Auf dem Grabstein der kleinen Peggy Knobloch in Nordhalben (Landkreis Kronach) steht: „Wer nicht an Engel glaubt, der ist dir nie begegnet.“ Im Grabstein ist ein Foto der Neunjährigen eingelassen, drumherum sind Rosen eingraviert. Das Problem an diesem Grab: Es ist leer. Peggys Mutter hat es 2005 eingerichtet, einfach, um einen Ort zum Trauern zu haben. Denn ihre 2001 verschwundene Tochter wurde nie gefunden. Seit Montag ist alles anders. Polizei und Staatsanwaltschaft sind sicher: Bei dem Skelett, das ein Pilzsammler am Samstag in einem Waldstück gefunden hat, handelt es sich um die sterblichen Überreste von Peggy. Doch der Fall steckt weiter voller Fragen.
Was macht die Ermittler so sicher, dass es Peggys Knochen sind?
Bayreuths Leitender Oberstaatsanwalt Herbert Potzel sagte am Montagnachmittag, es handle sich „höchstwahrscheinlich“ um Peggys Überreste. Das ergebe sich aus den bisherigen rechtsmedizinischen Untersuchungen und am Fundort entdeckten Gegenständen. Ein DNA-Test steht zwar noch aus, aber offenbar spricht bislang alles dafür, dass es sich um Peggys Skelett handelt. Welche Gegenstände gefunden wurden, sagen die Ermittler noch nicht. Peggy hatte bei ihrem Verschwinden einen Schulranzen bei sich, trug eine Trainingsjacke ihres Sportvereins TSV Lichtenberg und hatte eine rothaarige Barbiepuppe dabei.
Unter welchen Umständen verschwand Peggy?
Peggy wurde zuletzt am 7. Mai 2001 nach Schulschluss lebend gesehen. Viele Zeugen waren Kinder, die Aussagen widersprüchlich. Das erschwerte die Ermittlungen. Zwei Jungs versicherten zum Beispiel, sie hätten Peggy in ein Auto mit tschechischem Kennzeichen einsteigen sehen.
Warum wurde Peggys Leiche bisher nicht gefunden?
Nach dem Verschwinden des Mädchens begann eine riesige Suchaktion rund um Lichtenberg, bei der sogar Tornado-Flugzeuge mit Wärmebildkameras zum Einsatz kamen. Hundertschaften der Polizei durchsuchten Wälder und Höhlen. Ohne Erfolg. Das Waldgebiet, in dem nun das Skelett gefunden wurde, liegt 15 Kilometer von Peggys Heimatort Lichtenberg entfernt. Laut Polizei wurde es wohl damals nicht durchsucht – weil es zu weit weg war.
Was verrät Peggys Skelett über ihren Tod?
Seit Samstag werden die Überreste in der Rechtsmedizin in Jena untersucht. Die Experten können anhand der Knochen herausfinden, auf welche Weise das Mädchen sterben musste und welche Tatwerkzeuge verwendet wurden. Teile des Hals-skeletts können zum Beispiel verraten, ob ein Opfer erdrosselt oder erwürgt wurde. Löcher in der Schädeldecke würden darauf hindeuten, dass das Opfer erschlagen wurde. Möglicherweise werden schon heute weitere Ergebnisse dieser Untersuchungen feststehen.
Warum wurde zuerst der falsche Täter verurteilt?
Vermisste Kinder - bekannte Fälle
Mehr als 100.000 Kinder und Jugendliche werden nach Angaben der "Initiative Vermisste Kinder" allein in Deutschland jährlich als vermisst gemeldet - in den allermeisten Fällen tauchen sie wieder auf. Doch manche Schicksale wie das der Schülerin Peggy aus Oberfranken bleiben lange ungeklärt.
Am 2. Mai 2015 verschwand die fünfjährige Inga aus Schönebeck in Sachsen-Anhalt. Inga war zum Holzsammeln in den Wald gegangen und kehrte nicht zurück. Direkt nach ihrem Verschwinden durchsuchten 1000 Helfer mehrere Tage lang ein Waldstück. Die Ermittler fahnden bundes- und europaweit nach Inga.
Neun Jahre nach dem mysteriösen Fall gibt es noch immer keine Spur von Madeleine McCann aus Großbritannien. "Maddie" verschwand im Alter von drei Jahren im Mai 2007 aus der Ferienwohnung in Portugal, während die Eltern im Restaurant waren.
Am 7. Mai 2001 verschwindet die neunjährige Peggy aus dem oberfränkischen Lichtenberg auf dem Heimweg von der Schule. 2016 wird sie tot gefunden.
Im Januar 1999 verschwindet die zehnjährige Hilal in Hamburg. Bis heute fehlt von dem türkischen Mädchen jede Spur. Auch im Fernsehen wurde mehrfach nach dem Kind gefahndet - bisher ohne Erfolg.
Fast 19 Jahre nach dem Verschwinden der elfjährigen Seike aus Nordfriesland geht die Polizei Anfang 2012 einer neuen Spur nach und durchsucht ein Waldstück - vergeblich.
Schnell haben sich die Ermittler damals auf den geistig behinderten Ulvi Kulac aus Peggys Nachbarschaft eingeschossen. Er gestand schließlich auch, Peggy aufgelauert zu haben, um sich für einen vorangegangenen sexuellen Missbrauch zu entschuldigen. Da sei die Situation eskaliert. Kulac wurde 2004 wegen Mordes verurteilt. Erst viele Jahre später stellte sich heraus, dass bei den polizeilichen Ermittlungen nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war. Die Ermittler hatten den geistig Minderbemittelten regelrecht ausgetrickst und derart unter Druck gesetzt, dass er gestand. 2014 wird Kulac in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen.
Welche Chancen gibt es, Peggys Mörder nach so langer Zeit noch zu finden?
Die Ermittler haben sofort ihren Fokus auf die Tätersuche gerichtet, eine „Soko Peggy“ wurde eingerichtet. Sie hoffen auf den Erfolg, der so lange verwehrt war. So wurde zum Beispiel erfolglos ein Grundstück umgegraben und ein anderes Grab geöffnet. Ermittlungsverfahren gegen drei Verdächtige – unter anderem einen verurteilten Kinderschänder – wurden mangels Beweisen eingestellt. Doch angesichts des Skelettfundes werden alle alten Akten wieder geöffnet.