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Polizistenmord: Zeuge der Anklage

Polizistenmord

Zeuge der Anklage

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    Der Tatort im Augsburger Siebentischwald: Nach dem Polizistenmord im Oktober vorigen Jahres wurden dort viele Blumen abgelegt und Kerzen angezündet. Der Prozess gegen die verdächtigen Brüder Raimund M. und Rudi R. beginnt voraussichtlich erst im kommenden Jahr, heißt es in Justizkreisen.
    Der Tatort im Augsburger Siebentischwald: Nach dem Polizistenmord im Oktober vorigen Jahres wurden dort viele Blumen abgelegt und Kerzen angezündet. Der Prozess gegen die verdächtigen Brüder Raimund M. und Rudi R. beginnt voraussichtlich erst im kommenden Jahr, heißt es in Justizkreisen. Foto: Anne Wall

    Der bärtige Mann, der im Saal Nr. 174 auf der Anklagebank sitzt, wirkt bodenständig. Er trägt ein Holzfällerhemd, spricht einen angenehmen fränkischen Dialekt. Man kann sich gut vorstellen, mit ihm ein wenig zu plaudern. Doch Martin D.*, 52, sitzt hier, vor dem Landgericht Augsburg, weil er eine Frau vergewaltigt und bestohlen haben soll. Es ist nicht sein erster Prozess. Er saß jahrelang im Gefängnis, weil er im Alkoholrausch einen Bekannten getötet hat. Martin D. ist Angeklagter. Er ist aber auch ein Zeuge, der im Fall des

    Der Hintergrund: Im März dieses Jahres wird Martin D. in Schweden, wohin er ausgewandert ist, verhaftet. Er wird ausgeliefert und landet im Gefängnis im Augsburger Domviertel. Hier trifft er auch auf Raimund M., 59, der zusammen mit seinem Bruder Rudi R., 57, den Augsburger Polizisten Mathias Vieth ermordet haben soll. Sie sitzen nicht in einer Zelle, sind aber im selben Trakt untergebracht. Die beiden plaudern immer wieder miteinander. Und sie reden auch, so stellte es zumindest Martin D. dar, über den Polizistenmord. In den Gesprächen offenbart Raimund M. angeblich Details aus jener Nacht zum 28. Oktober 2011, in welcher der Polizeihauptmeister im Augsburger Siebentischwald im Kugelhagel stirbt. Doch das ist nicht alles.

    Pläne für eine Geiselnahme – nach dem Vorbild der RAF?

    D. sagt auch, dass Raimund M. ihm Pläne für eine Geiselnahme offengelegt habe. Demnach wollte M. aus dem Gefängnis heraus eine Entführung organisieren, um sich und seinen Bruder Rudi freizupressen. M. habe sich dabei von Methoden der RAF-Terroristen inspirieren lassen, so der Kronzeuge.

    Dass sich Häftlinge mit Geschichten über andere Insassen profilieren wollen, ist Alltag in deutschen Gefängnissen. Meist spekulieren die Häftlinge auf eine bevorzugte Behandlung hinter Gittern und auf ein milderes Urteil. Ist das auch in diesem Fall so? M.s Anwalt Werner Ruisinger ist dieser Ansicht. „Wir gehen davon aus, dass es sich bei dem Zeugen um einen Trittbrettfahrer handelt, der sich durch seine Aussagen Vorteile erhofft“, sagt er. Die Ermittler bewerten die Aussagen von Martin D. allerdings ganz anders. Sie halten ihn für durchaus glaubwürdig und nehmen seine Hinweise ernst. Raimund M. und Rudi R. wurden rasch in andere Haftanstalten verlegt und streng überwacht, um eine mögliche Geiselnahme zu verhindern. Martin D. habe es sich nicht leicht gemacht, wird in Justizkreisen berichtet. Er habe länger darüber nachgedacht, ehe er sich entschied, mit den Ermittlern der zuständigen Soko „Spickel“ zu reden. Versprechen konnten ihm die Ermittler nichts – außer besonderen Schutz im Gefängnis.

    Martin D. muss in seinem eigenen Strafverfahren damit rechnen, dass die Sicherungsverwahrung gegen ihn verhängt wird. Und einen sogenannten „Deal“, also eine Absprache zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung, schließt das Gesetz in solchen Fällen aus.

    Der Prozess gegen die mutmaßlichen Polizistenmörder Raimund M. und Rudi R. wird wohl erst im Januar vor dem Schwurgericht beginnen, ist aus Justizkreisen zu hören. Dann wird wohl auch Martin D. als Zeuge aussagen müssen. Angeblich soll Raimund M. ihm erzählt haben, wie sein Bruder Rudi noch einmal eine Salve aus einer Kalaschnikow abfeuerte, als der Beamte bereits verletzt am Boden lag. Das deckt sich mit den Erkenntnissen der Ermittler. Sie gehen davon aus, dass beide Brüder auf den Polizisten geschossen haben. Beide sind wegen Mordes angeklagt, beide haben im Verhör bisher geschwiegen. *Name geändert

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