13 Jahre nach dem Verschwinden der neunjährigen Peggy Knobloch im oberfränkischen Lichtenberg wird es kommendes Jahr einen neuen Prozess um das mysteriöse Verbrechen geben. Es ist eine spektakuläre Wende in dem aufsehenerregenden Fall.
Das Telefon bei Gudrun Rödel steht nicht mehr still an diesem Tag. Seit Jahren kämpft die Betreuerin von Ulvi Kulac für dessen Freispruch. Denn sie ist überzeugt davon, dass der geistig behinderte Mann, der in dieser Woche 36 Jahre alt wird, das Mädchen Peggy nicht umgebracht hat. Kulac sitzt seit Jahren in der Psychiatrie, weil er Kinder sexuell belästigt hat.
Nun kann Rödel einen wichtigen Etappensieg feiern. Das Landgericht Bayreuth hat die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet. Ihre Gefühlslage könne sie gar nicht beschreiben, sagt Rödel. „Es ist eine riesige Freude.“ Die Justiz wird also im kommenden Jahr erneut darüber zu verhandeln haben, ob Ulvi Kulac Peggys Mörder ist. Der Fall des verschwundenen Mädchens birgt große Brisanz. Denn sollte er freigesprochen werden – wer ist dann der Täter? Welche Fehler haben die damaligen Ermittler gemacht?
Eine Leiche wurde nie gefunden
Die neun Jahre alte Peggy war am 7. Mai 2001 verschwunden. Monatelang ermittelte die Polizei, Hubschrauber und Spürhunde wurden eingesetzt, Tornados mit Wärmebildkameras überflogen die Wälder. Doch von Peggy fehlte jede Spur. Eine Leiche wurde nie gefunden.
Im April 2004 wurde Ulvi Kulac in einem Indizienprozess verurteilt. Das Landgericht Hof war überzeugt, dass Kulac Peggy erstickt hat, um sexuellen Missbrauch zu vertuschen. Es gab keine Beweise, keine Tatzeugen, keine Spuren, keinen Leichnam. Die Richter bauten ihr Urteil auf ein Geständnis, das Kulac in mehreren Vernehmungen bei der Polizei abgelegt hatte – und das er später widerrief.
Gestützt wurde das Geständnis aus Sicht des Gerichts von dem Zeugen Peter H., einem Betrüger, der zusammen mit Kulac im Bezirkskrankenhaus Bayreuth untergebracht war. H. sagte aus, dass Kulac ihm den Mord gestanden habe. Im Jahr 2010 allerdings widerrief H. diese Aussage. Die Polizei habe ihn bedrängt und ihm Aussagen in den Mund gelegt.
Diesen Punkt greift die Jugendkammer des Landgerichts Bayreuth nun in ihrer Entscheidung für einen neuen Prozess auf: Es könne nicht sicher ausgeschlossen werden, dass Peter H.’s Aussage auf die Urteilsfindung Einfluss hatte. Die Aussage dieses Zeugen habe auch als Tatsachengrundlage für das seinerzeitige psychiatrische Sachverständigengutachten gedient. Als Zeuge kann H. allerdings nicht befragt werden. Er ist gestorben.
Ein Hauptbelastungszeuge zog seine Aussage zurück
Der zweite Grund für die Wiederaufnahme: Es habe eine „Tathergangshypothese“ der Polizei gegeben, die dem Gericht damals nicht bekannt gewesen sei. Ein Gutachter war davon ausgegangen, dass das ursprüngliche Geständnis Kulac’ glaubhaft gewesen sei.
Den Vorwurf, dass Kripo-Leute dem geistig Minderbemittelten das Geständnis suggeriert hätten, entkräftete der Kriminalpsychiater mit dem Hinweis, ein solches Tatszenario habe die Polizei zum damaligen Zeitpunkt nicht gehabt. Es stellte sich heraus: Es gab dieses Szenario eben doch – und Ulvis Geständnis glich diesem Szenario in auffälliger Weise.
Einen Termin für den neuen Prozess gibt es noch nicht, sagt der Bayreuther Gerichtssprecher Thomas Goger. Man hoffe aber, im ersten Halbjahr 2014 beginnen zu können. (mit dpa)