Die Corona-Krise stellt Bayern vor immer größere finanzielle Herausforderungen. Die wirtschaftlichen Folgen des Lockdown, wegbrechende Exporte, Kurzarbeit und Jobabbau spülen auch deutlich weniger Steuereinnahmen in die Kassen des Freistaats und seiner Städte und Gemeinden. Die bayerische Staatsregierung entschloss sich deshalb zu einem drastischen Schritt und rückt vom einer zentralen Maxime ihrer Haushaltspolitik ab: Die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse soll zumindest im kommenden Jahr ausgesetzt werden.
Wie Finanzminister Albert Füracker erklärte, drohen dem Freistaat bis 2022 Steuerverluste von knapp zwölf Milliarden Euro – ein historischer Einbruch "In dieser Situation wäre es unredlich zu sagen, Bayern müsse keine Kredite aufnehmen", sagte der CSU-Minister. Zwar sei der wirtschaftliche Einbruch nicht so gravierend wie noch im Mai befürchtet, es handle sich aber mit Abstand um den stärksten der vergangenen Jahrzehnte. "Wir dürfen uns nichts vormachen: Das ist eine gewaltige Summe und eine große Herausforderung." Eine endgültige Entscheidung über die Schuldenaufnahme falle nach der nächsten Steuerschätzung im November.
Steuerschätzer: 2020 gehen die Steuern um 4,2 Milliarden Euro zurück
Allein für das laufende Jahr gehen die Steuerschätzer von einem Rückgang von 4,2 Milliarden Euro aus. 2021 liege das Minus bei rund vier Milliarden, 2022 bei weiteren 3,6 Milliarden Euro. Bayern steuert damit auf die größten Steuerverluste seit dem Zweiten Weltkrieg zu.
Trotz der finanziellen Einbußen betonte Füracker, die Staatsregierung halte an ihren Zusagen für die laufende Wahlperiode fest. Bei Investitionen solle nicht gespart werden. Projekte wie die Hightech-Agenda wolle man sogar beschleunigen, um Konsum und Binnenkonjunktur anzukurbeln. Steuererhöhungen seien kein Thema. "Das wäre in der jetzigen Lage der absolut falsche Weg. Wir müssen alles dafür tun, dass die Wirtschaft in Schwung kommt." Er rechne aber damit, dass die konjunkturelle Erholung "eher zäh" verlaufen werde. Die Steuerverluste in diesem Jahr sind laut Füracker vom 20 Milliarden schweren Sonderfonds "Corona" komplett abgedeckt. Bislang seien daraus rund 14 Milliarden Euro reserviert, unter anderem auch für Hilfsprogramme. "Ausschöpfen will ich den Sonderfonds aber nicht."
Wegen der Corona-Krise: Müssen Städte und Gemeinde Investitionen stoppen?
Während die Staatsregierung mit neuen Schulden verhindern will, dass die Corona-Krise geplante Investitionen gefährdet, könnte dies in den kommenden Jahren möglicherweise einige Städte und Gemeinden treffen. In den kommenden Jahren fehlen ihnen bayernweit eine Milliarde Euro bislang einkalkulierte Gewerbesteuereinnahmen pro Jahr.
Springen Bund und Freistaat nicht weiterhin mit Nothilfen ein, droht den Kommunen dabei ein Finanzschock mit Verzögerung: Derzeit, so ist aus den Rathäusern zu hören, korrigieren viele Unternehmen wegen eines Sondereffekts ihre Gewerbesteuerzahlungen trotz Umsatzeinbrüchen kaum nach unten: Denn, wenn sie erst kommendes Jahr Verluste und Mindereinnahmen geltend machen, erhalten sie auf zuviel bezahlte Abgaben sechs Prozent Zinsen – in der aktuell schwierigen Lage für manche Firmen eine willkommene Mehreinnahme. So dürfte für viele Kommunen frühestens kommendes Jahr das Ausmaß der Belastungen klar sein.
"Der Freistaat lässt seine Kommunen in der Krise nicht im Stich", verspricht jedoch Finanzminister Füracker. So bleibe der Kommunale Finanzausgleich auf einem Rekordniveau von über zehn Milliarden Euro. "Daneben erhalten die bayerischen Gemeinden vom Freistaat gemeinsam mit dem Bund für die Gewerbesteuermindereinnahmen im laufenden Jahr einen pauschalen Ausgleich in Milliardenhöhe."
Tatsächlich handelt es sich bei Steuerschätzung vor allem um eine Korrektur früher erwarteter, zusätzlicher Einnahmen. Unter dem Strich erwartet das Finanzministerium, dass die kommunalen Steuereinnahmen 2021 knapp unter dem Vorkrisenwert liegen.
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