Drei Tage nach der Bluttat von Arnschwang kommen immer mehr Details ans Licht: Der 41-jährige Afghane, der in der Asylunterkunft im Kreis Cham einen fünfjährigen russischen Buben mit einem Messer getötet hat, fühlte sich offenbar vom Kinderlärm gestört. Das sagte, wie Polizei und Staatsanwaltschaft in Regensburg mitteilten, die Mutter des Buben aus.
Und: Den Behörden war offenbar bewusst, dass der vorbestrafte Mann gefährlich war – und zwar nicht nur für seine geschiedene Ehefrau. Dies geht aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts München hervor, das vom Gericht am Dienstag veröffentlicht wurde.
Der Mann, der im Jahr 2005 für die Heirat mit einer eingebürgerten, ebenfalls aus Afghanistan stammenden Frau mit Visum nach Deutschland eingereist war, steckte 2008 eine Wohnung in München in Brand. Wie es heißt, wollte er die Tat seinem Cousin in die Schuhe schieben, der mit seiner Schwägerin fremdgegangen sein soll. Der heute 41-Jährige wurde wegen Brandstiftung zu gut fünf Jahren Haft verurteilt. Noch während seiner Haftzeit in Landsberg wurde er aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.
Der Mann hatte sich in der JVA Landsberg taufen lassen
Dass er nicht abgeschoben werden konnte, begründeten die Münchner Verwaltungsrichter damit, dass er nachvollziehbar und glaubhaft zum Christentum übergetreten sei. Im April 2012 hatte sich der Afghane in der JVA Landsberg taufen und firmen lassen. Das sei auch der Familie seiner Exfrau, mit der er verfeindet sei, bekannt. Einem Moslem, der zum Christentum konvertiert, droht in Afghanistan die Todesstrafe. Im Falle einer Rückkehr, urteilten die Richter, bestehe für ihn somit „eine individuelle erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit von staatlicher und nicht staatlicher Seite“.
Die rechtlich offenbar einzig möglichen Konsequenzen aus der mutmaßlichen Gefährlichkeit des Mannes waren die Anordnung eines Kontaktverbots zu seiner Ehefrau, die Unterbringung mit einer räumlichen Beschränkung sowie die Anordnung, eine elektronische Fußfessel zu tragen. Der Mann wurde der Regierung der Oberpfalz zugewiesen und in der überwiegend nicht muslimisch geprägten Unterkunft in Arnschwang untergebracht.
Ein Polizist schoss achtmal auf den Mann
Dort gab es, wie die Regierung der Oberpfalz mitteilte, keine nennenswerten Probleme. „Für die Mitarbeiter vor Ort gab es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es zu einer solchen Eskalation mit der betroffenen russischen Familie kommen könnte“, heißt es in der Mitteilung. „Gegenseitige Beschwerden über Lärmstörungen, die jeweils einvernehmlich befriedet wurden, waren die einzigen Vorkommnisse und sind in einer Gemeinschaftsunterkunft nicht ungewöhnlich.“
Am Samstagabend aber mündete offenbar ein Streit wegen Ruhestörungen in die grausige Bluttat. Die 47-jährige Mutter, die selbst schwer verletzt worden war und zunächst nicht vernehmungsfähig war, berichtete, der Afghane habe sich durch die spielenden Kinder gestört gefühlt. Er habe zunächst sie und dann den Buben mit einem Messer angegriffen. Der Mann konnte den Angaben zufolge erst mit Polizeigewalt gestoppt werden. Ein Polizist gab acht Schüsse auf ihn ab. Der Mann starb. Die Staatsanwaltschaft geht von einer Nothilfesituation der Beamten aus.
Politisch löst die Bluttat eine Debatte ab. Die Augsburger Abgeordnete Christine Kamm, asylpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, sieht die CSU-Regierung „in Mitverantwortung“ für die Ereignisse. „Der Mord an einem fünfjährigen Kind in Arnschwang hätte nicht passieren müssen“, sagte sie und erneuerte ihre Forderung nach einem Gewaltschutzkonzept für Frauen und Kinder in allen bayerischen Unterkünften. Die gemeinsame Unterbringung von allein geflüchteten Frauen mit oder ohne Kinder mit alleinstehenden Männern müsse unterbleiben.
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dagegen fordert eine genaue Überprüfung von Asylbewerbern, die zum Christentum übergetreten sind. Zugleich merkte er im Bayerischen Rundfunk unter Bezug auf den Täter von Arnschwang an, es sei den Menschen hier „nicht zumutbar, unter der Gefahr solcher Straftäter zu leben“.
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