Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Immenstadt: Pfarrer erhält Strafbefehl - weil er Kirchenasyl gewährt hat

Immenstadt

Pfarrer erhält Strafbefehl - weil er Kirchenasyl gewährt hat

    • |
    Reza Jafari ist aus Afghanistan geflohen. Er bekam Kirchenasyl in der evangelischen Erlöserkirche in Immenstadt. Das Pfarrersehepaar Marlies und Ulrich Gampert unterstützte ihn.
    Reza Jafari ist aus Afghanistan geflohen. Er bekam Kirchenasyl in der evangelischen Erlöserkirche in Immenstadt. Das Pfarrersehepaar Marlies und Ulrich Gampert unterstützte ihn. Foto: Sibylle Mettler

    Er sei nicht unbedingt ein großer Kämpfer, sagt Ulrich Gampert. „Aber jetzt muss es halt so sein.“ Der evangelische Pfarrer aus Immenstadt hat als erster Pfarrer in Bayern einen Strafbefehl erhalten, weil er einem abgelehnten Asylbewerber Kirchenasyl gewährte. Wegen „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“ verhängte das Amtsgericht Sonthofen jetzt eine Geldstrafe von 4000 Euro (40 Tagessätze à 100 Euro). In Absprache mit der Landeskirche wird Gampert gegen den

    Kirchenasyl: Erstmals kommt es zum Strafprozess gegen einen Pfarrer

    Damit wird es erstmals zu einem Strafprozess gegen einen Pfarrer wegen Kirchenasyls in Bayern kommen. Genügend Rückhalt hat der Immenstädter Geistliche. „Pfarrer Gampert hat meine volle Solidarität“, erklärte gestern Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Auch Dekan Jörg Dittmar steht voll hinter Gampert: „Das ist nicht akzeptabel. Ich bin entsetzt, dass Nächstenliebe derart kriminalisiert wird.“

    Das evangelische Pfarrersehepaar Marlies und Ulrich Gampert gewährt einem 22-jährigen Afghanen über ein Jahr lang Zuflucht in der Immenstädter Erlöserkirche. Reza Jafari, der gut deutsch spricht, integriert ist und eine Ausbildungsstelle in Aussicht hat, sollte nach Afghanistan zurückgeschickt werden. Aus dem Land war seine Familie geflüchtet, als Jafari vier Jahre alt war. Vergangene Woche verließ Jafari das Kirchenasyl, nachdem der Petitionsausschuss des bayerischen Landtags zugesichert hatte, dass er sechs Monate nicht abgeschoben wird. Zuvor hatten mehr als 77.000 Menschen eine Petition gegen die Abschiebung unterschrieben. Trotzdem erhielt jetzt auch der 22-Jährige einen Strafbefehl über 900 Euro (90 Tagessätze à zehn Euro) wegen „unerlaubten Aufenthalts“.

    Laut Landeskirchenamt gibt es derzeit in der evangelisch-lutherischen Kirche Bayerns 33 Fälle von Kirchenasyl. Ulrich Gampert ist demnach der erste Pfarrer, der strafrechtlich verfolgt wird. „Bislang wurden die Verfahren gegen Kirchenasylverantwortliche immer eingestellt“, heißt es von der Landeskirche. Die Kirche sei bereit, bei dem Prozess die Rechtsanwalts- und Verfahrenskosten zu übernehmen. Aber eine etwaige Geldstrafe „kann nicht aus Kirchensteuermitteln gezahlt werden“.

    Die Frage ist: Ist Kirchenasyl zu gewähren eine Straftat?

    Das findet Pfarrer Gampert auch in Ordnung. Es sei vielleicht sogar wichtig, „jetzt vor Gericht klären zu lassen, ob Kirchenasyl eine Straftat ist oder nicht. Auch für die anderen Kirchen in Bayern, die Verfolgten Asyl gewähren“, sagt der 64-Jährige. Damit sei der Prozess eine Art Präzedenzfall. Von seiner Gemeinde und den Kollegen erhalte er jedenfalls viel Zuspruch. Ein Mann sei nach der Messe auf ihn zugekommen und habe ihm versichert, „er würde für mich ins Gefängnis gehen, wenn man mich einsperrt“.

    Anfangs sei es „ein merkwürdiges, ungutes Gefühl gewesen, in unserem Rechtsstaat einer Straftat bezichtigt zu werden“, sagt der Pfarrer. Jetzt sehe er die Sache gelassener. „Aber ich weiß nicht, wie es dann ist, schließlich stehe ich zum ersten Mal vor Gericht.“

    Für Dekan Jörg Dittmar ist der Strafbefehl nicht nachvollziehbar. Denn zum einen habe die Immenstädter Gemeinde nicht leichtfertig, sondern erst nach sorgsamer Abwägung Zuflucht gewährt. Zum anderen seien alle relevanten Behörden, zuvorderst das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie das Landratsamt, über das Asyl und die persönlichen Daten von Jafari informiert worden – „und das binnen der ersten Stunde“.

    Es gehe auch nicht darum, dass die Kirche der „bessere Staat“ sein wolle, sagt Dittmar: „Kirchenasyl ist letztendlich doch nur die Bitte an den Staat, einen Fall nochmals unter humanitären Gesichtspunkten zu prüfen.“ Wenn diese Bitte dann, wie jetzt erstmals geschehen, bestraft werde, sei das „entsetzlich“. Dies gelte auch für den Strafbefehl, den der junge Afghane erhalten hat. „Das bedrückt mich, denn diese 900 Euro sind eine massive Bürde für seine Zukunft.“ Möglicherweise gelinge es nun, dem 22-Jährigen durch Spenden zu helfen.

    Kirche will nicht aufhören "Nächstenliebe zu üben"

    Ungeachtet der Strafverfolgung würden evangelische Pfarrer und Gemeinden im Einzelfall weiterhin Asyl gewähren. „Wir werden mit der neuen Lage leben. Und wir werden nicht aufhören, Nächstenliebe zu üben.“ Dann zitiert Dittmar die Apostel-Geschichte: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Dittmar verweist dabei auch auf Bayerns früheren Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der Pfarrern im August 2017 öffentlich Schutz versprochen hatte: Kirchenasyl dürfe kein Fall für die Justiz sein.

    Das bayerische Justizministerium will sich zu dem Strafbefehl nicht äußern. Eine Sprecherin verweist aber darauf, dass Kirchenasyl laut Urteil des Oberlandesgerichtes München vom Mai 2018 „kein anerkanntes Rechtsinstitut in unserer Rechtsordnung“ sei. Kirchenasyl sei nur dann straffrei, wenn die Vereinbarung mit dem BAMF eingehalten werde. Diese Einschätzung quittiert Dittmar mit einem Kopfschütteln: „Wir haben alles getan, was gefordert wurde.“

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden