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Polizistenmord: Augsburger Polizistenmörder sind am Ende

Polizistenmord

Augsburger Polizistenmörder sind am Ende

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    Abschied für immer? Die beiden Polizistenmörder Rudolf Rebarczyk (vorne) und Raimund Mayr sind jetzt beide rechtskräftig wegen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
    Abschied für immer? Die beiden Polizistenmörder Rudolf Rebarczyk (vorne) und Raimund Mayr sind jetzt beide rechtskräftig wegen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Foto: Ulrich Wagner (Archiv)

    Die Schwester vom getöteten Polizisten Mathias Vieth hatte am letzten Prozesstag einen Wunsch: Die beiden Brüder, die den Augsburger Polizisten ermordet haben, sollen sich nie wieder sehen – so wie sie ihren toten Bruder nie mehr sehen kann. Das würde sie als gerechte Strafe empfinden. Es sieht so aus, als ob dieser Wunsch in Erfüllung geht.

    Denn beide Urteile gegen die Polizistenmörder Rudolf Rebarczyk, 60, und Raimund Mayr, 62, sind jetzt rechtskräftig. Nach Informationen unserer Redaktion hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 4. Februar 2016 die Revision von Raimund Mayr als unbegründet verworfen.

    Mit einem einzigen Satz hat der BGH den Versuch des Polizistenmörders, das Urteil vom März 2015 anzufechten, zurückgewiesen. Mayr war zu lebenslanger Haft verurteilt worden, und das Augsburger Schwurgericht hatte festgestellt, dass seine Schuld besonders schwer wiegt. Juristisch ist der Mordfall Vieth, der die Bevölkerung über Jahre hinweg in Atem gehalten hat, damit nun beendet.

    Polizistenmord: Das geschah am 28. Oktober 2011 im Augsburger Stadtwald

    Denn Mayrs Bruder ist bereits seit Februar 2015 rechtskräftig wegen Mordes verurteilt. Bei Rebarczyk kommt eine dramatische Besonderheit hinzu: Er hatte als junger Mann schon im Jahr 1975 in Augsburg einen Beamten erschossen, den Polizeiobermeister Bernd-Dieter Kraus. Das Schwurgericht hatte gegen Rebarczyk wegen dieser Vorgeschichte zusätzlich zur Haft die Sicherungsverwahrung verhängt, weil es ihn für gemeingefährlich hält.

    Die beiden Brüder haben den Polizeibeamten Mathias Vieth am 28. Oktober 2011 nach einer wilden Verfolgungsjagd im Augsburger Stadtwald mit Schnellfeuergewehren erschossen. Der 41-jährige Vieth und seine Streifenkollegin wollten die Brüder zuvor auf einem Parkplatz kontrollieren und überraschten sie wohl bei der Vorbereitung eines Raubüberfalls. Vieths Kollegin wurde angeschossen.

    Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth

    Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.

    Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.

    Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.

    Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.

    Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.

    Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.

    Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.

    Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.

    Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.

    Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.

    Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.

    Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.

    Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.

    Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.

    Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.

    Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.

    Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.

    Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.

    August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.

    Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.

    21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".

    August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.

    September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.

    November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.

    Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.

    September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.

    Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.

    Zwei Monate später wurden die Brüder verhaftet. Im Februar 2014 verurteilte das Schwurgericht Rudolf Rebarczyk zur Höchststrafe. Der Prozess gegen seinen Bruder musste neu aufgerollt werden, weil es dem Angeklagten unter anderem wegen seiner Parkinson-Erkrankung schlecht ging.

    Bundesgerichtshof sieht keine Fehler im Verfahren

    Am 5. März vergangenen Jahres fiel dann auch das Urteil gegen Raimund Mayr. Der Vorsitzende des Schwurgerichts, Christoph Wiesner, nannte den Polizistenmord ein „ungeheuerliches Verbrechen“, das die Bevölkerung in besonderer Art bewegt habe. Die Indizienkette gegen den 61-Jährigen sei „erdrückend“ gewesen. Wiesner attackierte die beiden Verteidiger Adam Ahmed und Werner Ruisinger heftig. Die hatten zuvor aus Protest keine inhaltlichen Plädoyers gehalten und sprachen stattdessen von einem „unfairen und nicht rechtsstaatlichen Verfahren“. Ihr Mandant sei bereits verurteilt gewesen, bevor der Prozess begonnen habe. Das Gericht sei befangen gewesen.

    Mit dieser Frage hat sich auch im Besonderen die 1400 Seiten starke Revisionsbegründung der Anwälte befasst. Doch der Bundesgerichtshof sieht offenbar keine Fehler im Urteil und im Verfahren. Rechtsanwalt Walter Rubach, der die Witwe des ermordeten Polizisten im Prozess als Nebenkläger vertreten hatte, sagte am Freitag auf Anfrage unserer Redaktion: „Es war zu erwarten, dass die Revision keinen Erfolg hat. Wir sind froh, dass jetzt Rechtsfrieden herrscht und dass die Familie Vieth endlich Ruhe finden kann.“ Auch Marion Zech, die Anwältin der angeschossenen Polizistin, zeigte sich höchst zufrieden.

    Gewalttaten an Polizisten in Deutschland

    Oktober 2000: In der Nähe von Erlangen schießt ein entflohener Häftling auf zwei Polizisten. Ein 31-jähriger Beamter stirbt und sein gleichaltriger Kollege wird schwer verletzt.

    Juli 2002: Zwei Polizisten werden in Bonn-Bad Godesberg auf der Straße niedergeschossen. Ein 40 Jahre alter Beamter stirbt, sein Kollege erleidet schwere Verletzungen.

    März 2006: Ein Räuber schießt in Berlin einen Zivilfahnder nieder, der ihn kontrollieren wollte. Der 42-Jährige stirbt vier Tage später.

    April 2007: In Heilbronn wird die 22 Jahre alte Polizistin Michèle Kiesewetter mit einem Kopfschuss tot neben ihrem Dienstwagen gefunden. Ihr Kollege überlebt schwer verletzt. Beide Beamten waren Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU).

    März 2010: Ein Spezialeinsatzkommando (SEK) will in Anhausen in die Wohnung eines Mitglieds der «Hells Angels» eindringen. Der Mann feuert durch die geschlossene Tür und trifft einen Beamten tödlich.

    Oktober 2011: Der Augsburger Streifenpolizist Matthias Vieth wird nach einer Verfolgungsjagd erschossen. (dpa)

    Polizeihauptmeister Mathias Vieth war 41, als er im Dienst getötet wurde. Der beliebte und engagierte Beamte hinterließ eine Frau und zwei Söhne. Einer der beiden jungen Männer hat sich nach Informationen unserer Zeitung trotz des Schicksals seines Vaters dafür entschieden, als Polizist für Recht und Gesetz einzutreten. Fabian Vieth absolviert zurzeit eine zweieinhalbjährige Ausbildung bei der Bereitschaftspolizei in Königsbrunn. Im Sommer wird er ausgebildeter Polizeibeamter sein.

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