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Neuburg: Frau tötet Bekannten im "Exzess" - 80 Verletzungen

Neuburg

Frau tötet Bekannten im "Exzess" - 80 Verletzungen

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    Im Alkoholrausch hat die Frau ihren Bekannten getötet.
    Im Alkoholrausch hat die Frau ihren Bekannten getötet. Foto: Symbolbild, Daniel Naupold (dpa)

    In dieser Nacht hatte sich der Schalter bei ihr wieder umgelegt. Sie hatte wieder zu viel getrunken. Eine Flasche in seiner Wohnung. Vielleicht mehr, vielleicht weniger. Ein paar Flachmänner vorne weg zur Beruhigung. Ganz genau bekamen die Rechtsmediziner die Promillezahl nicht heraus.

    Aber als ihr Schalter umgelegt war, als ihre weiße Seite sich schwarz eingefärbt hatte, wie Zeugen es beschrieben hatten, als sie sich wieder selbst entglitten war, war ihr Bekannter tot. Es war am 14. Mai vergangenen Jahres zwischen sechs und sieben Uhr in einer Wohnung in Reichertshofen. Und der 51-Jährige lag da mit 80 Verletzungen. Innerlich verblutet. Drosselspuren am Hals. Auch ein Weißbierglasstumpf gehörte zu ihren Tatwerkzeugen. „Es war ein Exzess“, wie der Staatsanwalt sagte, als er sie vor ein paar Wochen wegen Totschlags anklagte.

    Sie, eine 40-jährige gebürtige Neuburgerin, ist Alkoholikerin. Er war es. Sie hatten sich in der Klinik kennengelernt. Er hatte ihr angeboten, bei ihm einzuziehen. Ihr Freund hatte gerade Schluss gemacht. Ihr drohte, erneut ohne Obdach zu sein. Wie früher schon in Berlin. Sie könne bei ihm bleiben, bis sie etwas gefunden habe.

    Sie ist eine attraktive Frau. Eine studierte Kunsthistorikerin, talentiert, hatte ihre Laufbahn aussichtsreich in der Kunstwelt begonnen. München. Kassel. Dann Berlin. Eine Beziehung scheitert. Das Verhältnis zu den Eltern ist seit Jahren gestört. Die Karriere stockte. Irgendwann konnte sie die Miete nicht mehr zahlen. Sie trank immer mehr. Versank obdachlos „im schwarzen Sumpf“. Vergewaltigt worden sei sie in dieser Zeit.

    Mehrstündiger Filmriss

    Er, so hatten es Freunde berichtet, sei „ein lammfrommer Kerl“. Zuletzt sei er nicht mehr gut beieinander gewesen. Zu schwach um seine Bierkiste zu tragen. Geschieden, eine Tochter, wieder Junggeselle. Er habe mit Frauen gechattet. Gewartet, ob wieder mal eine „anbeiße“. Aber belästigt? „Nie“. Und ja, sagt sein bester Freund, damals vor einem Jahr habe er erzählt, dass er im Krankenhaus bei der Entgiftung „eine“ kennengelernt habe. „Er hat gemeint, da könnte was draus werden.“

    Es wurde nichts daraus. Beide betranken sich, als sie einzog. Er habe sie sexuell immer heftiger belästigt. Sie habe sich dagegen gewehrt, sei schließlich „fuchsteufelswild“ geworden.

    Sie hatte zum Prozessauftakt gestanden, behauptete aber einen mehrstündigen Filmriss gehabt zu haben. Als sie wieder zu sich gekommen sei, habe er da gelegen. Sie habe versucht, ihn wiederzubeleben. Dann habe sie nur noch da gesessen und gebetet.

    Staatsanwalt fordert neun Jahre

    Schwarz und weiß. Der Rechtsmediziner hatte gesagt, dass ihre mindestens 2,47 Promille ihre Schuldfähigkeit nicht minderten. Sie sei eine gewohnte Trinkerin, seit 2008 41 Mal wegen Alkoholabusus in Kliniken gewesen. Der psychiatrische Gutachter hatte ihr eine Persönlichkeitsstörung attestiert. Sie habe aggressive Impulse, sei narzisstisch. Die Kombination aus Persönlichkeitsstörung und Alkohol könne schon zu Kontrollverlust und damit zu verminderter Schuldfähigkeit führen.

    Staatsanwalt Ingo Staudt sah zumindest das genauso und minderte den Strafrahmen. Ansonsten aber sah er in der Angeklagten nicht das „Opfer permanenter sexueller Gewalt durch Männer“. Auch sah er keinen Hinweis darauf, dass sie in Notwehr gehandelt habe. Ihr Bekannter habe sie vielleicht beleidigt. Aber sie hätte ja auch gehen können. Er forderte neun Jahre und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Sie ist vorbestraft wegen vorsätzlicher Körperverletzung.

    Ihr Verteidiger Hermann Borchert ging von einem minderschweren Fall aus. Er folgte dem Staatsanwalt weitgehend, was den Ablauf der Nacht betraf. Er sagte aber: Irgendetwas müsse in dieser Wohnung passiert sein, dass sie so ausgerastet sei. Er forderte fünf Jahre.

    Sie entschuldigte sich gestern unter Tränen vor Gericht bei seiner Tochter, bat um Verzeihung für etwas, „was nicht zu entschuldigen ist“. In jener Nacht müsse in ihrem Kopf ein Film abgelaufen sein. Sie wolle sich bessern. Und: „Ich möchte nie wieder von Alkohol oder der Willkür eines Mannes abhängig sein.“

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