Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Prozess in Augsburg: Kohl, Waigel, Stoiber: Schreiber fordert prominente Zeugen

Prozess in Augsburg

Kohl, Waigel, Stoiber: Schreiber fordert prominente Zeugen

    • |
    Karl-Heinz Schreiber im Landgericht Augsburg: Der frühere Waffenlobbyist hat erstmals umfassend in einem Prozess ausgesagt.
    Karl-Heinz Schreiber im Landgericht Augsburg: Der frühere Waffenlobbyist hat erstmals umfassend in einem Prozess ausgesagt. Foto: Fred Schöllhorn

    Am Ende der 100 Seiten umfassenden Erklärung mehr als  zieht Karlheinz Schreiber sein eigenes Fazit: „Es gab keine Bestechung von Dr. Holger Pfahls. Es gab keinen Betrug am Königreich Saudi-Arabien. Es gab ein Regierungsgeschäft zwischen Deutschland und

    Mit anderen Worten: Alles, was er selbst damals getan hat, soll nicht strafbar gewesen sein. Der Ex-Lobbyist stellt es so dar, dass alle am „Fuchs“-Panzer-Deal persönlich und politisch Beteiligten Geld bekommen sollten: Parteien, Politiker aus dem einflussreichen Haushaltsausschuss des Bundestags, Strippenzieher bei der Rüstungsfirma Thyssen und alle anderen Helfer. Er sei lediglich gebeten worden, Teil des Geldes weiterzuverteilen.

    Finanzbehörden sollen Geldgeschenke genehmigt haben

    Der 78-Jährige geht noch weiter: Die Finanzbehörden in Düsseldorf hätten die steuerliche Abzugsfähigkeit der saudischen Geldgeschenke genehmigt. Deren oberster Dienstherr, der damalige Bundesfinanzminister, habe Bescheid gewusst, ebenso wie die Mitglieder des damaligen Bundessicherheitsrats. Um dies zu belegen und sich damit zu entlasten, fordert Schreiber die Vernehmung etlicher prominenter Politiker als Zeugen: Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, Ex-Finanzminister Waigel, Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher, den damaligen Bundesjustizminister Klaus Kinkel.

    Der Fall Schreiber: eine Chronologie

    Karlheinz Schreiber, eine Hauptfigur im CDU-Spendenskandal, beschäftigt seit 15 Jahren die Justiz. Eine Chronologie des Falles.

    Oktober 1995: Nach der Durchsuchung seines Hauses in Kaufering bei Landsberg setzt sich Schreiber nach Pontresina in der Schweiz ab.

    September 1997: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erlässt Haftbefehl wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung.

    März 1999: Schreiber flüchtet mit seinem kanadischen Pass nach Ottawa.

    August 1999: Schreiber wird in Toronto gefasst. Die deutsche Justiz beantragt seine Auslieferung. Gegen eine Kaution von 1,2 Millionen kanadischen Dollar (740 000 Euro) kommt er im September wieder auf freien Fuß.

    März 2000: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Schreiber wegen Bestechung, Beihilfe zur Untreue, gemeinschaftlichen Betrugs und Steuerhinterziehung. Er soll dem Fiskus rund zehn Millionen Euro vorenthalten haben.

    Januar 2001: Schreiber weigert sich, ohne die Zusicherung eines freien Geleits zum Prozess nach Augsburg zu kommen. Das Landgericht Augsburg trennt sein Verfahren deshalb von anderen ab.

    Mai 2004: Das höchste Gericht der Provinz Ontario ordnet Schreibers Ausweisung an, er geht in Berufung.

    Juni 2004: Schreiber wird nach kurzer Auslieferungshaft erneut gegen die schon 1999 hinterlegte Millionenkaution freigelassen.

    Juli 2005: Der deutsche Bundesrat beschließt eine Verschärfung der Verjährungsregeln («Lex Schreiber»). Danach ruht die Verjährung von Straftaten, solange sich der Beschuldigte im Ausland aufhält und die deutschen Behörden seine Auslieferung betreiben.

    Februar 2007: Das oberste kanadische Gericht weist Schreibers Einspruch gegen seine Überstellung nach Deutschland ab.

    Juni 2007: Schreiber verklagt Kanada vor einem Bundesgericht in Halifax (Provinz Neuschottland) wegen angeblicher «Rechtsbrüche» auf Schadenersatz von 35 Millionen Dollar. Der Richter weist die Klage ab.

    November 2007: Das Berufungsgericht von Ontario gibt grünes Licht für Schreibers Auslieferung. Schreiber beantragt ein Berufungsverfahren - sein dritter Gang zum Supreme Court. Das Berufungsgericht von Ontario setzt die Auslieferung bis zum Votum des Obersten Gerichtshofs aus.

    Dezember 2007: Schreiber, seit 4. Oktober in Abschiebehaft, wird gegen die inzwischen auf 1,31 Millionen kanadische Dollar erhöhte Kaution vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt.

    August 2008: Das Berufungsgericht von Ontario verwirft den vierten Antrag Schreibers gegen seine Auslieferung.

    August 2009: Nach einer letzten Niederlage vor Gericht wird Schreiber nach Deutschland geflogen.

    18. Januar 2010: Vor dem Landgericht Augsburg beginnt das Verfahren gegen Schreiber. Den Vorwurf der Bestechung hat das Gericht wegen Verjährung allerdings aus dem Haftbefehl genommen.

    Mai 2010: Karlheinz Schreiber wird wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das ist eine der höchsten Strafen, die je in Deutschland für dieses Delikt ausgesprochen wurden.

    September 2011: Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt das Schreiber-Urteil des Augsburger Landgerichts in Teilen auf. Der Fall muss neu verhandelt werden.

    Mai 2012: Schreiber wird aus der Haft entlassen. Grund dafür ist sein Gesundheitszustand. Anfang März erlitt der 78-Jährige in U-Haft einen Herzinfarkt.

    September 2012: In Augsburg beginnt der Revisionsprozess gegen Schreiber.

    Oktober 2013: Die Staatsanwaltschaft plädiert für zehn Jahre Haft.

    November 2013: Schreiber wird zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

    Auch gegen den früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber erhebt Schreiber Vorwürfe: Im Zusammenhang mit dem ersten Verfahren gegen ihn habe Stoiber Beweismittel unterdrückt. Belegen soll dies eine Passage aus dem Schlussbericht des bayerischen Untersuchungsausschusses zur Schreiber-Affäre, die einer der Verteidiger zitierte. Schreiber wirft seinem Intimfeind Stoiber auch Rechtsbeugung vor und fordert auch dessen Vernehmung als Zeuge. Das Verfahren gegen ihn sei von Anfang an ein politisches Verfahren gewesen, auf das schon früh „rechtswidrig Einfluss“ genommen wurde.

    Ob die prominenten Zeugen aussagen müssen, entscheidet allerdings das Gericht.

    Von Kiep bis Strauß: Urteile in der Schreiber-Affäre

    Walther Leisler Kiep hatte als CDU-Schatzmeister von Karlheinz Schreiber eine Million Mark als Parteispende entgegengenommen. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Die Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert hatten von Schreiber Schmiergeld kassiert und erhielten Bewährungsstrafen von 24 und 20 Monaten.

    Ludwig-Holger Pfahls: Der Ex-Rüstungsstaatssekretär hat sich von Schreiber mit 3,8 Millionen Mark schmieren lassen. Er wurde zu 27 Monaten Haft verurteilt.

    Max Strauß: Der Politikersohn erhielt 2004 wegen Steuerhinterziehung eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Nach der Revision wurde Strauß freigesprochen.

    Dieter Holzer wurde 2008 wegen Fluchthilfe für Pfahls zu neun Monaten Bewährungsstrafe verurteilt.

    Karlheinz Schreiber wurde 2010 wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

    Ein weiteres Mal wurde Ludwig-Holger Pfahls im November 2011 verurteilt. Wegen Bankrotts und Steuerhinterziehung muss der frühere Spitzenpolitiker für viereinhalb Jahre ins Gefängnis.

    Dieter Holzer wurde im November 2011 verurteilt, weil er Pfahls nach Ansicht des Landgerichts Augsburg bei der Steuerhinterziehung half. Aufgrund seiner zwei offenen Bewährungen lautete das Urteil auf dreieinhalb Jahre Haft.

    Karlheinz Schreiber wird 2013 im Revisionsverfahren wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden