Erst der Wolf, dann der Luchs und jetzt der Braunbär: Gleich mehrere große Beutegreifer waren in diesem Jahr offensichtlich im Allgäu unterwegs. Eine Touristin hatte bereits am 1. Oktober im Balderschwanger Tal im Oberallgäu Kotspuren eines Bären fotografiert. Ein Experte hat nun deren Echtheit bestätigt. Das teilte das bayerische Umweltministerium mit. Es gebe aber keine Anzeichen dafür, dass sich das Tier noch in der Region aufhält.
Touristin findet Bärenkot bei Balderschwang - wohl der gleiche Bär wie in Tirol
„Das ist schon eine kleine Sensation. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Bär im Allgäu auftaucht“, sagt Biologe Henning Werth. Es handle sich aber um ein durchziehendes Tier, das sich nicht in der Region niedergelassen hat. Werth glaubt, dass es eben jener Bär war, der vor wenigen Tagen bei Reutte in Tirol gesichtet worden.
Werth mutmaßt, dass der Bär von Italien über die Schweiz und Balderschwang nach Reutte gewandert ist. Die nächstgelegene Bärenpopulation befindet sich nach Angaben des Augsburger Landesamts für Umwelt (LfU) im italienischen Trentino, etwa 120 Kilometer von Bayern entfernt. Dort lebten zurzeit knapp 60 Tiere – Tendenz leicht steigend. Ob es künftig also auch weitere Bären zumindest kurzfristig ins Allgäu verschlägt, „steht und fällt mit der Population in Italien“, sagt Werth.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Bär uns große Sorgen bereitet, aber wir behalten die Situation im Auge“, sagt der Oberallgäuer Landrat Anton Klotz im Gespräch mit unserer Redaktion. Bisher habe man im Allgäu keine Erfahrung mit den Tieren gesammelt.
Experten suchen im Oberallgäu nach weiteren Erkenntnissen zum Bär in Bayern
Immer wenn es Hinweise auf einen Bären in Bayern gibt, greift das Bärenmanagement des Umweltministeriums. Auch im aktuellen Fall sind Fachleute vor Ort auf der Suche nach weiteren Erkenntnissen. Die Experten des LfU haben vor Ort bereits mit der Arbeit begonnen. Dazu zählt unter anderem die Sicherung von Spuren. Außerdem würden Sicherheitsbehörden und Tierhalter in der Region informiert.
Gemeinsam mit Fachkundigen aus Italien und Österreich haben Mitarbeiter des LfU die Fotos aus Balderschwang gesichtet und verifiziert, ob es sich tatsächlich um Bärenkot handelt. Der Nachweis sei in diesem Fall einwandfrei erbracht, sagte eine Sprecherin des Landesamts für Umwelt auf Anfrage.
Dass es eine Touristin war, die Anfang Oktober nahe Oberstdorf auf die Bärenspuren stieß, sei höchst überraschend. "In der Regel sind Bären eher scheu und unauffällig unterwegs, sie halten sich fern von Menschen und führen ihr Leben weitab der von Menschen bewohnten und begangenen Gebiete."
Die Experten des Landesamts für Umwelt sind ziemlich sicher, dass der Bär von Balderschwang derselbe ist wie jener, der vergangene Woche bei Reutte in Tirol von einer Wildkamera festgehalten wurde, so die Sprecherin: "Aufgrund der räumlichen Nähe ist es unwahrscheinlich, dass auf so engem Raum gleich zwei Bären-Männchen unterwegs sind."
Bär in Bayern: Umweltministerium mahnt zur Vorsicht
Auch wenn es keine Anzeichen dafür gibt, dass sich der Bär derzeit im Oberallgäu aufhält, bittet das Umweltministerium Wanderer um „besondere Aufmerksamkeit“. Wer einem Bär begegnet, solle Respekt zeigen, Abstand halten und Ruhe bewahren. Wegrennen oder gar zu versuchen, den Bär zu verscheuchen und Dinge nach ihm zu werfen, sei der falsche Weg. Besser sei es, langsam und kontrolliert den Rückzug anzutreten.
Vom Balderschwanger Bär geht aber offenbar keine direkte Gefahr aus. „Der Braunbär verhält sich absolut unauffällig, er ist kein Problem-Bär, sondern geradezu ein Vorbild-Bär“, sagt Markus Erlwein vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern.
Im Herbst und Winter seien Bären Pflanzenfresser, erläutert Werth. Die Tiere in Trentino seien beispielsweise angetan von Äpfeln und Weintrauben – 20 Kilogramm davon können sie am Tag fressen. Fleisch dagegen stehe nur im Frühling nach der Winterruhe auf dem Speiseplan. Dann vertilgen sie oft Kadaver und erlegen ihre Beute nicht zwangsläufig selbst. „Ein Bär kann kurzfristig stark beschleunigen, ist aber kein Hetzjäger wie zum Beispiel der Wolf.“
Damit den Bären von Balderschwang nicht das gleiche Schicksal ereilt wie seinerzeit Problem-Bär Bruno, sei es wichtig, dass er dem Menschen fernbleibt – und der ihm. „Das ist seine Lebensversicherung“, sagt Werth. Ihn anzufüttern, beispielsweise um das „ultimative Foto zu schießen“, sei gefährlich und unverantwortlich.
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