Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) haben am Dienstag das diesjährige Oktoberfest in München wegen der Corona-Pandemie abgesagt. Darauf reagieren die Wiesnwirte mit großem Bedauern: "So eine Absage berührt uns vor allem auch emotional", sagt der Sprecher der Münchner Wiesnwirte, Peter Inselkammer, am Dienstag, "die Wiesn ist für uns Wirte der Höhepunkt des Jahres, das Ereignis, auf das man lange hinarbeitet. Eine echte Herzensangelegenheit!" Thomas Geppert, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, stimmt zu: "Bayern wird dieses Jahr ein wichtiges Stück Lebensglück fehlen."
Trotzdem sei es logisch und notwenig, das Volksfest abzusagen. "Die Gesundheit unserer Gäste liegt uns besonders am Herzen und hat oberste Priorität", sagt Inselkammer. Ähnlich äußerte sich Wiesnchef Clemens Baumgärtner (CSU): "Oberste Prämisse muss sein, dass vom größten Volksfest der Welt keine gesundheitliche Gefahr für die Gäste ausgehen darf." Diese Meinung herrscht auch im Netz bei Wiesnbesuchern vor: "Aus is und gar is, und schad ist, dass´s wahr ist! Die einzig richtige Entscheidung. Freuen wir uns auf einem umso schönere Wiesn 2021", schreibt eine Twitter-Nutzerin.
Wiesnwirte sind gegen ein "Oktoberfest-light"
Ein Volksfest in der Dimension der Münchner Wiesn ist auch für Wirtesprecher Christian Schottenhamel in den Zeiten der Corona-Pandemie nicht vorstellbar. Auch nicht in einer alternativen Form: "Abgesehen von den massiven Schwierigkeiten, entsprechende Kontakt-Beschränkungen zu kontrollieren, wenn Alkohol im Spiel ist, lebt doch unsere Wiesn von der Geselligkeit und vom gemeinsamen Feiern."
Von A wie Anstich bis Z wie Zapfenstreich: Das Wiesn-ABC
A wie Anstich: Um Punkt zwölf Uhr sticht der Münchner Oberbürgermeister am ersten Wiesn-Samstag in der Anzapfboxe im Schottenhamel-Zelt das erste Fass an und ruft: "O'zapft is!"
B wie Bier und Brezn: Bilden eine Art Corporate Identity des Festes. Kein Wiesn-Plakat kommt ohne Bilder von Brezn und Bierkrügen aus.
C wie Camping: Ein Hotspot ist während des Festes der Campingplatz in Thalkirchen. Vorzugsweise Australier leben dort in Zelten. In Campern kommen die Italiener, sie parken gern nah am Festgelände. Mancher stand nach dem Bierzeltbesuch schon ohne Schlafplatz da - abgeschleppt.
D wie Dirndl: Gibt es billig rund ums Festgelände. Mit Landhausmode hatte der Trachtenhype begonnen und über untraditionelle Minidirndl zuletzt zu einem etwas gehobeneren Stil geführt. Insider meinen allerdings: Die Pracht der Tracht verblasst langsam wieder.
E wie Essen: Wagenladungen davon werden verzehrt. Mehr als hundert Ochsen, fast 60 Kälber, gut 360.000 Hendl und mehr als 28 Tonnen gebrannte Mandeln verspeisten hungrige Gäste 2016.
F wie Flirten: Flirten gehört zur Wiesn wie Brezn, Bier und Blasmusik.
G wie Gspusi: Klappt es mit dem Flirten, hat man - für mindestens einen Abend - ein Gspusi.
H wie Hügel: Im Winter fahren Kinder mit dem Schlitten hinunter, zur Wiesn-Zeit geht es auf dem Hügel hinter den Zelten nicht gerade jugendfrei zu. Paare kommen sich näher, Wiesngäste erleichtern ihre Blase oder ihren Magen, manche schlafen dort ihren Rausch aus. Mit den verstärkten Kontrollen ist hier allerdings mehr Ordnung eingekehrt.
I wie Italiener-Wochenende: Das mittlere der drei Wiesn-Wochenenden gilt traditionell als besucherstärkstes - und Zehntausende italienische Gäste tragen ihren Teil dazu bei.
J wie Jubel: Er brandet auf, wenn der Oberbürgermeister das erste Fass angezapft hat und das Bier endlich in Strömen fließt.
K wie Käferzelt: Hier knutschten die Effenbergs, und zum traditionellen Wiesn-Besuch des FC Bayern bringen die Spieler ihre Frauen mit. Das nach der Wirtsfamilie Käfer benannte Zelt am Ende der Bierstraße ist nobel und das Promi-Zelt Nummer eins.
L wie Lebkuchenherz: Spatzl, Mausi oder der schlichte "Gruß vom Oktoberfest" - wer ohne Lebkuchenherz von der Wiesn nach Hause geht, ist selbst schuld.
M wie Maß: Die Maß ist weiblich und sie wird mit kurzem a und scharfem s gesprochen. Wer "ein Maaaß Bier" bestellt, outet sich sofort als Zugroaster. 6,6 Millionen Maß tranken die Gäste 2016. Die Preise für eine Maß liegen in diesem Jahr, je nach Festzelt, zwischen 10,60 Euro und 10,95 Euro.
N wie Noagerl: Der unappetitliche Rest in der Maß heißt Noagerl und teilt die Welt in drei Typen von Trinkern: Die, die auf den letzten Schluck verzichten, die, die ihn trinken, und die, die ihn gleich in die nächste Maß kippen.
O wie Öffnungszeit: Kompliziert. Ab 9.00 Uhr dürfen Gäste aufs Festgelände. Der Bierausschank beginnt an Wochenenden um 9.00, unter der Woche um 10.00 Uhr. Fahrgeschäfte sperren um 10.00 Uhr auf. Schluss mit Musik und Bier ist je nach Zelt zwischen 22.30 Uhr und 0.30 Uhr, bei den Schaustellern endet der Betreib zwischen 23.30 und 24.00 Uhr.
P wie Prosit der Gemütlichkeit: Es ist der Wiesn-Gassenhauer schlechthin. Wenn er ertönt, heißt es: Hoch die Krüge und gsuffa.
Q wie Quiz: Sind Sie fit für die Wiesn? Sprechen Sie Bayerisch? Vor dem Fest kursieren allerlei Fragebögen, wobei das Abschneiden bei den Tests keinerlei Konsequenz für den Wiesnbesuch hat.
R wie Reservierung: Sie ist an sich kostenfrei, die meisten Zelte verlangen aber den Kauf von Verzehrgutscheinen, etwa für zwei Maß Bier und ein Hendl. Im Internet werden Reservierungen aber zu astronomischen Preisen gehandelt, 3000 bis 6000 Euro für einen Zehnertisch kann man loswerden.
S wie Sicherheit: Alljährlich wird das Sicherheitskonzept angepasst. Seit 2016 sind Taschen und Rucksäcke mit mehr als drei Litern Volumen verboten. Das Festgelände ist mit einem Zaun rundum abgeschirmt. Ordner kontrollieren Besucher an den Eingängen. Zu den Neuerungen dieses Jahr zählt eine Lautsprecheranlage, um Gäste bei einem Alarm besser zu leiten.
T wie Terrorsorgen: Sie erreichten die Wiesn 2009. Das Terrornetzwerk Al Kaida hatte in einem Drohvideo den Haupteingang des Volksfestes gezeigt. Poller und Betonsperren wurden damals als Schutz vor Angriffen mit Autos installiert. Damals allerdings dachte man an Autobomben. Heute gilt die Sorge auch Lastwagen ohne Sprengstoff.
U wie Umsatz: Wer wie viel verdient auf der Wiesn, ist ein großes Geheimnis. Allerdings müssen die Wirte dieses Jahr ihre Umsätze gegenüber der Stadt offenlegen. Denn um die erhöhten Kosten für die Sicherheit zu finanzieren, werden sie mit einer Umsatzpacht zur Kasse gebeten.
V wie Vollrausch: Auch wenn die Verantwortlichen immer wieder den traditionellen Charakter der Wiesn betonen: Für viele ist sie in erster Linie die größte Bierfest der Welt, das entsprechend oft im Vollrausch endet.
W wie Weinzelt: Kaum zu glauben, aber nicht überall auf der Wiesn gibt es Bier aus Maßkrügen. Im Weinzelt trinkt man - wie der Name schon sagt - Wein. Aber nicht aus dem Maßkrug. Außerdem gibt es Weißbier.
X wie xuffa: Nicht die gebräuchlichste Schreibweise. Aber wenn es zur Wiesn wieder heißt "oans, zwoa, drei...", dann kann der bierselige Münchner "gsuffa" rufen oder eben auch "xuffa". Rein grammatikalisch ist "xuffa" (oder "gsuffa") das Partizip Perfekt von "saufen". Faktisch ist es ein Imperativ und fordert auf, die Maß Bier krachend gegen eine andere zu donnern und einen tiefen Schluck zu nehmen.
Y wie Yokohama und Yangon: Die Wiesn ist ein Exportschlager. Sogar in Yangon in Myanmar und in Yokohama in Japan gibt es ein Oktoberfest.
Z wie Zapfenstreich: Um 22.30 Uhr ist in den meisten großen Zelten Schluss: Ab dann gibt es kein Bier mehr. Die letzte Stunde verbringen die Ordnungskräfte vor allem damit, betrunkene Gäste aus den Zelten zu treiben. (dpa, sli)
Für die 10.000 Mitarbeiter sei die Absage des Oktoberfestes aber ein schwerer Schlag, so Inselkammer. Nicht nur Schausteller, Wirte und Budenbesitzer, sondern auch Hotels, Gaststätten, Taxifahrer und Einzelhändler verlieren ihre Wiesn-Einnahmen. Der Wirtschaftswert der Wiesn lag im vergangenen Jahr nach Angaben der Stadt bei rund 1,23 Milliarden Euro. Geppert fordert wegen der wegfallenden Einnahmen eine reduzierte Umsatzsteuer und einen Rettungsfonds für die Gastrobranche, "sonst werden weite Teile des Gastgewerbes diese Krise nicht überstehen."
Schottenhamel schaut aber zuversichtlich in die Zukunft: "Vielleicht fällt uns allen ja gemeinsam eine Lösung ein, wie wir das Oktoberfest im nächsten Jahr gestalten können, um dem dann zu erwartenden erhöhten Ansturm zu bewältigen." (AZ mit dpa)
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