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Oktoberfest 2016: Warum die Wiesn in diesem Jahr ganz anders ist

Oktoberfest 2016

Warum die Wiesn in diesem Jahr ganz anders ist

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    Blick auf das Oktoberfest-Gelände in München aus der Vogelperspektive.
    Blick auf das Oktoberfest-Gelände in München aus der Vogelperspektive. Foto: Andreas Gebert (dpa)

    Wie eine gelbe Wand stehen sie da: Die einen verschränken die Arme vor der Brust, die anderen reden mit Wiesn-Gästen und kontrollieren stichprobenartig Taschen und Rucksäcke. „Griaßt’s euch“, rufen manche auf Urbairisch den Gästen zu, andere Kollegen in gelber Weste bringen nur ein schüchternes „Guten Morgen“ in gebrochenem Deutsch hervor. Die Ordner auf dem Oktoberfest schwitzen an diesem Sonntag bei 20 Grad in der Sonne und haben viel zu tun: Mit jeder U-Bahn kommen jetzt mehrere hundert Menschen gleichzeitig an den Eingängen an. Das war nicht immer so. Der Festauftakt war trist und verregnet. „Greißlich“, wie Wiesn-Chef und Zweiter Bürgermeister Josef Schmid (CSU) sagt. Die Besucher blieben in der ersten Woche weg.

    Warum eigentlich? Unsere Ursachenforschung beginnt im berühmten Bräurosl-Zelt. Es ist Sonntag, 14.15 Uhr. Beste Wiesn-Zeit, bei bestem Wetter. Das Zelt ist voll, aber nicht überfüllt; die Stimmung gut, ausgelassen – und dennoch entspannt. Vor den Eingängen warten Ordner mit Knopf im Ohr und Walkie-Talkie. Ein großer Mann mit hell gefärbtem Haar, gebräunter Haut und blauer Weste lächelt die Gäste an. Toni bedient seit zwölf Jahren auf dem Oktoberfest. Toni heißt eigentlich Tamer Bugan und stammt aus Augsburg. „Toni ist mein Wiesn-Name“, sagt der 43-Jährige. Dann wird er ernst: „Nein, diese Wiesn ist nicht gut“, sagt er. Dieser Samstag sei eine Katastrophe gewesen, das habe er noch nie erlebt. „Die Besucher, die vor dem Zelt gewartet haben, waren innerhalb von 25 Minuten im Zelt“, sagt er. „Und danach gab es immer noch leere Tische.“ Der Abend dagegen sei gut gelaufen. Dennoch meint der Kellner, der außerhalb der Oktoberfest-Zeit im Restaurant „La Commedia“ in Friedberg arbeitet: „Das holst du nicht mehr nach.“ Normalerweise wird die Bräurosl innerhalb von einer Stunde zugemacht – wegen Überfüllung, erzählt Toni. Aber in diesem Jahr sei eben alles anders – ruhig, sehr, sehr ruhig. Und ja, es sei tatsächlich weniger los. Woran das liegt? „Bei der Eröffnung hatten wir katastrophales Wetter.“ Ab und zu Regen und Kälte während der Wiesn sei normal. „Aber heuer ist es extrem.“ Das Ergebnis: Der Auftakt-Kassensturz sei „mau“ gewesen.

    Rucksackverbot und Zaun an der Theresienhöhe

    Und dann sind da noch die anderen Sachen: die Terror-Diskussionen, die Besucher-Kontrollen, das Rucksackverbot, der Zaun an der Theresienhöhe, die Kameras in den Zelten und auf dem Gelände und die vielen Ordner in gelben und orange-farbenen Westen. Kommen daher die schlechten Zahlen? Haben die Besucher Angst? „Man merkt schon eine gewisse Angstmacherei“, sagt Toni. Eine Kollegin habe sogar ihren Wiesn-Job abgesagt. Sie verzichtet auf mehrere hundert Euro am Tag – aus Terrorangst. Das sei absolut nicht begründet, meint Toni. „Ich fühle mich sicher. Ich verstehe die Menschen nicht, dir kann überall etwas passieren.“

    Seine Meinung teilen einige Besucher. Und auch Wiesn-Chef Schmid. Das Sicherheitskonzept greife – nach ersten Anlaufschwierigkeiten bei den Kontrollen, sagt er. Es gab laut Schmid weder Rückstaus, noch habe das Sicherheitssystem versagt. „Und ich habe noch keine Menschen getroffen, die ein Problem mit dem Zaun haben. Die wenigsten nehmen ihn überhaupt wahr“, sagt er. Bisher waren weniger als drei Millionen Gäste da. 2012, als die letzte „Kleine Wiesn“ mit dem Zentralen Landwirtschaftsfest stattfand, waren es einschließlich des zweiten Oktoberfest-Wochenendes 3,6 Millionen. Entsprechend ist auch der Bierkonsum im Vergleich zum Vorjahr um etwa 15 Prozent gesunken.

    350 Polizisten und 450 Sicherheitskräfte sind in diesen Tagen auf der Theresienwiese im Einsatz. 250 weitere Beamte sichern „das Umfeld“ wie Wiesn-nahe U-Bahnhöfe ab. Auch die Polizei spricht bisher von einer ausgesprochen „entspannten Wiesn“. Ihre Einsätze sind um knapp sieben Prozent – von 1068 im Vorjahr auf 991 – gesunken. Trotzdem ist eine Zahl gestiegen: die der Sexualdelikte. 16 Mal wurden sie bisher angezeigt, 2015 waren es zur Halbzeit acht Anzeigen wegen sexueller Nötigung, Vergewaltigung oder Grapschens. Aber: Zu einer Vergewaltigung ist es laut Polizei noch nicht gekommen. Polizeivizepräsident Werner Feiler sagt, von den 16 Sexualdelikten wurden sechs von Asylbewerbern begangen. Trotzdem betont der Münchner Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins: „Es gibt keinerlei Hinweise auf Taten, wie man sie in Köln wahrnehmen konnte.“ Die Flüchtlinge seien Einzeltäter und nicht in Gruppen unterwegs gewesen.

    Prosit-Gesänge, laute Musik, Menschen auf den Bänken

    Sonntagnachmittag, weiter auf der Wirtsbudenstraße: Wenige Meter von der Bräurosl – neben dem Käfer-Zelt – wartet Beate Schuster aus Kirchberg im Wald (Landkreis Regen) auf ihre Freunde von den Sportschützen. Die Gruppe ist nur an diesem Sonntag auf dem Oktoberfest, sagt die 50-Jährige. Sie komme aber schon seit sechs Jahren jedes Jahr hierher. „Aber heuer ist alles anders“, sagt Schuster. Das Gelände sei leerer und die Stimmung sei komplett verändert. Für Schuster ist klar: „Das liegt an der Terrorangst. Von unseren Sportschützen haben zwölf Leute abgesagt, sechs von ihnen, weil sie Angst vor Anschlägen haben“, sagt sie. Auch Schuster fühle sich nicht wohl, gibt sie zu. „Man beobachtet die Menschen viel mehr, man schaut viel genauer hin.“ Am Wetter kann die gedrückte Stimmung zumindest an diesem sonnigen Nachmittag nicht liegen, sagt Beate Schuster.

    Einen Katzensprung entfernt, im Käfer-Zelt, gibt’s die typische Oktoberfest-Atmosphäre: Prosit-Gesänge, laute Musik, Menschen, die auf den Bänken stehen und schunkeln. Hier scheint sich niemand Gedanken über mögliche Anschläge zu machen. „Jetzt ist es perfekt“, sagt der Chef Michael Käfer. Er sieht den schlechten Auftakt nicht so negativ. „Wir hatten anfangs weniger Besucher als 2015. Seit Dienstag ist es aber ungefähr gleich.“ Die Sicherheitskräfte erledigen laut Käfer einen guten Job. Aber, natürlich, würden sich die Menschen viele Gedanken machen. „Die wenigen Besucher am Anfang liegen am Wetter, ein bisschen aber auch an der Sicherheitsfrage“, meint er.

    Dass weniger Besucher da sind, belegen auch die Zahlen der Hoteliers. „Wir werden nicht die Umsätze des Vorjahres erreichen“, sagt der Chef der Münchner Kreisstelle des Hotel- und Gaststättenverbandes, Conrad Mayer. Denn: Die Menschen seien weltweit zurückhaltender geworden, was Reisen in Metropolen angeht, sagt Mayer. Er rechnet für dieses Jahr mit einer durchschnittlichen Wiesn.

    Die Fahrgeschäfte auf dem Oktoberfest laufen

    Inzwischen ist es kurz nach drei. Der Sprecher der Wiesn-Wirte, Toni Roiderer, sitzt in seinem Büro und lächelt. Er ist zufrieden mit dem Geschäft. Obwohl er sagt: „Seit 27 Jahren bin ich auf der Wiesn. Ich erinnere mich nicht an vier aufeinanderfolgende, so verregnete Tage.“ Seine 70 Servicekräfte im Hacker-Biergarten hätten in den ersten vier Tagen keine einzige Maß Bier verkauft. „Aber das Wetter war gut vom Petrus geplant“, sagt Roiderer schmunzelnd – und meint die wunderbare Herbstsonne an diesem Sonntag. Seine Erklärung: So konnte sich das Sicherheitskonzept einspielen. Und wenn ab Donnerstag so viele Menschen kommen wie sonst auch, dann sei alles in Ordnung, ist sich der Wirte-Sprecher sicher. Viel schlimmer wäre es, wenn es an den letzten vier Festtagen regnen würde. „Da steppt nämlich der Bär.“ Das Oktoberfest sei bisher entspannter als sonst, sagt auch Roiderer, nicht so hektisch.

    Einige Schausteller dürften das anders sehen. Am Donnerstag hatten manche sogar geplant, aus Protest ihre Lichter auszuknipsen. Sie waren frustriert. Ihre Gleichung: Schlechtes Wetter + Sicherheitsfragen bei der Bevölkerung = kein Umsatz. Protestiert haben sie nicht, aber mit der Stadt geredet. Inzwischen ist das Sicherheitskonzept verbessert.

    Die Fahrgeschäfte laufen. So wie die Zweier-Gondeln vom Breakdance No.1. Chefin Tanja Kaiser-Grünwald ist trotzdem besorgt. „So eine schlechte Wiesn hatten wir noch nie“, sagt sie und rechnet wegen der verregneten Tage mit bis zu 70 Prozent Einbußen.

    Es wird dunkel. Polizisten patrouillieren über das Gelände. Betrunkene liegen auf dem „Kotzhügel“. In den Zelten wird gesungen und gegrölt. Alles ist wie immer. Nur ein bisschen anders.

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