Karma statt Krankenhaus, strenge Meditation statt Spielen: Eine wegen ihrer Erziehungsmethoden in die Kritik geratene Sekte im mittelfränkischen Lonnerstadt hat nun die Behörden auf den Plan gerufen. Ein psychologischer Gutachter solle die möglichen Folgen des Erziehungsstils für die in der Gemeinschaft lebenden Kinder untersuchen, teilte das Landratsamt Erlangen-Höchstadt am Freitag mit. Das Familiengericht habe auf Anregung des Jugendamtes ein solches Gutachten schon im Sommer angeordnet, berichtete eine Landkreis-Sprecherin.
Die Anzahl der Sektenmitglieder ist unklar
WDR und Bayerischer Rundfunk hatten am Donnerstagabend berichtet, die Kinder wüchsen in der Sekte "Neue Gruppe der Weltdiener" ohne Medikamente und Krankenversicherung auf, und müssten auf Spaß, Spiel und Süßigkeiten verzichten. Wie viele Mitglieder die Sekte genau hat, war zunächst unklar. Laut den TV-Berichten gehören ihr ein "Guru" und seine Frau sowie eine Familie mit Kindern an. Die Eltern hätten beim Eintritt in die Sekte ihre Berufe aufgegeben, ihr Einfamilienhaus verkauft und lebten jetzt verarmt in einem herunterkommenden Fachwerkhaus der Gemeinde. Das Geld aus dem Verkauf des Hauses habe der in einem Nachbarort lebende "Guru" kassiert.
Medien: Jugendamt kümmert sich nicht um die Kinder
Das Gutachten soll nun klären, "ob die gewählte Lebensform (der Sekte) und die Ausübung der Erziehung zu einer Gefährdung des seelischen oder geistigen Wohles der betroffenen Kinder führt". Körperlich seien die Kinder normal entwickelt - das hätten unangemeldete Besuche von Jugendamtsmitarbeitern ergeben, teilte Landrat Eberhard Irlinger (SPD) mit. "Auch ihr Ernährungszustand ist vollkommen normal", sagte er. Das Haus sei in einem einfachen, aber keineswegs baufälligen Zustand.
Irlinger wies die in den TV-Berichten erhobenen Vorwürfe zurück, das Jugendamt tue nichts für das Wohl der Kinder. "Es besteht seit langem ein engmaschiger Kontakt, sowohl zu den Kindern als auch zur Familie und dem sozialen Netz, insbesondere zu den Schulen", betonte der Kreis-Chef. Die Berichte hätten die Lebensumstände der Kinder in eine breite Öffentlichkeit gerückt. "Die Situation ist für die Kinder dadurch sicherlich nicht einfacher geworden", sagte Irlinger.
Guru lehnt medizinische Behandlung ab
Die TV-Berichte zitieren den "Guru" mit den Worten, Kinder sollten "nicht spielen, sondern an der Seele arbeiten". Da Ärzte nach seiner Ansicht die "gesamte Seelenarbeit auf einen Schlag zunichtemachen", lehnt der "Guru" für sich und seine "Jünger" auch jede medizinische Behandlung ab. Erst auf Druck der Großeltern, die sich von der Sekte distanzieren, sei einem ihrer Enkel das Tragen einer Brille erlaubt worden. Wegen seiner Fehlsichtigkeit hatte er nicht mehr die Schrift an der Schultafel lesen und sich auf der Straße nicht mehr sicher bewegen können, schilderten die Großeltern dem TV-Team. (dpa)