"Ozapft is" - mit nur zwei Schlägen hat Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter das erste Fass Bier angezapft und damit das 183. Oktoberfest eröffnet. Brauchtum, Tradition und Genuss verbinden viele Besucher und Wirte mit der Wiesn. Die fröhliche Ausgelassenheit auf dem größten Volksfest der Welt kann aber auch ins Gegenteil umschlagen. Im Gedränge werden junge Frauen begrapscht oder sexuell genötigt. Seit über zehn Jahren gibt es deshalb die Anlaufstelle "Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen". Übergriffsopfer erhalten dort Beistand.
Auch dieses Jahr wurde das Angebot schon genutzt. Das erste Wochenende verlief gemischt: "Am Samstag war trotz des schlechten Wetters viel los am Security Point", sagt Kristina Gottlöber, Organisatorin bei der "Sicheren Wiesn". Am ersten Tag des Oktoberfests sei das Team auch lange im Einsatz gewesen, am Sonntag war es dann wohl etwas ruhiger. Wie viele Frauen es genau waren, wollte Gottlöber noch nicht sagen. Eine genaue Bilanz gebe es erst nach der ersten Woche.
Im letzten Jahr hat "Sichere Wiesn" insgesamt 197 Opfer betreut. Die sind meistens sehr jung: "Fast 80 Prozent waren im letzten Jahr jünger als 30. 15 Mädchen waren sogar unter 18", weiß Gottlöber. "Die Jüngste war 15, die Älteste 89 Jahre alt."
Fast die Hälfte der betreuten Frauen und Mädchen komme aus dem Ausland. Das sei für das Team besonders belastend: "Wir wissen nicht, wie es mit den Frauen weitergeht. Opfern aus München können wir Nachsorge vermitteln, das geht bei den Touristinnen nicht." Im letzten Jahr suchten immerhin 42 Frauen aus München und der Region bei "Sichere Wiesn" Unterstützung.
"Sichere Wiesn" bietet Frauen Unterstützung am Security Point
Das Ziel der Aktion ist es, die Sicherheit und das individuelle Sicherheitsgefühl von Mädchen und Frauen auf dem Oktoberfest zu erhöhen. Frauen und Mädchen, die bedroht, belästigt oder vergewaltigt worden sind, bekommen vor Ort Hilfe, Unterstützung und Beratung am Security Point. Der befindet sich hinter dem Schottenhamelzelt am Eingang "Erste Hilfe". Hier helfen Mitarbeiterinnen der Aktion bei Bedarf mehrsprachig und professionell bei kleinen und großen Problemen.
Ein Fall ist Kristina Gottlöber dabei besonders in Erinnerung geblieben. Vor einigen Jahren suchte eine kriegstraumatisierte US-Soldatin Hilfe. "Die Krankenwagen, die Enge und die Schießstände lösten bei ihr einen Flashback aus", erinnert sich Gottlöber. Immer wieder sei die Frau zusammengebrochen. "In den USA hat sie keine Hilfe bei der Verarbeitung des Traumas bekommen", so Gottlöber. Die Medikamente habe sie selbst abgesetzt, weil sie sie nicht vertragen hat. "Ich habe der Frau zugehört und wir haben gemeinsam ihren Partner gesucht". Wie es der Frau nach ihrem Wiesn-Besuch ging, weiß Gottlöber nicht.
"Sichere Wiesn" hilft auf dem Oktoberfest also nicht nur bei sexuellen Übergriffen. Trotz der Anlaufstelle vor Ort rät die Aktion, sich auch schon vor dem Wiesn-Besuch gut vorzubereiten. Sie empfiehlt zum Beispiel, mit Freunden vorab einen eindeutigen Treffpunkt auszumachen und sich einen sicheren Heimweg zu überlegen. Auf dem Oktoberfest selbst sollte man demnach auf Handtaschen verzichten und Wertgegenstände lieber am Körper tragen. Und auch vor dem starken Festbier warnt "Sichere Wiesn".
Kostenlose App "WiesnProtect" unterstützt Frauen im Ernstfall
Seit einigen Jahren gibt es auch eine kostenlose App, die Frauen im Ernstfall unterstützt. "WiesnProtect" beinhaltet alle wichtigen Telefonnummern, einen MVG Fahrplan und eine separate Notruf-Funktion. Zusätzlich bietet die App wichtige Tipps für Mädchen und Frauen und eine Karte, die das Oktoberfest, das eigene Hotel und den aktuellen Standpunkt zeigt.
Die Aktion "Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen" wurde im Jahr 2003 von den Organisationen AMYNA e.V., IMMA e.V und dem Frauennotruf München gegründet. Unterstützung erhält die Aktion seitdem von der Stiftung "Hänsel+Gretel" und seit 2008 auch mit einer jährlichen Regelförderung durch die Landeshauptstadt München.