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Nockherberg-Nachlese: Urbayerische Inszenierung statt billiger Show

Nockherberg-Nachlese

Urbayerische Inszenierung statt billiger Show

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    Der Schauspieler Uli Bauer (l) als Christian Ude und der Schauspieler Wolfgang Krebs als Horst Seehofer spielen beim traditionellen "Politiker-Derblecken" auf dem Münchner Nockherberg beim Singspiel.
    Der Schauspieler Uli Bauer (l) als Christian Ude und der Schauspieler Wolfgang Krebs als Horst Seehofer spielen beim traditionellen "Politiker-Derblecken" auf dem Münchner Nockherberg beim Singspiel. Foto: Tobias Hase

    Was für ein Abend! Welch eine Wohltat für die bayerische Seele! Zwar hatte der zuletzt unentwegt vor sich hingrantelnde Arjen Robben das entscheidende Tor zur vollständigen Glückseligkeit der Bajuwaren noch gar nicht geschossen, am Nockherberg aber herrschte am Mittwoch um 20.30 Uhr schon höchstes freistaatliches Lebensgefühl. Mama Bavaria (Luise Kinseher) hatte im dritten Anlauf endlich ihre mütterliche Nachsichtigkeit abgelegt und ihren Buben und Mädels mal richtig die Leviten gelesen.

     Trotzdem hatte, wie Karin Seehofer, die Frau des Ministerpräsidenten, hinterher anmerkte, „niemand einen Grund, sich verletzt zu fühlen“. Die Macher des Singspiels – Regisseur Markus H. Rosenmüller und Autor Thomas Lienenlüke – hatten endlich wieder eine kompakte, urbayerische Inszenierung auf die Bühne gebracht, die die Freibiertrinker im Saal von Anfang an mitgerissen hat. Die Zeiten, in denen billige Fernsehshows mit mageren Pointen imitiert wurden, sind damit wohl wieder vorbei. „Super“, „genial“, „der beste Nockherberg seit Jahren“, schwärmten die Gäste.

    Nockherberg 2013: Die besten Sprüche

    „Morgen tritt der wichtigste Bayer der Welt zurück. Dann waren wir mal Papst. Dann haben wir nur noch Horst Seehofer!“ (Luise Kinseher als "Mama Bavaria" über Benedikt XVI., der einen Tag später nicht mehr Pontifex ist)

    „In Deinem Schulzeugnis würde stehen: ,Ihr Fleiß half ihr stets beim Sprung über die Wissenslücken.’“ (Mama Bavaria über Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner)

    „Der ist offen nach allen Seiten. Dagegen ist ein Swinger-Club eine vergleichsweise katholische Veranstaltung.“ (Über Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der keine Koalitionsaussage trifft)

    „Lieber zahle ich den Berlinern a bissl was, bevor die alle zu uns herziehen.“ (Warum der Länderfinanzausgleich auch Freude machen kann)

    „Man muss die CSU-Minister nicht derblecken. Es reicht, sie zu zitieren.“ (Kinseher hat offenbar leichtes Spiel)

    „Derzeit ist Ludwig Spaenle auf Kurs G 8,5 Strich 9. Die Nasa forscht gerade nach, ob diese Koordinate nicht jenseits des Mondes liegt. Aber keine Sorge, auch hinter Deinem Bildungshorizont geht’s weiter.“ (Zur Bildungsreform in Bayern)

    „Wäre Hans-Peter Friedrich ein Frachter auf hoher See würden Möwen auf ihm nisten, weil sie ihn für eine Insel halten.“ (Über das Naturell des Bundesinnenministers)

    „Für mich bist Du der bestaussehende Verwalter offizieller Ahnungslosigkeit, den wir haben.“ (Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer kommt nicht wirklich gut weg)

    Einige politische Botschaften freilich sind erst bei genauerem Hinsehenoffenkundig.

    Erstens: Die Bayern sind sich wieder selbst genug. Die Bundespolitik spielt in der Selbstwahrnehmung der Bajuwaren bestenfalls noch eine Nebenrolle.

    Zweitens: Noch schlimmer trifft es die FDP. Sie wurde beim ersten Aufmucken aus dem Saal entfernt. Ein Omen für die Landtagswahl?

    Drittens: In der Landespolitik setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Erfolg der Seehofer-CSU eines ganz klar beweist: In Bayern ist sozialdemokratische Politik möglich und sogar erwünscht, nur eben nicht dann, wenn sie von Sozialdemokraten gemacht wird.

    Viertens: Die Doubles sind streckenweise besser als die Originale. Horst Seehofer sagte hinterher über seinen Darsteller Wolfgang Krebs: „Das war der beste Seehofer, den ich je gesehen habe.“

    Fünftens: Auch Christian Ude hatte keinen Grund, sich über sein Double Uli Bauer zu beklagen. Der hatte dem falschen Seehofer beim Duell der Nasenbohrer ordentlich Paroli geboten.

    Sechstens: Dennoch entging dem SPD-Spitzenkandidaten die einzige Schwäche der Inszenierung nicht: die pauschale Kritik an Politikern in der letzten Sequenz des Singspiels. Italienische Verhältnisse, wo statt Politikern Clowns gewählt werden, will in Bayern niemand.

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