Der Star auf dem Münchner Nockherberg ist diesmal kein Politiker – oder dessen Alter Ego auf der Singspielbühne: Der Star ist in diesem Jahr eine geschäftstüchtige Indianerfrau, die der versammelten bayerischen Polit-Elite vor Augen führt, wo die wirkliche Macht liegt im Wilden Westen. Nämlich nicht bei den Chefs der Bande – egal, ob nun Söder oder Seehofer. Sondern da, wo das Geld sitzt. Apanatschi heißt die Indianer-Squaw. Und mehr als 50 Jahre, nachdem sie als „Halbblut“ in Technicolor auf der Leinwand zu sehen war, schlüpft Uschi Glas wieder in diese Rolle – wenn auch nur für einen einzigen Nockherberg-Abend.
Die schöne Westernstadt, die „El Marco“ Söder, der alternde Horst, Calamity-Kohnen und der ausgedünnte Rest der „glorreichen 7“ zuvor über rund eine Stunde Singspiel so heldenhaft gegen alle Angriffe verteidigt haben, hat sie mit einem dicken Geldkoffer aufgekauft. „Heimat muss man sich halt leisten können“, reibt Apanatschi-Uschi der verdutzten Bande unter die Nase. Und selbst der vorher herrlich großspurig-demütige Söder (Stephan Zinner) wird ganz kleinlaut.
„Weint nicht um mich, Landeskinder“
Das Singspiel, nach fünf Jahren Marcus H. Rosenmüller nun zum ersten Mal vom Autoren-Duo Stefan Betz und Richard Oehmann geschrieben, hat diesmal zwar weniger aktuelle politische Bezüge als in manchen früheren Jahren. Es glänzt aber mit toller Musik, viel Wortwitz und subtilen Anspielungen, die Oehmann schon als Chef von „Doctor Döblingers geschmackvollem Kasperltheater“ gepflegt hat. Da ist zum Beispiel der öde Totengräber, der sich mehr und mehr als populistischer Rechtsaußen entpuppt. Oder eine Sexy-Merkel (Antonia von Romatowski) mit Federboa als „Verführungskraft“, die die Männer „mit verschärfter Langsamkeit“ um den Verstand bringt.
„Weint nicht um mich, Landeskinder“, hatte vor elf Jahren der geniale Michael Lerchenberg seinem scheidenden Stoiber zur „Evita“-Melodie in den Mund gelegt. „Sieh es ein, alter Horst, du musst gehen“, singt diesmal „El Marco“ Söder mit rauchiger Lagerfeuer-Stimme. Doch Seehofer (Christoph Zrenner) kann nicht loslassen und kommt immer wieder zurück: „Abschied ist ein scharfes Schwert“, lässt er den zunehmend genervten Söder wissen. „Du Säckel, jetzt hast du deinen Sonnenuntergang verpasst“, knallt der seinem „Seelenspezi“ brüsk zurück.
Kinsehers letztes Mal auf dem Nockherberg
Und auch die Frauen kommen diesmal zum Zug: „Bald kennt mich jeder Dodel, weil ich unbarmherzig jodel“, reimt SPD-Chefin Natascha Kohnen (Nikola Norgauer) und macht sich bei Gefahr unsichtbar, indem sie sich die Augen zuhält.
Vor zwei Jahren hatte es ja einen Skandal am Nockherberg gegeben, weil Barbara Stamm (CSU) die „Mama Bavaria“ Luise Kinseher als frauenfeindlich empfand. Auch diesmal ging Stamm lieber zu „Kino im Landtag“ als zum Derblecken.
Kinseher, die überraschend erklärte, nach acht Jahren das letzte Mal am Nockherberg aufgetreten zu sein, widmete sich ausgiebig Seehofer: „Ich glaube ja, man hat sich in ganz Deutschland nichts sehnlicher gewünscht als Horst Seehofer als Heimatminister. Ich frag mich nur: Wie geht es da einem Oberlausitzer? Der Oberlausitzer denkt sich doch: Kaum ist der Russe weg, kommt der Bayer!“ Seehofer solle sich ja nicht übernehmen mit seinem Superministerium. „So ist er, der Horst. Wie ein Jongleur, der sagt, ich jongliere nicht mit fünf Bällen, sondern gleich mit zehn – dann merkt man es nicht so schnell, wenn einer runterfällt.“
Über die Männer-dominierte CSU sagte sie: „Man wird in der CSU als Frau nicht belästigt, zumindest nicht mit den höchsten politischen Ämtern! In der CSU gibt es kein MeToo, da heißt es von vorne herein „you not“.“ (mit dpa)
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