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Olympia-Attentat: München im Jahr 1972: 21 Stunden Terror

Olympia-Attentat

München im Jahr 1972: 21 Stunden Terror

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    Ein Bild, das um die Welt ging: Ein Terrorist spricht auf einem Balkon des Münchner Olympiadorfs mit Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (3. von links) und dem bayerischen Innenminister Bruno Merk (zweiter von rechts).
    Ein Bild, das um die Welt ging: Ein Terrorist spricht auf einem Balkon des Münchner Olympiadorfs mit Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (3. von links) und dem bayerischen Innenminister Bruno Merk (zweiter von rechts). Foto: Foto: dpa

    Das Stadion. Die Eröffnungsfeier. Medaillen und olympische Fackeln. Bruno Merk eilt wortlos an ihnen vorbei, nur kurz bleibt er an den Plänen des Olympiaparks stehen. „Da war ich damals auch beteiligt“, sagt der 89-Jährige – und ist schon weiter gegangen. Die Sommerspiele von München hat der Günzburger nur noch schwach in Erinnerung. Geblieben sind davon praktisch nur jene 21 Stunden Terror, auf die er jetzt, fast 40 Jahre später, in der Ausstellung „

    Jene 21 Stunden, die kaum jemand so intensiv und hautnah miterlebt hat, wie der damalige bayerische Innenminister. Er, der mit den Terroristen verhandelte, der im Hubschrauber den Attentätern und ihren Geiseln voraus nach Fürstenfeldbruck flog und der jenen Schusswechsel beobachtete, der in der Katastrophe endete. Merk war mittendrin, vom frühen Morgen des 5. September 1972, als ihn ein Anruf der Polizei weckte, bis zum bitteren Ende auf dem Flughafengelände. „Sie müssen in dieser Funktion als Minister immer selbst vor Ort sein und sich ein Bild von der Lage machen“, sagt der Politiker.

    Auf der Stellwand der Ausstellung in Ichenhausen steht ihm jetzt sein 40 Jahre jüngeres Selbst gegenüber, auf einem Foto, das um die Welt ging: Bruno Merk, Hans-Dietrich Genscher und Polizeipräsident Manfred Schreiber auf dem Balkon in der Conollystraße. Ihnen gegenüber ein Mann mit Hut und Maschinenpistole – der Anführer der acht palästinensischen Terroristen des „Schwarzen September“, die zu diesem Zeitpunkt neun Mitglieder der israelischen Mannschaft gefangen halten. Zwei weitere wurden schon getötet. „Der erhobene Zeigefinger, das war die typische Haltung für ihn, das hat er dauernd gemacht. Immer der Zeigefinger oben, wenn er mit uns sprach.“ Merk steht auf dem Bild dem Mann mit der Waffe am nächsten. Angst zeigt er keine. „An Angst kann ich mich nicht erinnern. Es hätte denen ja nichts gebracht, mir etwas anzutun“, sagt der 89-Jährige heute, der sich damals als Ersatz-Geisel für die israelischen Sportler angeboten hatte. Die Geiselnehmer lehnten ab. „Leider. Das hätte uns vielleicht vieles erspart.“ Stattdessen wurde weiter mit dem Anführer verhandelt – und das offenbar in fast gespenstischer Gelassenheit. „Das waren durchaus in Ruhe geführte Gespräche“, sagt Merk. „Ich habe einmal gefragt: ,Was nützt es Ihnen denn, wenn Sie jetzt hart bleiben, Sie kommen lebend nicht weg. Sie geraten bestenfalls in Gefangenschaft.‘ Die Antwort war sehr gelassen und gefasst: ,Uns holen unsere Brüder wieder raus.‘ Die waren sich ihrer Sache sehr, sehr sicher.“

    Hilfe aus Israel hätten die Verhandlungsführer in München damals nicht bekommen. „Wir bekamen über Genscher den Bescheid, dass sich die israelische Regierung nicht bereitfinden kann, mit Terroristen zu verhandeln. Und dass sie erwarten, dass Deutschland die Problemsituation bereinigt.“

    Auf einem Monitor in der Ausstellung sieht Merk sich über das Gelände laufen, während Scharfschützen in Trainingsanzügen auf dem Gelände Position beziehen – der Anfang des Scheiterns der Geiselbefreiung. Die Terroristen sahen genau diese Bilder damals live auf dem Fernseher in der Wohnung der Israelis. Viel ist damals schiefgelaufen, auch weil man nicht auf einen Anschlag vorbereitet war, sagt Bruno Merk heute. „Wir haben doch damals in Deutschland nicht mit Terror gerechnet.“

    Der Anschlag, da ist sich der CSU-Politiker sicher, war kein Attentat auf Deutschland oder auf die Olympischen Spiele – „das war reiner Zufall, dass die Situation eben gerade in München war und ein Angriff auf die Israelis möglich“. Bei den stundenlangen Verhandlungen des Krisenstabs hatte Merk, so schildert er es heute, neben der Sorge um die gefangenen Sportler stets auch den Antrieb der Terroristen vor Augen. „Das Verhalten der Israelis, was die Neuordnung in Palästina angeht, war alles andere als klug. Wenn ich Menschen das Lebensrecht abspreche und sie dahinvegetieren lasse, wie es den Palästinensern widerfahren ist, dann wird ihr Kampf nachvollziehbar. Ohne diese wenig menschenfreundliche Behandlung der Israelis wären wir nicht in diese Situation gekommen.“

    Auf dem Miniatur-Modell des Olympiageländes am Eingangsbereich der Ausstellung fährt Merk mit dem Finger jenen Weg nach, der zum finalen Schauplatz der Katastrophe führte: „Hier sind wir in die Hubschrauber eingestiegen, der Strauß hat sich dann auch noch mit reingepflanzt. Der musste ja unbedingt mit.“ In Fürstenfeldbruck angekommen, wurde dem Innenminister schnell klar, dass die Nacht ein blutiges Ende finden würde. „In dem Moment, als die Anführer aus dem leeren Flugzeug stiegen und auf die

    Zwei Stunden dauerte die Schießerei auf dem Flughafen, bei der alle neun Geiseln, fünf der Terroristen und ein Polizist starben. Dann waren die 21 Stunden des Terrors in München vorüber. Was blieb, waren die Vorwürfe gegen die Polizei und den Innenminister, denen Versagen vorgeworfen wurde. „Es gab damals noch keine Spezialeinheiten wie die GSG 9 – diese ist erst nach den Erfahrungen von München gegründet worden. Merk hatte seinen Rücktritt angeboten, doch Ministerpräsident Goppel lehnte ab. „Wir haben das gemacht, was in unseren Kräften stand und was wir für richtig und notwendig gehalten haben“, sagt Merk noch, bevor er die Ausstellung verlässt. Heute Abend zur Eröffnung wird er wieder kommen.

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