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Ursula Herrmann-Prozess: Pannen prägten die Ermittlungen

Ursula Herrmann-Prozess

Pannen prägten die Ermittlungen

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    Ursula Herrmann-Prozess am Augsburger Landgericht.
    Ursula Herrmann-Prozess am Augsburger Landgericht.

    Von Holger Sabinsky Nur eines ist sicher nach dem sechsten Prozesstag: Gute Ermittlungsarbeit hätte im Fall der getöteten Ursula Herrmann anders aussehen müssen.

    Nach den Aussagen einiger Polizeibeamter drängt sich ein unangenehmer Verdacht auf: Dass es erst nach 27 Jahren zu einer Anklage und einem Prozess kam, liegt auch an einer Mischung aus Versäumnissen, Schlampereien und Eifersüchteleien in den Ermittlungsgruppen. Einige Beispiele:

    Spurensicherung Schon am Tatort sind offenbar übliche Vorsichtsmaßnahmen außer Acht gelassen worden. Ein Polizist berichtete, dass sich die Beamten wegen der vielen Gegenstände in Ursulas Kistengrab eines Erfolges sicher waren. "Sie haben fast schon siegestrunken Grundregeln der Spurensicherung missachtet", so Walter Rubach und Wilhelm Seitz, die Verteidiger des Hauptangeklagten Werner M. (58).

    Spuren verschwinden An der Stelle, wo Ursulas Fahrrad gefunden worden war, wurden Gipsgüsse von Schuhabdrücken gemacht. Die Gipsabgüsse sind verschwunden, in den Akten finden sich keine Hinweise, ob sie einem Verdächtigen zugeordnet wurden. Eine Harke mit frischen Lehm-Anhaftungen, die unweit der Kiste gefunden worden war, wurde erst Jahre später auf Fingerabdrücke und andere Spuren hin untersucht. Wenig überraschend, dass nach so langer Zeit nichts mehr gefunden wurde.

    Ermittler-Streit Ein Hauptproblem waren heftige Differenzen innerhalb der Sonderkommission "Herrmann": Der erste Chefermittler Joachim S. - von Kollegen als "eigenmächtig" und wenig teamfähig beschrieben - ist bis heute überzeugt, dass Werner M. der Täter war. Eine "lupenreine Sache" sei das gewesen. Warum er damals keinen Haftbefehl gegen M. beantragt hat, konnte er nur unzureichend erklären.

    Als das Polizeipräsidium München den Eindruck hatte, dass die Ermittlungen ins Stocken geraten sind, wurden die "fünf Weisen" geschickt, eine Truppe von höchst erfahrenen Ermittlern. Im Laufe der Jahre wurde mehr und mehr die Spur des zweiten Hauptverdächtigen, des Ex-Polizisten Harald W., verfolgt. Es kam zum heftigen Streit zwischen einem "Weisen" und dem Chefermittler. Joachim S. wurde als Erster Sachbearbeiter abgelöst.

    Walter Rubach spricht von einem "aberwitzigen Verfahren". Die Pannen bieten den Verteidigern reichlich Anlass, die Ermittlungsergebnisse und damit die Anklage in Zweifel zu ziehen. Erfolgreich lenken sie damit von der wesentlichen Frage des Prozesses ab: War Werner M. Ursulas Entführer?

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