durch Zwischenrufe, wie auch etwa 20 Zuschauer, die das Geschehen verfolgten. Sie alle werden der Bewegung One Peoples Trust (OPPT) zugerechnet, die den Reichsbürgern nahesteht. Sie leugnen den Bestand der Bundesrepublik und sehen Staaten als Firmen an, die unter das Handelsrecht fallen. Nach dem Plädoyer des Staatsanwaltes war es im Sitzungssaal zu tumultartigen Szenen gekommen. Die Richterin unterbrach das Verfahren.

    "Reichsbürgerin" stiehlt Akte, verbotenes Video landet im Internet

    Das Durcheinander nutzte die Angeklagte, um ihre Akte vom Richtertisch zu ziehen und einem Unterstützer zuzuwerfen. Dieser reichte die Akte an Sympathisanten weiter. Seitdem gilt das Schriftstück als verschwunden. Einer der Zuschauer filmte die tumultartige Verhandlung, was generell verboten ist, und stellte das Video ins Internet.

    Reichsbürger, Germaniten, Identitäre - Die Szene der Staatsverweigerer

    Die Bewegung der Staatsverweigerer ist sehr heterogen. Sie umfasst mehrere sektenartige Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die seit den 1980er-Jahren entstanden und untereinander zerstritten sind.

    Nur in einem sind sie sich einig: Deutschland sei kein echter Staat, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 bestehe fort.

    Die Gruppen haben keine feste Organisationsstruktur.

    Die erste bekannte Organisation von „Reichsbürgern“ wurde 1985 als „Kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ gebildet. Gründer war Wolfgang Gerhard Günter Ebel, ein Westberliner Eisenbahner, der sich fortan „Reichskanzler“ nannte.

    Die Anhänger sprechen dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab.

    Ein Schwerpunkt in der Region ist das Allgäu. Doch bayernweit nehmen die Zahlen der "Reichsbürger" zu. Derzeit sind knapp über 300 Personen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West als „Reichsbürger“ eingestuft.

    Die Germaniten wurde im Dezember 2010 von einer gewissen Ulrike Kuklinski auf der Schwäbischen Alb gegründet.

    Sie sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und bildete mit Gleichgesinnten die Behindertenfürsorge „Deutsche Ringvorsorge“, die Keimzelle des „Staates Germanitien“.

    Die Bewohner verstehen sich allen Ernstes als souveränes Staatsvolk mit einem eigenen Staatsgebiet in den Grenzen von 1937.

    Der Ursprung der Identitären Bewegung liegt in Frankreich, wo sie zu Beginn des Jahrhunderts im Dunstkreis des Front National entstand. Sehr aktiv ist die IB in Österreich, neuerdings auch in Bayern.

    Sie ist ethnopluralistisch – jede Ethnie soll ihren eigenen Raum haben – und geht von einer geschlossenen „europäischen Kultur“ aus, die vor allem vom Islam bedroht sei. Für Experten ist die IB eine neue Form des Rechtsextremismus. (hogs, sohu)

    Die Angeklagte wurde schließlich in Abwesenheit zu einer achtmonatigen Gefängnisstrafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt. Doch zum Haftantritt erschien sie nicht. Offensichtlich hatte sie sich abgesetzt.

    Anfang dieses Jahres dann die überraschende Wendung: Die Frau wurde im Februar in Spanien festgenommen und schließlich an die Bundesrepublik ausgeliefert. Am morgigen Donnerstag beginnt vor dem Kaufbeurer Amtsgericht der Prozess gegen die Frau wegen des Diebstahls der Strafakte und „Verwahrungsbruch“, wie es bei Juristen heißt. Die Angeklagte habe die Akte „dauerhaft der Verfügungsgewalt der bayerischen Justiz“ entzogen, erläuterte die Amtsgerichts-Pressesprecherin Claudia Kögel. mun

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