Streit

Politiker drücken sich vor Abstimmungen: Was ist erlaubt?

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    Beate Merk sitzt für die CSU im Landtag und im Neu-Ulmer Kreistag.
    Beate Merk sitzt für die CSU im Landtag und im Neu-Ulmer Kreistag. Foto: Horst Hörger (Archiv)

    Alles in allem hat sich die Staatsform der repräsentativen Demokratie in Deutschland doch ganz gut bewährt, oder? Wir wählen Volksvertreter und die entscheiden dann in Parlamenten eigenverantwortlich. So weit die Theorie. Denn manchmal, wenn eine unangenehme Entscheidung ansteht oder ein Politiker wegen Interessenkonflikten in der Zwickmühle ist, drücken sich die Volksvertreter vor einer Entscheidung. Eine besonders beliebte Variante, um sich der Abstimmung zu entziehen, ist, blitzartig zum Bieseln zu gehen. Nicht schön für die repräsentative Demokratie. Aber dürfen die das überhaupt?

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    Ein prominenter Fall von Abstimmungsverweigerung beschäftigt derzeit das Landratsamt Neu-Ulm. Dort in Westschwaben gibt es seit Jahren eine hitzige Debatte um den sogenannten Nuxit: Die Stadt-Neu-Ulm möchte aus dem Landkreis austreten und kreisfreie Stadt werden. Der Landkreis will das nicht. Im Kreistag stand nun eine entscheidende Abstimmung über diesen Nuxit an. Doch als es soweit war, packte Beate Merk rasch ihre Sachen und verließ den Sitzungssaal. Zuvor hatte sie erklärt, sie halte die Sache noch nicht für entscheidungsreif.

    Merk sitzt in der Klemme. Sie war früher Bürgermeisterin von Neu-Ulm, jetzt ist sie Kreisrätin und Landtagsabgeordnete. Der Kreistag wollte eine offizielle Stellungnahme des Landkreises absegnen, in der es unter anderem heißt: Der Kreistag „...bittet die zuständigen Stellen sowie den Bayerischen Landtag, den Antrag auf Kreisfreiheit abzulehnen“. Merk tut sich mit der Entscheidung schwer. Ihre Lösung: Abhauen statt abstimmen. Geht das?

    Kreis-, Stadt- und Gemeinderäte stehen da vor einem Problem: Im Gegensatz zu Landtagsabgeordneten müssen sich Kommunalpolitiker zwischen Ja und Nein entscheiden. Sie dürfen sich nicht der Stimme enthalten. So ist es in der Landkreisordnung und der Gemeindeordnung geregelt. Wer sich dieser Verpflichtung entzieht, dem droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250 Euro. Während das Landratsamt Neu-Ulm den Fall Beate Merk nun prüft, ließ die CSU-Abgeordnete verlauten, sie stehe zu ihrem Abgang. Sie habe immer gesagt, sie entscheide erst, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen. Sie warte in aller Ruhe die Entscheidung ab und werde diese „selbstverständlich respektieren“. Merks Gelassenheit ist vielleicht auch damit zu erklären, dass eine Strafe von 250 Euro sie finanziell eher nicht ins Verderben stürzen würde. Andererseits ist der Image-Schaden für sie nicht zu unterschätzen. Die Kollegen im Kreistag waren mehrheitlich jedenfalls irritiert über ihr Verhalten.

    Landratsamt Augsburg verbietet Stadträten die "Flucht"

    In einem ähnlichen Fall schon zu einem Urteil gekommen: Sie hat den Stadträten von Königsbrunn eine „Abstimmungsflucht“ verboten. Dort hatten im Juli mehrere Stadträte den Saal verlassen, weil ihnen zum weiteren Vorgehen auf dem Areal der früheren Königstherme ein Finanzierungsvorschlag fehlte. Die Rechtsaufsicht hat diese Art von Stimmenthaltung im Zuge von Meinungsverschiedenheiten für nicht zulässig erklärt. Das sei nur im Falle eines „echten Gewissenskonfliktes“ möglich.

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