Bei einem der größten Milchviehbetriebe in Bayern haben Behörden neben Verstößen gegen den Tierschutz auch solche gegen das Tierseuchen- und Arzneimittelrecht festgestellt. Das geht aus einer Antwort des Ministeriums für Verbraucherschutz auf eine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion hervor. Demnach wurden bei den Kontrollen auf den Höfen des Milchviehbetriebs aus Bad Grönenbach (Landkreis Unterallgäu) in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 16 Verstöße gegen das Tierseuchenrecht und vier Verstöße gegen das Arzneimittelrecht verzeichnet.
"Bei den im Kontrollbericht festgestellten Verstößen gegen das Tierseuchenrecht handelt es sich um geringfügige Verstöße gegen die Kennzeichnungs- und Registrierungspflichten von Rindern nach der Viehverkehrsverordnung. Im Arzneimittelrecht handelt es sich im Wesentlichen um Dokumentationsmängel", sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Ob strafrechtlich relevante Verstöße vorliegen, sei Gegenstand der laufenden Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft.
Die Zahlen beziehen sich ausschließlich auf die Ställe in Bayern mit etwa 2690 Rindern. Das Unternehmen hat zwei weitere Betriebsstätten in Baden-Württemberg. Im Juli waren Videoaufnahmen von einer Tierschutzorganisation veröffentlicht worden, die aus dem Stall des Betreibers stammen sollen und Verstöße gegen das Tierschutzrecht aufweisen.
Bad Grönenbach: Jedes fünfte Kälbchen starb in dem Großbetrieb
Auf dem Milchviehhof war die Kälbersterblichkeit von rund 20 Prozent etwa doppelt so hoch wie im bayerischen Durchschnitt. Demnach starb in den vergangenen fünf Jahren etwa jedes fünfte Kälbchen in dem Großbetrieb. Laut dem Landratsamt Unterallgäu liegt der Grund an der Ausbreitung der Viruskrankheit Bovine Virus-Diarrhoe (BVD). Impfungen dagegen wurden laut Landratsamt vom Tierhalter nicht gründlich genug erledigt. Daher mussten der Behörde zufolge zahlreiche Kälber getötet werden, um weitere Ansteckungen zu verhindern.
Aus der Stellungnahme des Ministeriums gehen auch konkrete Details zu 14 Tierschutzverstößen hervor: Kühe litten unter Verletzungen, Haut- und Eutererkrankungen. Zudem stand nicht jedem Tier ein Liegeplatz zur Verfügung und in manchen Ställen gab es unzureichend Fressplätze. In einem der Betriebsstätten gab es "große Kot- und Urinansammlungen im Standbereich beim Futtertisch". Lahmen Tieren wurde kein Futter oder Wasser in erreichbarer Nähe vorgelegt. "Es ist nicht ausreichend, dieses Tier in der Krankenbucht zu separieren und sich selbst zu überlassen", heißt es in einer Anordnung des Veterinäramts.
"Es ist unfassbar, dass kranke Tiere offenbar ohne Wasser und Futter einfach liegengelassen wurden", sagte der umweltpolitischer Sprecher Florian von Brunn (SPD). "Ich frage mich, ob man sie aus Kostengründen einfach sterben lassen wollte." Gerade vor diesem Hintergrund sei nicht nachvollziehbar, warum hier nicht mit aller Härte früher eingeschritten wurde. "Um solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern, braucht es nicht nur regelmäßige effektive Kontrollen und harte Strafen, sondern auch eine Veröffentlichungspflicht bei Tierschutzverstößen - so wie bei Lebensmittelverstößen."
Nach Bad Grönenbach: Ministerium will eine Kontrollaktion starten
Das Ministerium gab an, noch heuer "eine Kontrollaktion in sehr großen Rinderhaltungen mit bayernweit einheitlichen Kontrollvorgaben" starten zu wollen. Im Juli hatte Ressortchef Thorsten Glauber (Freie Wähler) in einer Sondersitzung des Umweltausschusses angekündigt, Kontrollen für landwirtschaftliche Großbetriebe neu organisieren zu wollen. Für 85 große Rinder- und Schweinezuchtbetriebe soll künftig dieselbe Spezialbehörde zuständig sein, die bisher schon große Lebensmittel- und große Geflügelbetriebe kontrolliert. Sie soll dazu 25 neue Stellen und zwei neue Standorte bekommen.
Gegen den Großbetrieb aus Bad Grönenbach wurden mehrere Strafanzeigen erstattet – die Staatsanwaltschaft ermittelt. Zur Aufklärung der Vorwürfe gründete die Polizei eine Sonderkommission. Zudem wird seit Anfang August gegen zwei weitere Großbauern mit Hauptstandort im Unterallgäu wegen Verstößen gegen den Tierschutz ermittelt. (dpa/lby)
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