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Polizistenmord-Prozess: Raimund M. - ein Mann ist am Ende

Polizistenmord-Prozess

Raimund M. - ein Mann ist am Ende

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    Krank, isoliert, in Haft: Der mutmaßliche Polizistenmörder Raimund M. ist in einer Situation, die wenig Hoffnung bietet.
    Krank, isoliert, in Haft: Der mutmaßliche Polizistenmörder Raimund M. ist in einer Situation, die wenig Hoffnung bietet. Foto: Ulrich Wagner

    Drehen wir die Zeit doch einfach mal um drei Jahre zurück. Mitte Oktober 2011. Da muss das Leben für Raimund M., 61, doch noch ganz in Ordnung gewesen sein. Die Parkinson-Krankheit ist zwar schon ausgebrochen und die Ehe mit seiner Frau ist durch ein Verhältnis zu einer Jüngeren getrübt. Doch M. erfreut sich an beinahe täglichen Spaziergängen mit seinem Bruder Rudolf Rebarczyk. Und die verhängnisvolle Nacht, in der die beiden den Augsburger Polizeibeamten Mathias Vieth erschossen haben sollen, ist noch zwei Wochen entfernt.

    Am Mittwoch betritt ein gebückter Raimund M. den Augsburger Schwurgerichtssaal. Seine rechte Hand zittert stark. Er trägt jetzt Bart und Brille. Fünf groß gewachsene Polizisten in schwarzer Uniform bewachen ihn. Der 61-Jährige wirkt wie ein gebrochener Mann.

    33 Monate in Untersuchungshaft, davon etliche Monate in Isolation, haben ihre Spuren hinterlassen. Seinen geliebten Bruder wird M. womöglich nie wieder sehen. Rebarczyk ist bereits wegen Polizistenmordes verurteilt worden. Er sitzt in Landshut im Gefängnis. M. in München-Stadelheim. Besuch erhält der 61-Jährige nach Informationen unserer Zeitung nicht mehr. Seine Frau, eine Standesbeamtin aus Friedberg, hat sich nach fast 40 Jahre Ehe scheiden lassen. Auch gegen sie läuft noch ein Ermittlungsverfahren. Es ruht aber bis zum Ende der Hauptverfahren. Der Kontakt zur Tochter, die ebenfalls im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen ihren Vater verurteilt wurde, ist ebenfalls abgebrochen. Und die Geliebte ist auch weg.

    Nun nimmt auch der zweite Prozess um den Polizistenmord nach anfänglichen Scharmützeln Fahrt auf. Das Landgericht Augsburg hat alle sechs Befangenheitsanträge gegen etliche Richter abgeschmettert. M.s Verteidiger hatten kritisiert, dass ihren Mandanten kein faires Verfahren erwarte, weil sich die

    Denn über dem Verfahren schwebt auch dieses Mal wieder das Damoklesschwert der Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten. Die Parkinson-Erkrankung schreitet bei Raimund M. voran. Am Mittwoch bittet M. nach eineinhalb Stunden um eine Pause. Sein Verteidiger Werner Ruisinger sagt: „Nach meiner Beobachtung baut unser Mandant gesundheitlich immer mehr ab.“

    Raimung M., zu krank, um den Prozess zu verfolgen

    Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth

    Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.

    Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.

    Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.

    Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.

    Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.

    Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.

    Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.

    Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.

    Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.

    Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.

    Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.

    Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.

    Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.

    Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.

    Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.

    Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.

    Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.

    Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.

    August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.

    Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.

    21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".

    August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.

    September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.

    November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.

    Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.

    September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.

    Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.

    Genau aus diesen gesundheitlichen Gründen war der Prozess gegen Raimund M. im November vergangenen Jahres geplatzt. Ein Gutachter hatte ihm bescheinigt, dass er zu krank sei, um den Prozess weiter mit der erforderlichen Aufmerksamkeit zu verfolgen.

    Nun vertritt zwar der neue Gutachter bislang eine ganz andere Meinung, aber wer kann schon sagen, wie sich die psychischen und körperlichen Belastungen im weiteren Verlauf des Prozesses auf M. auswirken? Würde der Prozess erneut platzen, gilt als sicher, dass der mutmaßliche Polizistenmörder aus rechtlichen Gründen auf freien Fuß gesetzt werden müsste.

    Prozessbeobachter sind sicher, dass das Thema „Gesundheitszustand“ wieder auf die Tagesordnung kommen wird. Das kann auch damit zu tun haben, dass die bisher bekannten Indizien in der Gesamtschau Raimund M. stark belasten. Stärker sogar als seinen Bruder. In der Sache dürfte es also für die Verteidiger schwierig werden, zu punkten.

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    Im Oktober 2011 wurde der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth im Dienst erschossen. Die beiden Täter werden später verurteilt.

    Krank, isoliert, inhaftiert: Mitte Oktober 2014 befindet sich Raimund M. in einer Lebenssituation, die wenig Hoffnung bietet. Wäre es nicht an der Zeit, reinen Tisch zu machen? Diese Frage kann nur der Angeklagte selbst beantworten. Bislang aber gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass Raimund M. reden will.

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