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Polizistenmord-Prozess: Verteidiger von Raimund M.: „Es hätte nicht so weit kommen müssen“

Polizistenmord-Prozess

Verteidiger von Raimund M.: „Es hätte nicht so weit kommen müssen“

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    Der geplatzte Prozess gegen den mutmaßlichen Polizistenmörder Raimund M. bewegt die Menschen.
    Der geplatzte Prozess gegen den mutmaßlichen Polizistenmörder Raimund M. bewegt die Menschen. Foto: Fred Schöllhorn

    Der geplatzte Prozess gegen den mutmaßlichen Polizistenmörder Raimund M. bewegt die Menschen. Wir haben M.s Verteidiger Werner Ruisinger und Adam Ahmed befragt. Sie haben schriftlich geantwortet.

    Wie erklären Sie sich, dass Ihr Mandant so dramatisch abgebaut hat?

    Ruisinger/Ahmed: Herr M. war nach einer richterlichen Anordnung nahezu 15 Monate in sogenannter Isolationshaft. Dadurch wird jedweder Kontakt zu anderen Mitgefangenen und Beschäftigungsformen verweigert. Aufgrund von Expertenmeinungen ist die

    Es gibt zahlreiche Auswirkungen der Isolationshaft, unter anderem führt eine lang andauernde Isolierung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Wahrnehmung und der kognitiven Leistungsfähigkeit. Die angeordnete Isolationshaft hat dazu geführt, dass bei Herrn M. Verhandlungsunfähigkeit diagnostiziert wurde. Bis zum Hinweis der Verteidigung am 26. September auf die erhebliche gesundheitliche Verschlechterung aufgrund der Isolationshaft hat es keine Überprüfungsmechanismen seitens der Justiz zu Dauer und Folgen der angeordneten Isolationshaft bei Herrn M. gegeben.

    Das Platzen des Prozesses ist also eine Folge der Isolationshaft?

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    Der Prozess um den Mord am Polizisten Mathias Vieth ist eines der größten Verfahren am Landgericht Augsburg gewesen. Die Bildergalerie zeigt seine Protagonisten.

    Ruisinger/Ahmed: Die Aussetzung des Verfahrens ist die rechtliche Folge der festgestellten Verhandlungsunfähigkeit. Wie der gerichtliche Sachverständige bestätigte, erfolgte weder in der JVA Straubing noch in der JVA M.nchen die vom Sachverständigen in einem „10-Punkte-Plan“ verordnete ärztliche Versorgung. So wurde Herrn

    Hätte es eine Chance gegeben, den Prozess regulär fortzuführen?

    Ruisinger/Ahmed: Hätte man den vom gerichtlichen Gutachter zur Wiederherstellung seiner Verhandlungsfähigkeit verordneten „10-Punkte-Plan“ vom 30. September zeitnah und vollständig umgesetzt, hätte eine Chance bestanden, den Prozess innerhalb der einzuhaltenden Fristen fortzusetzen. Auf die Einhaltung und sofortige Umsetzung hatte die Verteidigung von Anfang an und sieben Mal schriftlich gedrängt. Sowohl Herr M., als auch die Verteidiger wollten dadurch die Durchführung des Gerichtsverfahrens sichern. Daher wurde auch und sogar von der Verteidigung – obwohl dies nicht deren Aufgabe wäre – eine Therapeutin im Hinblick auf die vom Gutachter verordnete Gesprächspsychotherapie organisiert, weil die Justizvollzugsanstalten hierzu kurzfristig nicht in der Lage waren. Auch Herr M. hat sich zur Verbesserung seines Gesundheitszustands sofort damit einverstanden erklärt.

    Wäre es theoretisch denkbar, dass Ihr Mandant seinen Zustand simuliert?

    Ruisinger/Ahmed: In der Erläuterung seiner Gutachten hat der gerichtliche Sachverständige Dr. Schulte, der Facharzt für Neurologie sowie Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, forensische Psychiatrie sowie zertifizierter Gutachter der Deutschen Gesellschaft für neurowissenschaftliche Begutachtung ist, auch auf die vom Gericht gestellte Frage, ob es denn theoretisch denkbar wäre, dass der Angeklagte M. seinen Zustand nur simuliere, ausgeführt, dass dies aufgrund von mehr als 20 Stunden Begutachtung und circa 100 verschiedener Testverfahren ausgeschlossen werden könne.

    Dieses Ergebnis wurde weder von der Nebenklage noch von der Staatsanwaltschaft jemals infrage gestellt. Zu keinem Zeitpunkt haben die

    Der Anwalt der Witwe von Mathias Vieth, Walter Rubach, fürchtet dennoch, dass der Gutachter getäuscht worden sein könnte.

    Ruisinger/Ahmed: Die Verteidigung kann nicht nachvollziehen, wenn durch den Nebenklägervertreter Rubach erst jetzt ausschließlich gegenüber der Presse Aussagen hierzu erfolgen und Zweifel angemeldet werden, unabhängig davon, dass der Anwalt nicht einmal eine Begründung hierzu liefert. Noch dazu, weil er selbst am 13. November im entscheidenden Termin beim Landgericht Augsburg nicht einmal anwesend war.

    Warum die von ihm geäußerte – nicht begründete – Kritik nicht gegenüber dem richtigen Adressaten, nämlich dem Landgericht Augsburg erfolgte, ist für die Verteidigung ebenso wenig nachvollziehbar. Die Verteidigung sieht daher keine Veranlassung auf dessen unsachliche und von Vorurteilen und Unkenntnis behaftete Stimmungsmache einzugehen.

    Hat das Gericht richtig entschieden?

    Ruisinger/Ahmed: Ja. Das Gericht hat sich dem Sachverständigen nach eigener kritischer Prüfung angeschlossen und die Verhandlungsunfähigkeit festgestellt.

    Wie soll es nun weiter gehen?

    Ruisinger/Ahmed: Im Vordergrund steht die Gesundheit des Betroffenen, um ein rechtsstaatswürdiges Verfahren zu gewährleisten.

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