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Nürnberg: Wenn das Kind weg ist: Verzweifelte Mütter rufen bei Radikalisierung-Hotline an

Nürnberg

Wenn das Kind weg ist: Verzweifelte Mütter rufen bei Radikalisierung-Hotline an

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    Die Radikalisierung-Hotline berät verzweifelte Mütter, deren Kinder in die islamistische Szene abkommen.
    Die Radikalisierung-Hotline berät verzweifelte Mütter, deren Kinder in die islamistische Szene abkommen. Foto: Marc Müller (dpa)

    Einen regelrechten Ansturm auf die Radikalisierung-Hotline des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gab es in den vergangenen Monaten. Der Grund dafür ist die Syrien-Krise. Die Berater bearbeiteten derzeit mehr als 300 Fälle, sagte Florian Endres von der Beratungsstelle Radikalisierung. Jede Woche kämen drei bis vier neue dazu. "Wir können feststellen, dass wir seit Anfang des Jahres ein deutlich höheres Anruferaufkommen haben", sagte Endres. "Das kann man analog zur Thematik Syrien setzen." Antenne Bayern hatte darüber zuerst berichtet.

    Berater werden von verzweifelten Müttern angerufen

    Die Berater helfen den Eltern von Jugendlichen, die in die islamistische Szene abkommen. Hauptsächlich rufen verzweifelte Mütter an. Derzeit geht es um Jugendliche, die nach Syrien oder in den Irak ausreisen wollen. "Diese Fälle bearbeiten wir zurzeit am meisten. Manche Jugendliche sind auch schon ausgereist." Mehr als 1.000 Anrufer haben sich bisher mit Hilferufen an die Berater gewandt. Rund 100 Anrufe waren es alleine in den vergangenen drei Monaten. Seit Anfang 2012 gibt es die Hotline.

    Das ist die Organisation IS

    IS ist eine islamistische Organisation. Sie hat das Ziel, einen Islamischen Staat zu errichten. Dieses Kalifat soll die Länder Syrien und Irak, aber auch den Libanon, Israel und Jordanien miteinander vereinen.

    IS steht für Islamischer Staat. Gebräuchlich ist auch die Abkürzung ISIL, das steht für Islamischer Staat im Irak und in der Levante oder ISIS für Islamischer Staat im Irak und in Syrien.

    Ihr Ziel verfolgen die Anhänger der Organisation mit militärischen Mitteln und brutalster Gewalt, darunter Bombenattentate, Folter, und Hinrichtungen von Zivilisten.

    IS kämpft an vielen Fronten. Die Terrorgruppe geht bewaffnet gegen die Regierungen in Syrien und im Irak vor, führt Krieg gegen schiitische Gläubige und vermeintliche sunnitische Kollaborateure.

    Die IS hat ihre Wurzeln in der Widerstandsbewegung gegen die Besetzung des Iraks nach dem Irakkrieg 2003.

    Die Gruppe profitierte 2013 vom Machtkampf der von Schiiten dominierten Regierung in Bagdad mit Sunniten und beherrscht inzwischen weite Teile des Iraks.

    Im syrischen Bürgerkrieg hat Isis vor allem im Nordosten des Landes die Kontrolle erlangt. Dort griff die Gruppe kurdische Städte an und massakrierten Zivilisten.

    In den besetzten Gebieten verordnen die Dschihadisten der Bevölkerung strenge Regeln. So sollen Frauen die Häuser nur noch verlassen, wenn es unbedingt notwendig ist. Alkohol und Rauchen ist verboten, ebenso Veranstaltungen und freie Presse.

    Im April 2014 sagte sich IS von Al-Kaida los. Deren Führung habe sich von den Grundsätzen des "Heiligen Krieges" entfernt, hieß es.

    Wie viele Menschen sich IS angeschlossen haben, ist unklar. Schätzungen sprechen von bis zu 15.000 Kämpfern.

    Anführer der Bewegung ist seit Mai 2010 Abu Bakr al-Baghdadi. Die USA führt ihn als einen der meistgesuchten Terroristen der Welt.

    IS wirbt im Internet aktiv um Kämpfer aus Europa. «Isis macht eine sehr gute Öffentlichkeitsarbeit», sagte der EU-Koordinator für Terrorismusbekämpfung, Gilles de Kerchove. Die Islamisten hätten sogar Kameras auf ihre Kalaschnikows geschraubt, um ihre Operationen in Echtzeit im Internet zu übertragen.

    Finanziert wurde IS zu Beginn von saudischen und katarischen Gönnern. Mittlerweile hat die Organisation mit mafiösen Methoden eigene Einnahmequellen erzeugt, etwa mit dem Schmuggel von Öl.

    Die Anrufe werden von drei Mitarbeitern in Nürnberg an eine der vier regionalen Beratungsstelle in Berlin, Bochum, Bremen und Frankfurt vermittelt. Dort versuchen die Experten, die gestörte Kommunikation zwischen Eltern und Kindern wieder herzustellen. Endres erklärt, dass es Fälle gebe, in denen die Eltern gar nicht mitbekommen haben, was ihr Kind vor hat. Erst durch einen Abschiedsbrief oder ein Telefonat würden sie dann erfahren, dass der Jugendliche inzwischen in Syrien ist.  "Für die Eltern ist die reine Vorstellung wahnsinnig belastend, dass ihr Kind etwa in einem Video mit Gräueltaten auftauchen könnte." Endres erklärte: "Wir versuchen, den Eltern Hoffnung zu machen und sie darin zu bestärken, Vertrauen wiederherzustellen und eine Kommunikationsbasis aufzubauen."

    Spezielle Programme werden für die zeitintensive Beratung gebraucht

    Derzeit läuft in Hessen ein Programm, das die Berater bei der Salafismus-Prävention und De-Radikalisierung unterstütze. Mit dem Projekt "Wegweiser" leiste auch Nordrhein-Westfalen eine präventive Arbeit. Die Berater hoffen, dass solche Projekte auch in anderen Bundesländern entstehen. Grund dafür ist die intensive Betreuung, die einen Mitarbeiter stark auslastet. Die Beratung sei in den wenigsten Fällen mit ein paar Telefonaten oder Treffen getan, ein Zeitraum von einem Jahr müsste schon eingeplant sein. In den wenigsten Fällen könnte sie ganz abgeschlossen werden.

    Seit dem Ausbruch der Kämpfe in Syrien im Jahr 2011 sind mehr als 400 Islamisten aus Deutschland in den "Heiligen Krieg" gezogen. Etwa 40 sollen dort gestorben sein, einige auch bei Selbstmordanschlägen. Viele (dpa/lby/AZ)

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