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Prozess in Augsburg: Karlheinz Schreiber holt zum Rundumschlag aus

Prozess in Augsburg

Karlheinz Schreiber holt zum Rundumschlag aus

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    Demonstrative Entschlossenheit: Karlheinz Schreiber erhob gestern Vorwürfe gegen Ex-Politiker und die Justiz. Am Freitag wird seine Erklärung fortgesetzt.
    Demonstrative Entschlossenheit: Karlheinz Schreiber erhob gestern Vorwürfe gegen Ex-Politiker und die Justiz. Am Freitag wird seine Erklärung fortgesetzt. Foto: Ulrich Wagner

    Karlheinz Schreiber hat sich in Schale geworfen für diesen Tag: Dunkles Sakko mit Goldknöpfen, karierte Hose, ein Anstecker mit der kanadischen Flagge am Revers. Auch scheint er im Vergleich zu anderen Prozesstagen recht munter zu sein. Schon vor Wochen hatte er in einer Verhandlungspause auf der Toilette geraunzt, ihm reiche es, er werde auspacken. Nun war also der Tag, an dem der frühere Rüstungslobbyist seine Sicht der Dinge ausführlich schildern sollte.

    Schreiber wirft mit Daten, Namen und Geldbeträgen um sich

    Schreiber lässt seine Verteidiger Jens Bosbach, Frank Eckstein und Jan Olaf Leisner eine Erklärung von insgesamt 125 Seiten vorlesen. Fertig werden die Anwälte nicht. Am Freitag wird das Verfahren fortgesetzt. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb Fragen offenbleiben. Die umfangreiche Aussage hinterlässt einen sehr zwiespältigen Eindruck: Schreiber wirft mit Daten, Namen und Geldbeträgen nur so um sich. Er belastet Politiker und Geschäftsleute, die längst tot sind und sich also nicht wehren können.

    Auf der anderen Seite nennt er konkrete Spendenbeträge und deren Empfänger. Ob sich diese Parteispenden im legalen Bereich bewegten, bleibt unklar. Und Schreiber versucht zu erklären, wie damals, Anfang der 90er Jahre vor dem Hintergrund des ersten Golfkriegs, ein Spürpanzer-Geschäft zwischen Deutschland und dem Königreich Saudi-Arabien abgelaufen ist.

    Die Lieferung von "Fuchs"-Spürpanzern sei damals angesichts der Angst vor einem Einsatz chemischer Waffen politisch gewollt gewesen. Die Lieferung sei auf höchster Ebene - zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und US-Außenminister James Baker - ausgehandelt worden. Insofern habe es, so Schreiber, überhaupt keinen Sinn gemacht, den damaligen Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Ludwig-Holger Pfahls, zu bestechen. Pfahls habe keine Entscheidungsbefugnis gehabt, so Schreiber. Ähnlich hatte sich

    Er bestreitet die Bestechung des Ex-Staatssekretärs Pfahls

    Schreiber bestreitet also, Pfahls bestochen zu haben. Er gibt aber dennoch zu, ihm vor zwei Jahrzehnten Millionenbeträge gegeben zu haben. Dabei soll es sich aber nach den Worten Schreibers um Spenden für die CSU gehandelt haben. "Es ist eine Farce, weiter zu behaupten, ich hätte Pfahls mit 3,8 Millionen Mark bestochen", heißt es in der Erklärung. Die Augsburger Staatsanwaltschaft wisse das auch. Dennoch habe man an dieser Version festgehalten.

    Der Fall Schreiber: eine Chronologie

    Karlheinz Schreiber, eine Hauptfigur im CDU-Spendenskandal, beschäftigt seit 15 Jahren die Justiz. Eine Chronologie des Falles.

    Oktober 1995: Nach der Durchsuchung seines Hauses in Kaufering bei Landsberg setzt sich Schreiber nach Pontresina in der Schweiz ab.

    September 1997: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erlässt Haftbefehl wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung.

    März 1999: Schreiber flüchtet mit seinem kanadischen Pass nach Ottawa.

    August 1999: Schreiber wird in Toronto gefasst. Die deutsche Justiz beantragt seine Auslieferung. Gegen eine Kaution von 1,2 Millionen kanadischen Dollar (740 000 Euro) kommt er im September wieder auf freien Fuß.

    März 2000: Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhebt Anklage gegen Schreiber wegen Bestechung, Beihilfe zur Untreue, gemeinschaftlichen Betrugs und Steuerhinterziehung. Er soll dem Fiskus rund zehn Millionen Euro vorenthalten haben.

    Januar 2001: Schreiber weigert sich, ohne die Zusicherung eines freien Geleits zum Prozess nach Augsburg zu kommen. Das Landgericht Augsburg trennt sein Verfahren deshalb von anderen ab.

    Mai 2004: Das höchste Gericht der Provinz Ontario ordnet Schreibers Ausweisung an, er geht in Berufung.

    Juni 2004: Schreiber wird nach kurzer Auslieferungshaft erneut gegen die schon 1999 hinterlegte Millionenkaution freigelassen.

    Juli 2005: Der deutsche Bundesrat beschließt eine Verschärfung der Verjährungsregeln («Lex Schreiber»). Danach ruht die Verjährung von Straftaten, solange sich der Beschuldigte im Ausland aufhält und die deutschen Behörden seine Auslieferung betreiben.

    Februar 2007: Das oberste kanadische Gericht weist Schreibers Einspruch gegen seine Überstellung nach Deutschland ab.

    Juni 2007: Schreiber verklagt Kanada vor einem Bundesgericht in Halifax (Provinz Neuschottland) wegen angeblicher «Rechtsbrüche» auf Schadenersatz von 35 Millionen Dollar. Der Richter weist die Klage ab.

    November 2007: Das Berufungsgericht von Ontario gibt grünes Licht für Schreibers Auslieferung. Schreiber beantragt ein Berufungsverfahren - sein dritter Gang zum Supreme Court. Das Berufungsgericht von Ontario setzt die Auslieferung bis zum Votum des Obersten Gerichtshofs aus.

    Dezember 2007: Schreiber, seit 4. Oktober in Abschiebehaft, wird gegen die inzwischen auf 1,31 Millionen kanadische Dollar erhöhte Kaution vorerst wieder auf freien Fuß gesetzt.

    August 2008: Das Berufungsgericht von Ontario verwirft den vierten Antrag Schreibers gegen seine Auslieferung.

    August 2009: Nach einer letzten Niederlage vor Gericht wird Schreiber nach Deutschland geflogen.

    18. Januar 2010: Vor dem Landgericht Augsburg beginnt das Verfahren gegen Schreiber. Den Vorwurf der Bestechung hat das Gericht wegen Verjährung allerdings aus dem Haftbefehl genommen.

    Mai 2010: Karlheinz Schreiber wird wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das ist eine der höchsten Strafen, die je in Deutschland für dieses Delikt ausgesprochen wurden.

    September 2011: Der Bundesgerichtshof (BGH) hebt das Schreiber-Urteil des Augsburger Landgerichts in Teilen auf. Der Fall muss neu verhandelt werden.

    Mai 2012: Schreiber wird aus der Haft entlassen. Grund dafür ist sein Gesundheitszustand. Anfang März erlitt der 78-Jährige in U-Haft einen Herzinfarkt.

    September 2012: In Augsburg beginnt der Revisionsprozess gegen Schreiber.

    Oktober 2013: Die Staatsanwaltschaft plädiert für zehn Jahre Haft.

    November 2013: Schreiber wird zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

    Die Justiz habe sich mit diesen Details beschäftigt, sei aber nie einer wesentlichen Frage nachgegangen: Warum hat Saudi-Arabien für die Spürpanzer wissentlich 220 Millionen Mark zu viel bezahlt? Und wohin floss dieses Geld?

    Als historisch belegt gilt inzwischen, dass die Saudis einen deutlich überhöhten Preis bezahlten. Nach Schreibers Darstellung taten sie das bewusst. Er nennt es "Geldgeschenke". Es sei um "politische Landschaftspflege" in Deutschland und anderen europäischen Ländern gegangen. Hintergrund sei gewesen, dass Saudi-Arabien unbedingt Leopard-II-Panzer haben wollte, eine Lieferung aber am Widerstand Israels gescheitert sei. Mit dem gewaltigen Betrag sollten laut Schreiber "Widerstände überwunden" werden. Die Firma Thyssen, für die Schreiber damals als Lobbyist arbeitete, sei nur zur Umsetzung des Geschäfts hinzugezogen worden.

    Schreiber: Strauß hatte Zugriff auf das Konto 'Maxwell"

    Schreiber selbst habe das Saudi-Geld dann mithilfe seiner Schweizer Konten weiterverteilt. Er benennt konkrete Summen und Empfänger von CDU, CSU, SPD und FDP. Er hat aber keine Belege. Hinter den Tarnnamen in seinem Kalender, erklärt Schreiber, stünden auch verschiedene politische Richtungen.

    In dem Revisionsprozess in Augsburg geht es um eine mögliche Steuerhinterziehung von rund 7,5 Millionen Euro zwischen 1988 und 1993. Schreiber soll für die Vermittlung von Rüstungsgeschäften hohe Provisionen erhalten haben. 2010 wurde er vom Landgericht

    Von Kiep bis Strauß: Urteile in der Schreiber-Affäre

    Walther Leisler Kiep hatte als CDU-Schatzmeister von Karlheinz Schreiber eine Million Mark als Parteispende entgegengenommen. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Die Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert hatten von Schreiber Schmiergeld kassiert und erhielten Bewährungsstrafen von 24 und 20 Monaten.

    Ludwig-Holger Pfahls: Der Ex-Rüstungsstaatssekretär hat sich von Schreiber mit 3,8 Millionen Mark schmieren lassen. Er wurde zu 27 Monaten Haft verurteilt.

    Max Strauß: Der Politikersohn erhielt 2004 wegen Steuerhinterziehung eine Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Nach der Revision wurde Strauß freigesprochen.

    Dieter Holzer wurde 2008 wegen Fluchthilfe für Pfahls zu neun Monaten Bewährungsstrafe verurteilt.

    Karlheinz Schreiber wurde 2010 wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

    Ein weiteres Mal wurde Ludwig-Holger Pfahls im November 2011 verurteilt. Wegen Bankrotts und Steuerhinterziehung muss der frühere Spitzenpolitiker für viereinhalb Jahre ins Gefängnis.

    Dieter Holzer wurde im November 2011 verurteilt, weil er Pfahls nach Ansicht des Landgerichts Augsburg bei der Steuerhinterziehung half. Aufgrund seiner zwei offenen Bewährungen lautete das Urteil auf dreieinhalb Jahre Haft.

    Karlheinz Schreiber wird 2013 im Revisionsverfahren wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

    Völlig überraschend kommt eine Aussage Schreibers über Politikersohn Max Strauß. Der sei berechtigt gewesen, auf das berühmte Konto "Maxwell" zuzugreifen. Das war einer der Kernpunkte in den Prozessen gegen Max Strauß selbst. 2007 wurde Strauß freigesprochen, eben weil er nach Überzeugung des Gerichts keinen Zugriff auf das "Maxwell"-Konto hatte.

    Dass es wegen der Aussagen Schreibers zu neuen Ermittlungen kommt, scheint momentan sehr unwahrscheinlich.

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