Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Polizistenmord: Raimund M.: Der zitternde Angeklagte im Blickpunkt

Polizistenmord

Raimund M.: Der zitternde Angeklagte im Blickpunkt

    • |
    Der Angeklagt Raimund M. spricht im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Augsburg seinem Verteidiger Werner Ruisinger.
    Der Angeklagt Raimund M. spricht im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Augsburg seinem Verteidiger Werner Ruisinger. Foto: Stefan Puchner (dpa)

    Alle Augen sind am Montagnachmittag auf eine Holztür an der Front des Schwurgerichtssaals gerichtet. Um kurz nach 14 Uhr öffnet sich diese Tür. Der Angeklagte Raimund M., 61, wird von vier Männern einer Spezialeinheit der Polizei hereingeführt. Er geht gebückt, seine rechte Hand zittert, das Gesicht schimmert grau. Dieser Mann soll einer der Täter sein, die den Augsburger Polizisten Mathias Vieth, 41, ermordet haben.

    Die Schüsse zerfetzten die Organe des Polizeibeamten, sie zerstörten Rückenmark, Adern, Kniegelenke. Als Staatsanwältin Andrea Eisenbarth den Teil der Anklage verliest, in dem die Verletzungen detailliert beschrieben sind, wird es noch etwas stiller im Saal. Es ist das zweite Mal, dass die Anklage vorgetragen wird. In einem ersten Prozess ist M.s Bruder Rudolf Rebarczyk, 59, zu lebenslanger Haft und Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Raimund M. saß als mutmaßlicher Komplize mit auf der Anklagebank – bis ein Gutachter ihn wegen seiner Parkinsonkrankheit als verhandlungsunfähig einstufte.

    Neuer Gutachter schätzt Gesundheitszustand besser ein

    Am 26. September 2013 war M. zuletzt in dem Gerichtssaal, danach platzte das Verfahren gegen ihn. Inzwischen hat das Gericht einen neuen Gutachter beauftragt. Christian Graz, Oberarzt der psychiatrischen Klinik in Haar bei München, hat M. im Mai gut eine Woche lang beobachtet. Er schätzt seinen Gesundheitszustand viel besser ein.

    Deshalb kommt es jetzt, nach fast einem Jahr Unterbrechung, zum Neustart. Schon vor Prozessbeginn gibt es ein Tauziehen zwischen Raimund M.s Verteidigern und dem Landgericht. Seine Anwälte lehnen das Schwurgericht als befangen ab, weil es bereits M.s Bruder verurteilt hat. Im schriftlichen Urteil wird Raimund M. eindeutig als Mittäter benannt, sein Name taucht über 700 Mal auf. Die Anwälte überziehen das Gericht mit einer Kaskade von Befangenheitsanträgen. Sie lehnen insgesamt zwölf Richter als voreingenommen ab.

    Befangenheitsanträge in letzter Minute abgeschmettert

    Kurz vor dem geplanten Prozessbeginn ist deshalb noch immer unklar, ob das Verfahren starten kann. Doch dann werden die Befangenheitsanträge in letzter Minute abgeschmettert, die schwarz uniformierten Elitepolizisten bringen den Angeklagten aus einer Haftzelle im Keller nach oben. M. trägt einen dunklen Anzug, wie im ersten Verfahren. Er steht auf, als die Richter den Saal betreten. Danach klammert er seine zitternde Hand meist fest an die Stuhllehne. Den Zuschauern wendet er den Rücken zu. Er antwortet knapp auf die Fragen nach seinen Personalien. Seine Stimme klingt verwaschen. Von seiner Ehefrau ist er jetzt geschieden, sagt er.

    Anwalt Werner Ruisinger: "Herr M. ist aus unserer Sicht nicht verhandlungsfähig"

    Und über allem schwebt eine Frage: Wie krank ist dieser gebrechlich wirkende Mann, der ein skrupelloser Mörder und Räuber sein soll, wirklich? Sein Verteidiger Werner Ruisinger sagt, M. habe noch mehr abgebaut. Wenn er spreche, sei er nur schlecht zu verstehen. Komplexe Sachverhalte könne er nicht mehr aufnehmen. Ruisinger kündigt an, dass M.s Gesundheitszustand schon bald wieder ein Thema werden soll. Er sagt: „Herr M. ist aus unserer Sicht nicht verhandlungsfähig.“

    Das Zittern des Angeklagten sieht auch Walter Rubach, Anwalt der Familie des ermordeten Beamten. „Das ist Parkinson“, sagt Rubach. „Wir dürfen uns aber nicht von unserem Mitleid in die Irre führen lassen.“ Für ihn gebe es keine Anzeichen, dass der Angeklagte dem Verfahren nicht folgen könne. Am Donnerstag soll der Prozess mit einem ersten Zeugen, einem Polizisten, weitergehen. Auch Diana K., die Streifenpartnerin des getöteten Beamten, will im Lauf des Prozesses aussagen. Sie wurde leicht verletzt, ist aber traumatisiert. Derzeit werde sie erneut behandelt und könne nicht arbeiten, sagt ihre Anwältin Marion Zech. Raimund M. möchte nichts zu den Vorwürfen sagen. Seit der Verhaftung Ende 2011 schweigt er – wie sein Bruder.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden