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Peggy Knobloch: Fall Peggy: Kommt es zu einem neuen Prozess?

Peggy Knobloch

Fall Peggy: Kommt es zu einem neuen Prozess?

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    Der Fall der vermissten Peggy bleibt brisant. Nach einem Wiederaufnahmeantrag, einer Grabungsaktion und einem neuen Tatverdächtigen scheint ein neuer Prozess möglich.
    Der Fall der vermissten Peggy bleibt brisant. Nach einem Wiederaufnahmeantrag, einer Grabungsaktion und einem neuen Tatverdächtigen scheint ein neuer Prozess möglich. Foto: David Ebener, dpa

    Als die Polizei Ende April 2013 eine große Durchsuchungsaktion im Örtchen Lichtenberg im äußersten Norden Bayerns startete, war die Aufregung groß. Dort ist 2001 das damals neunjährige Mädchen Peggy spurlos verschwunden. 2004 wurde Ulvi K., ein geistig behinderter Gastwirtssohn, als ihr Mörder verurteilt. Obwohl längst offiziell Recht gesprochen wurde, bleibt der Fall jedoch brisant. Mehr als ein Jahrzehnt später wird immer noch gesucht und ermittelt.

    Bürgerinitiative meldet als Erste Zweifel an

    Es war zunächst eine Bürgerinitiative, die lautstark Zweifel am Urteil anmeldete. Denn im Fall Peggy gibt es bis heute keine Leiche: dem geistig zurückgebliebenen Mann wäre also "das perfekte Verbrechen" gelungen. Nach der Tatversion des Gerichts hätte Ulvi an jenem Nachmittag im Mai das damals neun Jahre alte Mädchen rennend verfolgen und töten müssen. Ulvi K. ist allerdings ein schwergewichtiger junger Mann, der sich nur sehr langsam bewegt.

    2012 startete die Staatsanwaltschaft Bayreuth eigene Ermittlungen in dem Fall. Für Michael Euler, den Anwalt von Ulvi K., ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Justiz auch nicht mehr an Ulvis Schuld glaubt. Der Wiederaufnahmeantrag gestellt. Euler hat zahlreiche Zeugen aufgeboten, die sagen, Peggy auch nach dem vom Gericht festgelegten Todeszeitpunkt noch gesehen zu haben. Er wirft den damaligen Ermittlern zahlreiche Pannen vor und hat die Aussage eines damaligen Belastungszeugen, der widerrufen hat. Euler ist daher überzeugt: "Ulvi war es nicht."

    Der Fall Peggy

    07. Mai 2001: Die neunjährige Peggy aus dem oberfränkischen Lichtenberg wird letztmalig auf dem Heimweg von der Schule gesehen. Ihre alleinerziehende Mutter gibt noch am Abend eine Vermisstenanzeige auf. Wochenlange Suchaktionen - unter anderem mit Tornados der Bundeswehr - bleiben ohne Erfolg.

    August 2001: Der geistig behinderte Gastwirtssohn Ulvi K. wird festgenommen. Er gesteht, sich an Peggy und drei weiteren Kindern sexuell vergangen zu haben.

    22. Oktober 2002: Die Ermittler präsentieren den 24-jährigen Gastwirtsohn als mutmaßlichen Mörder der spurlos verschwundenen Schülerin.

    28. Februar 2003: Die Staatsanwaltschaft Hof erhebt Anklage wegen Mordes.

    07. Oktober 2003: Vor dem Landgericht Hof beginnt der Prozess. Nach fünf Verhandlungstagen platzt er wegen einer fehlerhafter Besetzung der Strafkammer.

    11. November 2003: Das Verfahren beginnt erneut.

    30. April 2004: Nach 26 Verhandlungstagen wird Ulvi K. wegen Mordes an Peggy zu lebenslanger Haft verurteilt.

    17. September 2010: Ein wichtiger Belastungszeuge hat seine Aussage widerrufen und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden.

    19. Juli 2012: Die Staatsanwaltschaft Bayreuth kündigt eigene Prüfungen an.

    04. April 2013: Der Anwalt Michael Euler beantragt beim Landgericht Bayreuth die Wiederaufnahme des Falls.

    22. April 2013: Die Polizei sucht wieder nach Peggys Leiche. Hinweise führen die Ermittler zu einem Anwesen mitten in Lichtenberg. Knochen in einer Sickergrube stammen aber nicht von Peggy-

    21. November 2013: Ein Mann aus Halle in Sachsen-Anhalt ist ins Visier der Ermittler gerückt. Er war ein enger Freund von Peggys Familie und gilt für die Staatsanwaltschaft mittlerweile als Tatverdächtiger. Sein Elternhaus wird durchsucht.

    09. Dezember 2013: Das Landgericht Bayreuth ordnet die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Ulvi K. an.

    08. Januar 2014: Auf dem Friedhof Lichtenberg öffnen die Ermittler ein Grab - sie vermuten, dass im Zuge einer Beerdigung im Mai 2001 Peggys Leiche dort abgelegt worden sein könnte. Doch es gibt laut Staatsanwaltschaft keine Hinweise auf die sterblichen Überreste eines Kindes in dem Grab.

    02. April 2014: Der im Fall Peggy zuständige Staatsanwalt wird auf eigenen Wunsch ausgewechselt. Er hatte einem neuen Verdächtigen bei einer Vernehmung den Anwalt verweigert.

    10. April 2014: Prozessauftakt im Wiederaufnahmeverfahren gegen Ulvi K. vor dem Landgericht Bayreuth.

    07. Mai 2014: Das Landgericht Bayreuth beendet die Beweisaufnahme aus Mangel an Beweisen nach nur sechs Verhandlungstagen vorzeitig.

    14. Mai 2014: Ulvi K. wird freigesprochen.

    Die Staatsanwaltschaft hat im November erklärt, sie werde sich einer Wiederaufnahme nicht verschließen. Damit ist nun das Landgericht Bayreuth am Zug. Der Leitende Oberstaatsanwalt Herbert Potzel weist allerdings regelmäßig darauf hin, dass Ulvi derzeit gar nicht die Gefängnisstrafe für den Mord absitzt: Er befinde sich vielmehr wegen des sexuellen Missbrauchs an Kindern in einer psychiatrischen Klinik.

    Ein neuer Tatverdächtiger in Halle

    Und dann ist da noch die Spur nach Halle in Sachsen-Anhalt. Ein enger Freund von Peggys Familie aus dieser Stadt stand schon 2001 im Visier der Ermittler, doch man konnte ihm offenkundig nichts nachweisen. Womöglich hat sich das nun geändert. Er gilt inzwischen als Tatverdächtiger, sein Elternhaus ist durchsucht worden. Weitere Details will Oberstaatsanwalt Potzel nicht nennen. Der Verdächtige sitzt derzeit wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Gefängnis.

    Grabungsaktion bleibt erfolglos

    Keinen Erfolg brachte eine groß angelegte Aktion in Lichtenberg selbst. Knapp eine Woche lang nahmen die Ermittler ein Anwesen am Marktplatz auseinander. Sie gruben sogar den Innenhof auf. Man habe Hinweise, dass dies der "Leichenablageort" sein könnte, sagte ein Polizeisprecher damals. Kurzzeitig wurde es spannend, als tatsächlich Knochenteile gefunden wurden. Aber die Staatsanwaltschaft schränkte ein: Das könnten auch die Überreste eines ehemaligen Friedhofs auf dem Gelände sein. Inzwischen weiß man: Die Knochen stammen nicht von Peggy. Das Rätselraten und die Spekulationen gehen somit weiter. (dpa)

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