Kann das Politiker-Derbleckn am Münchner Nockherberg überhaupt schiefgehen, wenn Dusel mitspielt? Eigentlich nicht. Trotzdem muss man sich um Bayern Sorgen machen, wenn es nach dem diesjährigen Singspiel geht: Denn am Ende ist der ewige Bayern-Dusel weg – und die Politiker-Doubles singen erstaunlich gut gelaunt: „Wie’s ohne Dusel weiter geht? Des wiß’ ma leider ned.“
Aber der Reihe nach. Nach acht Jahren „Mama Bavaria“ Luise Kinseher zieht in diesem Jahr zum ersten Mal der Allgäuer Maxi Schafroth die versammelte Politik-Prominenz durch den Kakao – zwischendurch mit ein paar Längen, mitunter auch etwas arg grob wie mit FDP-Vize Wolfgang Kubicki, aber unterm Strich bissig und gekonnt. Der 34-Jährige tritt nicht als Mönch auf wie einst Bruno Jonas, Django Asül oder Michael Lerchenberg, sondern schlicht als Maxi Schafroth: „Keine aufgesetzte Schauspielerei hier oben“, erklärt er gleich zu Beginn seiner Rede: „Das ist dein Kompetenzbereich, lieber Markus Söder.“
Es geht also gleich gut los mit dem neuen Fastenprediger, der danach nach links wie rechts kräftig austeilt. Er durchschaue das Phänomen Hubert Aiwanger, erklärt er etwa: Die Welt werde immer komplexer, „keiner checkt mehr irgendwas“. Doch dann komme der Freie-Wähler-Chef „und die Leut’ denken sich, jawohl, da ist noch einer überfordert“.
Fastenpredigt beim Nockherberg: Markus Söder steckt in der Pubertät
Markus Söder verortet Schafroth in der politischen Pubertät: „Wenn man seine Rolle in der Welt sucht, weiß man nicht, werd’ ich nett, werd’ ich a Depp.“ Barbara Stamm vom Landtags-Thron zu bekommen, habe ihn dagegen an „Industrieanlagen-Rückbau“ erinnert: „Man wusst’ ja gar nicht mehr, wo hört der Stuhl auf, wo fängt die Stamm an.“ Und Innenminister Joachim Herrmann bekommt den schönen Titel: „Der Katholik mit der Lizenz zum Abschieben.“
Doch nicht nur die CSU, auch die Grünen hätten sich arg verändert: „Da war meine Mama ja grüner“, findet Schafroth mit Blick auf deren steinharte Dinkel-Mürbteigtaler. Und die Grünen-Wähler? Fahren ein Hybrid-SUV mit „Elektrozahnbürstenzusatzmotor, damit’s noch die Öko-Prämie einsacken können“. Am Ende steht der halbe Saal. Gelungene Premiere für den Allgäuer Maxi Schafroth.
Lesen Sie die ganze Fastenpredigt von Maxi Schafroth in voller Länge: Wie Maxi Schafroth die Politiker derbleckte - die Fastenpredigt im Wortlaut
Im anschließenden Singspiel, zum zweiten Mal vom Autoren-Duo Richard Oehmann und Stefan Betz gekonnt in Szene gesetzt, wird schließlich Markus Söders Erfolgsgeheimnis gelüftet: In der heruntergekommenen „Wellness-Oase“ im Keller der Staatskanzlei hat er in Person seines erneut herrlich prolligen Doubles Stephan Zinner das „Bayern-Dusel“ im Spind eingesperrt. Immer, wenn er etwas Glück braucht, schnuppert er an dem kleinen zotteligen Männchen - und alles wird gut.
So viel Dusel will natürlich die andere Polit-Prominenz auch haben: Der „Auto-Schmuser“ Andi Scheuer (Stefan Murr), die SPD-Schreckschraube Andrea Nahles (Nikola Norgauer), der als Nockherberg-Charakter noch blasse Hubert Aiwanger (Florian Fischer) oder die hyperaktive Grüne Katha Schulze (Sina Reiß). „Ich könnte Bäume ausreißen, wenn ich nicht bei den Grünen wäre“, jubiliert die Nockherberg-Schulze - und singt herrlich frech „Sorry, sorry, SPD - du bist die Asche, wir der Trend, bald bist du unter fünf Prozent“.
Nockherberg 2019: „Alles halb so schlimm“, södert der Nockherberg-Söder
Auch Horst Seehofer (Christoph Zrenner) und Angela Merkel (Antonia von Romatowski) geistern noch durch die Staatskanzlei-Katakomben - und werfen sich mit der Melodie der alten Münchner-Freiheit-Schnulze an den Kopf: „Ohne Dich hätt’ ich mal meine Ruh’, das was mich nervt bist Du.“
Dass das Dusel (Gerd Lohmeyer) am Ende tot ist, liegt nicht am Star-Auftritt des Volksmusik-Duos Marianne & Michael - sondern an den Dusel-süchtigen Politikern. Überall Krisen und Probleme und kein Bayern-Dusel mehr?
„Alles halb so schlimm“, södert der Nockherberg-Söder - und offenbart sein vierstufiges Rezept zur Lösung aller Probleme: Erstens zur Chefsache erklären. Zweitens einen runden Tisch einberufen. Drittens schöne Fotos für die Medien. Und viertens? Warten, bis ein neues Problem auftaucht - und vom alten ablenkt.
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