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Nockherberg 2013: Politiker-Derblecken: Wenn der „Horsti“ den „Zerstörer“ gibt

Nockherberg 2013

Politiker-Derblecken: Wenn der „Horsti“ den „Zerstörer“ gibt

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    Schlagabtausch: Der Schauspieler Uli Bauer als Christian Ude und der Schauspieler Wolfgang Krebs als Horst Seehofer.
    Schlagabtausch: Der Schauspieler Uli Bauer als Christian Ude und der Schauspieler Wolfgang Krebs als Horst Seehofer. Foto: Tobias Hase

    München Bayerischer, bissiger und besser sollte das diesjährige Politiker-Derblecken gestern Abend auf dem Münchner Nockherberg werden. Und die Veranstalter haben im Jahr der Landtagswahl Wort gehalten. Das Singspiel war nicht länger nur als „Nummernrevue“ vor modernen Kulissen verpackt. Es ist unter dem neuen Regisseur Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt, ist länger tot“) wieder zum Bühnenstück mit durchgängiger Handlung geworden.

    Autor Thomas Lienelüke ließ politische Widersacher ebenso wie Parteifreunde im Wald campieren. Von „Waldesruh“ – so der Name des Singspiels – konnte allerdings keine Rede sein. Nicht nur, dass es um mögliche Koalitionen nach der Landtagswahl in den Campingzelten und am Lagerfeuer ging. Horst Seehofers politische Erbfolge in der CSU wollten prophylaktisch schon mal Markus Söder (klasse gespielt von Stephan Zinner) und Ilse Aigner (Angela Ascher) regeln. Weitere starke Auftritte hatten Uli Baur als SPD-Spitzenkandidat Christian Ude und Wolfgang Krebs (Seehofer).

    Nockherberg 2013: Die besten Sprüche

    „Morgen tritt der wichtigste Bayer der Welt zurück. Dann waren wir mal Papst. Dann haben wir nur noch Horst Seehofer!“ (Luise Kinseher als "Mama Bavaria" über Benedikt XVI., der einen Tag später nicht mehr Pontifex ist)

    „In Deinem Schulzeugnis würde stehen: ,Ihr Fleiß half ihr stets beim Sprung über die Wissenslücken.’“ (Mama Bavaria über Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner)

    „Der ist offen nach allen Seiten. Dagegen ist ein Swinger-Club eine vergleichsweise katholische Veranstaltung.“ (Über Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der keine Koalitionsaussage trifft)

    „Lieber zahle ich den Berlinern a bissl was, bevor die alle zu uns herziehen.“ (Warum der Länderfinanzausgleich auch Freude machen kann)

    „Man muss die CSU-Minister nicht derblecken. Es reicht, sie zu zitieren.“ (Kinseher hat offenbar leichtes Spiel)

    „Derzeit ist Ludwig Spaenle auf Kurs G 8,5 Strich 9. Die Nasa forscht gerade nach, ob diese Koordinate nicht jenseits des Mondes liegt. Aber keine Sorge, auch hinter Deinem Bildungshorizont geht’s weiter.“ (Zur Bildungsreform in Bayern)

    „Wäre Hans-Peter Friedrich ein Frachter auf hoher See würden Möwen auf ihm nisten, weil sie ihn für eine Insel halten.“ (Über das Naturell des Bundesinnenministers)

    „Für mich bist Du der bestaussehende Verwalter offizieller Ahnungslosigkeit, den wir haben.“ (Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer kommt nicht wirklich gut weg)

    Die Kritik der Real-Politiker fiel im Anschluss durchwegs positiv aus – von „Kein Vergleich zum letzten Jahr“ bis „genial“ war da die Rede.

    Luise Kinseher gibt zum dritten Mal die „Mama Bavaria“

    Davor hatte Kabarettistin Luise Kinseher zum dritten Mal in der Rolle der „Mama Bavaria“ den Politikern von Regierung und Opposition eingeschenkt. Heuer war die 44-jährige „Mama“ zum Glück nicht so handzahm wie im vergangenen Jahr bei der Starkbierprobe.

    Mit die heftigste Watschn musste Finanzminister Söder einstecken. Entsprechend bedröppelt blickte der im Brauereisaal drein. Die reale Vorlage, die CSU-Chef Seehofer in der Vorweihnachtszeit geliefert hatte, als er seinen Kronprinzen demontierte („von Ehrgeiz zerfressen“), ließ sich Kinseher nicht entgehen. Erst wurde der oberste Kassenwart bewusst nicht beachtet („Aber Bayern hat ja noch eine Lichtgestalt! Markus Söder bleib sitzen! Ich mein den Ude!“) und dann soll der Parteichef den Plan haben, nach Söder etwas zu benennen: „Er hat schon eine Kläranlage im Auge.“

    Der "Horsti" beim „Schifferlversenken“

    Ungeschoren kam aus der „Ministerflotte“, die überwiegend ziellos und teils mit letzter Kraft dahinschippere, keiner davon. Die „Mama Bavaria“ hat’s gestern vor allem mit der Nautik gehabt – in einer Zeit, in der der „Horsti nicht mehr mit seiner Eisenbahn“ spielt, weil er inzwischen „Schifferlversenken“ bevorzugt. Während der Regierungschef „den Zerstörer“ gibt, sieht Kinseher in Justizministerin Beate Merk („Ihre Ausstrahlung ist übrigens die CSU-Kampfansage an die Erderwärmung“) ein „ministeriales Unterseeboot. Sie kann, wenn es sein muss, länger abtauchen, als es die Aktenlage zulässt“, lautete eine Anspielung auf den Fall Mollath. Und Sozialministerin Christine Haderthauer sei mit ihrem Außenborder „schneller als ihre Probleme“. Sie rausche vorbei an protestierenden Asylbewerbern und den Warteschlangen vor den Anmeldestellen der Kindertagesstätten. Das Einzige, was die Betroffenen höchstens spürten, sind Haderthauers „Verwirbelungen heißer Luft“.

    Sichtlich geröteter Horst Seehofer

    Die Parteien jenseits der CSU kamen mit ihren Vertretern ebenfalls nicht gut weg: Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) und seine betuliche Art verglich die Kabarettistin mit einem Schlauchboot, „bei dem hinten gaaaanz langsam die Luft entweicht“. „Traumschiffkapitän“ Christian Ude befindet sich als Spitzenkandidat der SPD „weit weg, hinterm Kap der Guten Hoffnung“. Wenn es bei den Roten mit dem Zugewinn an Wählergunst so weitergehe, könne man zur absoluten Mehrheit gratulieren – in 200 Jahren.

    Quantitativ spiegelte Kinsehers Bavaria-Rede die derzeitigen Machtverhältnisse wider. Von den 29 erwähnten Politikern gehört fast die Hälfte zur CSU – darunter ein sichtlich geröteter Horst Seehofer. Nicht wegen eines Ärgers über die Rede, die er „feuriger“ als 2012 fand – und den Spott „gerecht verteilt“. Beim Abschied von Papst Benedikt hatte er tagsüber etwas zu viel von der römischen Sonne abbekommen.

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