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Polizistenmord-Prozess: Zweimal lebenslange Haft - Zwei versaute Leben

Polizistenmord-Prozess

Zweimal lebenslange Haft - Zwei versaute Leben

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    Zwei Brüder, zwei Mörder: Rudolf Rebarczyk und Raimund Mayr (rechts) haben sich im Gerichtssaal zum letzten Mal gesehen.
    Zwei Brüder, zwei Mörder: Rudolf Rebarczyk und Raimund Mayr (rechts) haben sich im Gerichtssaal zum letzten Mal gesehen. Foto: Archivfoto: Fred Schöllhorn

    Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich ein Wunsch von Erika Langner erfüllt: Raimund Mayr soll seinen Bruder Rudolf Rebarczyk nie wieder sehen – so wie sie ihren Bruder Mathias Vieth nie mehr sehen kann. Denn er ist tot. Erschossen, das ist mit dem Augsburger Urteil festgestellt, von Mayr, 61, und Rebarczyk, 59. Die beiden sitzen nun lebenslang im Gefängnis. Die unzertrennlichen Brüder sind wieder in ihrem Schicksal vereint. Es bleibt allerdings eine entscheidende Frage: Wie konnte es bei

    Rudolf Rebarczyk ist bereits verurteilter Polizistenmörder

    Denn obwohl die Männer in fester Bruderliebe zusammenstehen, haben sie doch wesentliche Teile ihres Lebens getrennt und völlig unterschiedlich verbracht. Rudolf Rebarczyk hat schon als Jugendlicher und Heranwachsender Straftaten begangen. Im Alter von 19 Jahren dann der erste Tiefpunkt: In einem gestohlenen Auto überfällt er mit einem Komplizen eine Landsberger Kaserne und raubt dem Wachposten seine Waffe. Vermutlich planen die Männer einen weiteren Überfall, als sie an der

    Rebarczyk erschießt den Polizeibeamten Bernd-Dieter Kraus und wird im Jahr darauf zu lebenslanger Haft verurteilt. Er sitzt in der JVA Straubing, hat Kontakt zu Terroristen der Rote Armee Fraktion und beteiligt sich an einer Knastrevolte. Er wird nach Bruchsal verlegt. Es sollte fast 20 Jahre dauern, bis er wieder freikommt.

    Raimund Mayr führt ein Leben als Familienmensch

    Sein älterer Bruder heiratet, seine Frau wird Standesbeamtin in Friedberg. Raimund nimmt sogar ihren Namen an, vielleicht, um den belasteten Familiennamen nicht mehr zu führen. Die beiden bauen sich eine bürgerliche Existenz auf, ziehen eine Tochter groß. Er arbeitet als Metzger, treibt viel Sport und wird ein hervorragender Tennisspieler. Der ehrenwerte Tennisclub

    Bis zu seiner Verhaftung Ende 2011 führt Mayr nach außen hin ein geregeltes Leben. Nur ein Vorfall ist verbürgt, der aus heutiger Sicht einiges erklärt: Am frühen Morgen des 31. Mai 1974 machen sich drei junge Männer auf den Weg ins Augsburger Stadtzentrum. Zuvor haben sie sich Teile zum Bau eines Schneidbrenners zusammengestohlen. Nun klettern sie über eine Mauer und machen sich daran, eine Metalltür zu öffnen. Sie wollen in das Waffengeschäft Günther einbrechen.

    Das Vorhaben scheitert. Die Polizei erwischt einen der Männer. Er packt aus, alle werden verurteilt. Zwei der Männer waren die Brüder Rebarczyk. Man kann aus heutiger Sicht fragen, warum sie sich schon damals Waffen besorgen wollten. Weil sie sich mit Raubüberfällen ihren Lebensunterhalt verdienen wollten?

    Brüder kommen früh mit Kriminalität in Kontakt

    Wie auch immer, Fakt ist, dass Raimund Mayr offenbar in der Zeit, in der sein Bruder im Gefängnis sitzt keine Straftaten begeht. Doch dann kommt der Tag der Freilassung, an dem er Rudolf vor der JVA abholt. War es der Tag, an dem sich Mayrs Leben wieder drehte? Und wenn ja, warum? Hatte er nicht die Kraft, seinem dominanten Bruder zu widerstehen? Schaffte er es nicht zu sagen: Ich mache nicht mehr mit, ich führe jetzt ein ordentliches Leben. Erst als der Bruder aus dem Knast ist, beginnt Raimund Mayr, seine Frau zu betrügen. Sie hat sich inzwischen scheiden lassen, erwartet aber noch ein Verfahren.

    Der Psychiater Christian Graz vom Klinikum Haar sagte in seinem Gutachten, es habe unter den Brüdern eine stark ausgeprägte Loyalität gegeben. Loyal bis hin zur lebenslangen Gefängnisstrafe? Im Tennisclub soll Raimund Mayr einmal gesagt haben, er liebe zuallererst seinen Bruder und erst dann seine Frau und seine Tochter. Konnte der ruhig wirkende Mayr sich seines aggressiv auftretenden Bruders nicht erwehren?

    Brüder planten bei Polizistenmord weiteren Überfall

    Fast scheint es so. Der 61-Jährige, das kann nach dem Urteil des Augsburger Schwurgerichts als sicher gelten, hat ein Dreifachleben geführt: Das der bürgerlichen Existenz mit Frau und Tochter; das mit einer deutlich jüngeren Geliebten; und das als Schwerverbrecher mit seinem Bruder. Mindestens vier brutale Raubüberfälle, schwer bewaffnet, haben Mayr und Rebarczyk begangen und dabei hunderttausende Euro erbeutet. Und dann kam die Nacht des 28. Oktober 2011. Nach Überzeugung der Ermittler und des Gerichts haben sich die Brüdern an einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee getroffen. Sie steigen auf ein Motorrad der Marke Honda, das sie in Ingolstadt gestohlen haben. Rebarczyk hat einen schwarzen Seesack umhängen. Darin: Zwei Kalaschnikow-Schnellfeuergewehre und zwei Pistolen. Die beiden planen einen Überfall. Da werden sie von einer Polizeistreife überrascht.

    Sie geben Gas, die Polizeibeamten Mathias Vieth und Diana K. nehmen die Verfolgung auf. Die halsbrecherische Fahrt führt über den Hochablass in den Siebentischwald. Rebarczyk und Mayr stürzen, sie werden eingeholt. Mathias Vieth steigt aus dem Auto und ruft „Stehenbleiben, Polizei!“. Versteckt hinter Bäumen und Büschen eröffnet Raimund Mayr das Feuer aus einer Pistole der Marke FEG. Vieth schießt zurück, dann wird er getroffen. Diana K. wird am Rücken erwischt. Die Kugel geht Richtung Rückenmark, trifft aber das Reservemagazin. K. setzt im Auto einen Notruf ab.

    Anwalt beschreibt Mord an Polizist Mathias Vieth als Hinrichtung

    Währenddessen geht Rebarczyk zum schwer verletzten Mathias Vieth und richtet ihn mit einer Salve von fünf Schüssen aus der Kalaschnikow förmlich hin. „Er hat sich diese Hinrichtung gegönnt“, sagt Diana K.’s Anwältin Marion Zech. Denn um den Seesack zu holen, an dem Blutspritzer von Vieth haften, und die Flucht zu sichern, seien diese Schüsse nicht mehr notwendig gewesen.

    Zwei Monate später werden die beiden Brüder verhaftet. Für Rudolf Rebarcyzk markiert diese Oktobernacht das Ende eines Lebens in Freiheit. Der Berufsverbrecher wird den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen. Raimund Mayr hat durch seine Parkinson-Krankheit noch eine theoretische Chance auf Freiheit. Aber was für eine Freiheit ist das? Als schwerkranker, möglicherweise pflegebedürftiger Mann. Ohne Zuhause. Völlig isoliert. Raimund Mayr wird einsehen müssen, dass er sein Leben versaut hat.

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