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Polizei: Immer weniger Corona-Verstöße in Bayern – weil die Politik es so will?

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Immer weniger Corona-Verstöße in Bayern – weil die Politik es so will?

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    Polizisten patrouillieren durch den Englischen Garten in München. Zehntausende Male wurde in Bayern gegen die Corona-Auflagen verstoßen.
    Polizisten patrouillieren durch den Englischen Garten in München. Zehntausende Male wurde in Bayern gegen die Corona-Auflagen verstoßen. Foto: Matthias Balk, dpa

    Zehn Schlagworte sind es, die den Arbeitsalltag der bayerischen Polizei derzeit bestimmen. In Kategorien, die von "Verbot Menschenansammlung" bis zu "Maskenpflicht" reichen, sortiert das Landeskriminalamt (LKA) die Verstöße gegen die Corona-Auflagen der Staatsregierung ein. Und das waren in den zwei Monaten seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen am 21. März einige: Wie aktuelle Zahlen des bayerischen Innenministeriums zeigen, hat die Polizei bis zum 23. Mai rund 60.000 Verstöße registriert. So weit, so abstrakt. Doch wie haben sich die Zahlen entwickelt? Wie steht es um die Disziplin der Bayern? Wie sind Trends zu erklären? Ein genauerer Blick in die Statistik und interne Dokumente liefert Aufschluss.

    Am 20. März verkündete Bayerns Ministerpräsident Markus Söder weitreichende Ausgangsbeschränkungen, die am folgenden Tag in Kraft treten sollten. Nur im Ausnahmefall durften die Bayern ihren Wohnort verlassen, Menschenansammlungen waren verboten, die Gastronomie wurde komplett heruntergefahren. Wie Zahlen des bayerischen Innenministeriums zeigen, die unserer Redaktion vorliegen, hielten sich die Bayern zunächst weitgehend an die Verordnung. Bis zum 28. März registrierte die Polizei knapp 6000 Verstöße – in der Woche danach waren es schon fast doppelt so viele. In den darauffolgenden sieben Tagen stieg die Zahl weiter an, auf dann knapp 14.000 Verstöße pro Woche.

    Corona-Verstöße: Die Zahl nimmt ab, die Disziplin auch - wie passt das zusammen?

    Seit der dritten Woche der Ausgangsbeschränkungen geht es kontinuierlich bergab – mit der Zahl der Verstöße (am langen Pfingstwochenende waren es nur noch rund 750), dem subjektiven Eindruck nach aber auch mit der Disziplin der Menschen.

    Wie passt das zusammen? Ein wichtiger Grund sind die schrittweisen Lockerungen in Bayern. Ab dem 20. April war es etwa kein Verstoß mehr, Kontaktpersonen neben der eigenen Familie oder Mitgliedern des eigenen Hausstandes zu treffen. Es ist eine einfache Rechnung: Wenn mehr erlaubt ist, gibt es weniger, gegen das man verstoßen kann. Also geht die Zahl zurück. Soweit die Lesart des bayerischen Innenministeriums.

    Ein Schreiben des Innenministeriums vom 13. Mai deutet darauf hin, dass möglicherweise mehr hinter dieser Entwicklung steckt – und zwar auch politischer Wille. Das Schreiben war an alle Landratsämter und kreisfreie Städte adressiert, wurde aber auch an die Polizeipräsidien verschickt. Sein Inhalt: „Vollzugshinweise zum Versammlungsrecht in Zeiten der Corona-Pandemie“. Dabei weist das Innenministerium an mehreren Stellen explizit auf die Verhältnismäßigkeit hin, mit der die Polizei im Umgang mit Versammlungen vorgehen solle. Zum Beispiel heißt es: „Im Hinblick auf Menschenansammlungen ist durch die Polizei anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob der Einzelne sich durch sein Verhalten der Versammlung als Teilnehmer anschließt. Etwaige hierdurch verursachte Auflagenverstöße sind unter besonderer Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips entsprechend zu unterbinden."

    Die Polizei kontrolliert weniger - auch, weil es die Politik so will?

    Für Peter Schall, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, sprechen diese Zeilen eine klare Sprache: „Wenn das Ministerium als oberste Dienstbehörde besonders auf die Verhältnismäßigkeit hinweist, dann bedeutet das für unsere Kolleginnen und Kollegen, dass man nur besonders schwere Verstöße beanstandet“, erklärt Schall gegenüber unser Redaktion. Heißt: Die Polizei sollte weniger kontrollieren. Dass die Zahl der Kontrollen tatsächlich stark zurückgegangen sei, bestätigt Schall. Dabei habe die Disziplin der Menschen Beobachtungen zufolge eher nachgelassen. Das könne an den Lockerungen liegen, aber auch an den unterschiedlichen Vorschriften von Bundesland zu Bundesland. „So etwas macht es für meine Kolleginnen und Kollegen nicht leichter, die Einhaltung der Vorschriften zu kontrollieren und Beanstandungen durchzuführen.“

    Welches Interesse hätte das Innenministerium daran, dass weniger kontrolliert wird? Eine Erklärung wäre die Kritik, die die teils strikte Umsetzung der Verordnung in mehreren Einzelfällen hervorrief. So galt es zunächst als verboten, alleine auf einer Parkbank ein Buch zu lesen oder in einer Werkstatt die Reifen wechseln zu lassen. Prompt folgte der Vorwurf, manche Maßnahmen gingen zu weit.

    Auf Anfrage widerspricht das Innenministerium, es habe weniger Kontrollen angewiesen: „Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden und die Polizei sind nicht gehalten, weniger zu kontrollieren oder nur schwerwiegende Verstöße zu ahnden.“ Die Polizei werde „auch weiterhin konsequent gegen entsprechende infektionsschutzrechtliche Verstöße vorgehen“. Die Maßnahmen, die sie ergreifen werde, um Gefahren zu unterbinden und Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen, seien „verhältnismäßig“.

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